Kambodscha Teil 3: Siem Reap mit Angkor Wat

Bootstour von Battambang nach Siem Reap

Es gibt ein Holzboot, das in sieben Stunden über den Sangker-Fluss und den Tonle Sap nach Siem Reap fährt. Das wollen wir doch ausprobieren. Die Alternative mit dem Bus scheint zwar bequemer, dafür weniger spannend zu sein. Schon der „Pier“ sieht abenteuerlich aus. Matschige Wege und Erdhügel führen über eine Metalltreppe zu dem ca. 8m langen Boot. Für uns und andere Gäste streuen die Bootsmänner sogar Schottersteine auf den Matschweg, damit wir einigermaßen sauber dort unten ankommen. Ich eiere voll bepackt nach unten, nehme Platz in einer der zwei Doppelsitzreihen und beobachte das stetige Beladen des Bootes. Sogar ältere Touristen mit Rollkoffern kommen die Treppe herunter, während die Bootsmänner deren Gepäck tragen. Beim Einsteigen rutscht der ein oder andere auf Deck aus und versaut sich die weiße Hose.

Eine Aufgabe, da heil runterzukommen …

Gegen 7:30 Uhr beginnt der laute Dieselmotor zu knattern und wir legen mit ca. 10 weiteren Touristen und einer handvoll Einheimischer ab. Der Wolkenhimmel ist uns nur recht, denn die hohe Luftfeuchtigkeit und Hitze der letzten Tage waren schon extrem. Zwischendurch legte das Boot an, damit Einheimische aus- oder zusteigen können.

Die Bootsfahrt ist wie großes Kino. Rechts und links tun ständig neue Ausblicke auf, so dass wir gar nicht wissen, wo wir zuerst hinschauen sollen. Häuser, die morsch, alt und wackelig am Ufer stehen; bunt bemalte Fischerboote mit kleinen Rundhütten, in denen die Menschen leben; schwimmende Häuser und Supermärkte, riesige Fischernetze auf langen Bambusbooten; unzählige Reusen, Fischer, spielende Kinder hinter Holzgattern, damit sie nicht ins Wasser fallen … alle winken uns zu, rufen „Hello“ und wir winken zurück … 

Wie wunderbar doch diese einfache Geste ist … jeder versteht es …auf der ganzen Welt … das Winken bringt die Menschen zum Lachen und in Kontakt … egal welche Kultur oder Sprache … ich liebe sie!

Wenn das Boot in 180 Grad-Kurven fährt, bekommt es ganz schön Schlagseite und bei Gegenverkehr muss es auch immer wieder anhalten. Ein weinendes Mädchen kann ich mit Luftballons und Keksen zum Lachen bringen. Als das Boot plötzlich in einen sehr schmalen Flussarm einbiegt, schlagen die harten Äste der Büsche links und rechts gegen das Boot. Wir setzen uns besser in die Mitte. Rolf geht aufs Dach und filmt diese Fahrt durch den Dschungel, wie das Boot durch die schmale Fahrrinne seinen Weg findet. Es passiert auch hin und wieder, dass sich das Boot in der Uferböschung festfährt. Doch die Männer können es mit Hilfe von Stangen wieder frei bekommen. Ich kann mich an den schwimmenden Dörfern gar nicht sattsehen, fotografiere unentwegt die Menschen hier.

An einem schwimmenden Restaurant essen Rolf und ich eine Suppe, während die anderen Touristen sich scheinbar nicht trauen. Eine Banane muss wohl für sieben Stunden reichen. Ich bin auch die einzige Touristin,  die die Toilette an Bord benutzt, der Rest scheint es sich zu verkneifen und das Trinken einzustellen. Gegen Ende der Tour fährt das Boot in den großen Tonle Sap-See bis zum Pier von Siem Reap. 

Die „Kok Krosaing Englisch School“ in Siem Reap 

Unsere Unterkunft, das Sun Boutique Resort haben wir bewusst etwas außerhalb von Siem Reap gewählt, damit wir mal wieder ein paar Tage zur Ruhe kommen können. Unsere Gastgeber, Sun Sothy und ihr belgischer Mann, Roger, empfangen uns sehr herzlich. Uns interessiert besonders die Schule, die die Beiden vor einigen Jahren gegründet haben.

