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Veneto Gravel

Es hat sich was verändert ..

20 Jahre lang hat sich kein Auto o.ä. mehr in meinem Besitz befunden – es bestand auch keine Notwendigkeit mehr dafür. Den Weg in die Schule habe ich Tag für Tag mit dem Rad zurückgelegt, in der Stadt sowieso und Bahnfahren war ja auch mal angenehmer. Und für die besonderen Anlässe gibt es hier in Köln auch das Carsharing.

Und gereist sind Eve und ich – wenn wir nicht als Backpacker unterwegs waren – mit dem Rad. Radreisen … am Liebsten über die Alpen Richtung Mittelmeer, mit Sack und Pack, Zelt und Co., die Via Claudia, den Dolomiten-Radweg, den Alpe-Adria und, und, und … Dabei war mein damaliger (bevor ich Eve kennenlernte) Radesel nur dazu gedacht, mich von Kneipe A nach Kneipe B zu transportieren.  

Immerhin hat dieses Rad noch ausgereicht, unsere erste Radreise in Kampanien in Angriff zu nehmen. Aber dann … gleich mehrere Räder müssen sich mittlerweile ihr zuhause mit mir teilen, vom ganzen Equipment rund ums Radreisen ganz zu schweigen.

Die Veränderung …

Die Veränderung: der Max, ein Camper auf Sprinter-Basis

Nachdem Eve und ich unseren Traum von einem gemeinsamen Sabbatical erfüllen konnten, haben wir die Träumerei einfach fortgesetzt. Das Resultat war ein Camper, mit dem wir autark in Europa unterwegs sein können, den Winter im Süden verbringen und ob es auf andere Kontinente geht – wer weiß?

Drei Jahre haben wir gewartet – dann war er da, der „Max“ der Firma Flowcamper. Damit uns die Wartezeit nicht zu lange wird, haben wir das letzte Jahr bis zur Auslieferung mit „Frieda“, ebenfalls von Flowcamper, verbracht.

Das hat zu der oben erwähnten eigentlichen Veränderung geführt. Radreisen steht nicht mehr so im Mittelpunkt. Wir haben unsere Räder zwar immer dabei, wenn wir mit dem Camper unterwegs sind, aber sie stehen nicht mehr im Mittelpunkt. Touren mit dem Rad an den Orten, wo wir stehen, sind immer noch geliebte Aktivitäten, aber das Reisen von A nach B über mehrere Wochen ist weggefallen. Das fehlt mir, aber ich habe eine Möglichkeit gefunden, diese Entzugserscheinungen zu mildern: Gravel-Events im Bikepacking-Modus

So kommen wir zum eigentlichen Thema dieses Artikels (die Einleitung dahin ist wohl etwas lang geraten): Dem Veneto Gravel, einem Bikepacking-Event in