Zur Zeit besuchen ca. 250 Kinder ab ca. 4 Jahren die KOK KROSAING ENGLISH SCHOOL. Da die Eltern zu arm sind, um ihre Kinder auf eine staatliche Schule zu schicken, bietet Ihnen diese Schule eine Zukunft durch Bildung. Sie bekommen die Schulkleidung sowie das Essen gestellt. Sun Sothy näht und kocht für die Kinder, die schon sehr früh in ihren Familien mitarbeiten müssen. Häufig nehmen Sie einen langen Schulweg in Kauf, um morgens pünktlich zum Unterricht zu erscheinen. Mit Hilfe der Spenden- und Patengelder kann ein Großteil der Kosten finanziert werden. 

Wir haben das Glück und können am Sonntag mit zu der Tanzaufführung der Mädchen kommen. Sie freuen sich über jeden Zuschauer, denn die Eltern kommen nicht in die Schule, was mir wirklich leid tut. Doch sie schämen sich wohl für Ihre Armut und darüberhinaus arbeiten sie täglich so viel, dass sie keine Zeit haben.

Diese traditionellen Tänze sind ein einzigartiges kulturelles Erbe der Khmer. Die Tänzerinnen tragen goldenen Kopfschmuck, goldene Schlangen an den Fußfesseln, goldene Armreifen und Kostüme mit viel Gold. Sie sehen wunderschön darin aus. Der Khmer-Tanz ist ein langsamer harmonischer Tanz. Die Tänzerinnen bewegen sich fast im Zeitlupentempo, setzen eine Fuß langsam vor den anderen. Entweder tanzen sie im Kreis oder in Reihen hintereinander, wobei sie ihre Arme und Hände kunstvoll drehen und beugen. Die Tänze erzählen Geschichten aus der Mythologie oder aus dem Alltagsleben der Khmer. 

An einem weiteren Tag können wir uns ein Bild von dem Schulalltag machen und die Kinder und LehrerInnen im Unterricht besuchen. Eine Klasse singt für uns „Merry Christmas“. Die Kinder wirken zufrieden, aufgeweckt und höflich. Sie werfen den Müll draußen in die Mülleimer (was hier nicht selbstverständlich ist, aber erklärbar, man hat hier andere Sorgen als Müllentsorgung), stellen ihre Schuhe vor den Klassenraum und arbeiten an ihren Aufgaben. Die LehrerInnen machen einen engagierten und liebevollen Eindruck, wenden sich bei Fragen einzelnen Kinder zu und helfen ihnen. Ein Blick in die noch nicht fertiggestellte Mensa und in die zukünftige Autowerkstatt verdeutlicht, wofür hier Geld benötigt wird. Da nun einige der ersten Kinder erwachsen werden, möchte Roger den Kindern eine Berufsausbildung ermöglichen, um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. In Kambodscha gibt es bislang noch keine Berufsschule. Ein kleine Werkstatt mit Werkzeugen an der Wand und einem kleinen Schulungsbereich steht bereit. Für die Zweirad-Werkstatt braucht man alte Mopeds zum Zerlegen und Lernen. Doch weil in Kambodscha fast alles irgendwie wiederverwertet wird, sind alte Mopeds oder Motoren kaum zu finden. Nähmaschinen hat Roger bereits angeschafft. Der Näh-Klassenraum sieht es schon einsatzbereit aus. Insgesamt sind wir beeindruckt von seinem Herzensprojekt, das den Kindern hier eine bessere Zukunft durch Bildung ermöglicht. 

Die Tempel von Angkor – der Nationalstolz von Kambodscha

Eine Abbildung der Tempel von Angkor ist hier allgegenwärtig, auf Geldscheinen, auf der Flagge natürlich, auf Werbeplakaten, auf Tuktuks, auf Bierflaschen. Auch wir sind in Siem Reap, um uns die größten und bekanntesten Tempelanlagen in Südostasien anzuschauen. Bei dem Klima hier im Dezember eine echte Herausforderung. Für den Besuch dieser riesigen Anlage mit über 200 km² und ihren unzähligen Tempeln gibt Roger den Rat das Ganze von hinten, also am Wat Ta Prohm, dem Würgefeigen-Tempel, anzufangen und entgegen des Besucherstroms fortzufahren. Er instruiert den Tuktukfahrer, der uns zuerst zum Ticketschalter bringt, wo wir jeder 62$ für ein 3-Tagesticket lösen, dass man innerhalb von 10 Tagen einlösen kann. Auch morgens um 9 Uhr ist es schon heiß und schwül. Glücklicherweise liegt ein Großteil des UNESCO-Weltkulturerbes in einem schattigen Wald. Bevor wir in die Tempel gehen, zeigt er uns jedes Mal auf der Karte, wo wir ihn am Ausgang wiederfinden.

Wat Ta Prohm

Wir sind schon etwas aufgeregt, als wir durch ein Waldstück auf den Tempel Ta Prohm zulaufen. Hier wurde „Tomb Raider“ gedreht, haben wir zwar nie gesehen, aber egal. Prompt entdecken wir die ersten Chinesengruppen vor dem Eingang, die sich heute scheinbar besonders auffällig gekleidet haben und sich auf den ehrwürdigen Steinen räkeln. Da sie sich mit Räkeln abwechseln, haben wir eh keine Chance auf ein Foto ohne Chinesen. 

Schnell vorbei, nichts wie weg. Dass sie auch so laut dabei sein müssen! 

Die Tempelanlage an sich scheint sie nicht wirklich zu interessieren. So gehen wir in entgegengesetzter Richtung durch die Anlage, stehend staunend vor den Bäumen und Würgefeigen, die aus den grün-grauen Mauern, herauswachsen, die mit ihren Wurzeln wie ein Netz die Tore, Fenster und Mauern umspinnen. Es sieht unfassbar beeindruckend aus, als ob der Dschungel sich den Tempel einverleiben wollte. Wie heruntergefallene Bauklötze wirken die riesigen Steine und Mauern, Fenster und Tore, die in grau-grün, orange-grau, grau schwarz und weiß-grau faszinierende Fotomotive darstellen. Ein Kletter-und Versteckparadies für Kinder! So sollten Spielplätze gebaut werden! 

Die Weiterfahrt zur Tempelanlage Angkor Thom ist eine kleine Pause, in der uns der Wind etwas kühlt.

Wat Bayon

Wieder erwartet uns eine äußerst beeindruckende Tempelanlage, die für ihre Türme mit den bis zu 7 Meter hohen aus Stein gemeißelten Gesichtern bekannt ist. Jeder Turm hat vier Gesichter für jede Himmelsscheibe. Lange Zeit war dieser Tempel das religiöse Zentrum von Angkor Thom. Diese Gesichter, die Bodhisattvas darstellen, sind ein echter Hingucker. Die Patina auf den Steinen geben den Gesichtern unterschiedliche Färbungen. 

Die riesigen in Stein gehauenen Gesichtsskulpturen sind das faszinierendste am Bayon-Tempel. Wie gerne würde ich sie mit der Kamera näher heranholen und malen. Auf den lebensnahen Flachreliefs werden Szenen aus dem Alltagsleben der Könige und Bewohner, des fischreichen Tonle-Sap-Sees und aus den Kriegszügen dargestellt. 

Angkor Wat

Den Abschluss für heute bildet Angkor Wat, ein im 11. Jahrhundert aus Sandstein erbaute Tempelkomplex, von einem breiten Wassergraben umgeben, war dem hinduistischen Gott Vishnu geweiht, bevor die Khmer zum Buddhismus übergegangen sind. Im Inneren sind riesige Wandreliefs, die kriegerischen Szenen darstellen. Die Apsaras, Wolkentänzerinnen, zieren die Mauern. Da wir kräftemäßig ziemlich am Ende sind, ersparen wir uns den oberen Tempelbereich. Am Lotusteich draußen freuen wir uns über die fantastische Spiegelung der Angkor-Kulisse, stehen etwas andächtig davor.

Nach diesem Tempeloverkill bei 80% Luftfeuchtigkeit und 35 Grad schlafen wir am Nachmittags in unserem klimatisierten Zimmer fest ein.

Den zweiten Besuch legen wir auf den dritten Tag am späten Nachmittag. Welch weise Entscheidung, Gegen 15 Uhr fahren wir los in den nördlichen Teil von Angkor. 

Preah Khan

Auch hier schlingen sich einige Würgefeigen um die Mauern. Diese sehr symmetrisch und quadratisch gebaute Tempelablage erscheint in dem weichen Licht noch schöner, zumal auch kaum jemand mit uns in der Anlage ist. Wir freuen uns über die Ruhe hier, genießen den Blick auf diesen mystischen Ort. 

Phum Preah

Zum Sonnenuntergang steigen wir die steilen Treppen auf den Tempel hinauf. Wie schön, dass Rolf vorher noch zwei Bier besorgen konnte. Viele Touristen bestaunen die hinter den Bäumen untergehende Sonne. Wir wundern uns, was es da zu bestaunen gibt. Mir gefällt eher das warme Licht auf den Türmen des Tempels. Wir staunen eher über die Aufmachung so mancher Chinesen, während wir unser kaltes Bierchen trinken. 

Angkor Nationalmuseum in Siem Reap

Diese wunderbar gestaltete Museum hätten wir besser mal vorher besucht, denn mit Hilfe des Audio-Guides werden wir sehr anschaulich durch die Geschichte und Kultur der Khmer geführt:  Skulpturen, Alltagsgegenstände, die Entwicklung der Schriftzeichen, die Geschichte der Könige mit ihren jeweiligen Tempelbauten, hinduistischen Gottheiten, Schmuck. Vorher wusste ich auch nicht, welche Bedeutung die unterschiedlichen Buddhastatuen haben, dass die 7köpfige Schlange, auf der Buddha sitzt, ihn vor Regen schützt u.v.m. Die 15$ Eintritt waren es wert. 

Angkor, du hast uns echt geschafft … man muss dich gesehen haben … ja, unbedingt … wir hätten dich gerne vor 20 Jahren und bei angenehmen 25 Grad gesehen! 

Hiermit verabschieden wir uns von Kambodscha. Wir haben viel über seine leidvolle und grauenhafte Geschichte erfahren, die noch gar nicht so lange her ist. Gerade mal 30 Jahre ist es her, dass Pol Pot und seine Roten Khmer mehr als 2 Millionen Menschen töteten, fast ¼ der gesamten Bevölkerung. Die gesamte Intelligenz hat er ausgerottet. Es gab kaum noch Lehrer, Ärzte, Juristen usw. Eine Brille zu tragen, etwas gelernt zu haben oder weiße Haut zu haben, war ein Todesurteil. Fast jeder hier hat in der Familie leidvolle Erfahrungen gemacht, sei es der getötete Papa, der Opa, die Oma oder eigene Kinder. Niemand traut sich darüber zu sprechen, weil sie Angst haben. Immer noch … denn Hun Sen (Kambodschas Premierminister) überwacht alles, auch Facebook … mit seiner eigenen Armee. Das Leid, dass diese Menschen hier ertragen haben, ist für uns unvorstellbar. Diesen Menschen, die so liebenswürdig und ehrlich sind, die uns auch die Brusttasche bringen, die Rolf am Stuhl hat hängen lassen, wünschen wir eine Zukunft mit besseren Bildungsmöglichkeiten, mehr Mut und Selbstbewusstsein, um auch diese Diktatur zu überwinden!

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2 Gedanken zu „Kambodscha Teil 3: Siem Reap mit Angkor Wat

    1. Rolf

      Ja, wir sind auch froh, wenn wir zwischendurch an abgeschiedene Plätze kommen, wo wir die Muße haben, all diese Erlebnisse mal zu verarbeiten … Morgen werden wir dann Südostasien verlassen, das uns jetzt ein halbes Jahr intensiv beschäftigt hat und uns nach Nepal bewegen – ich freue mich schonmal auf etwas kältere Tempearaturen (im Gegensatz zu Eve) und die neuen Erlebnisse …

      Liebe Grüße nach Köln

      Antworten

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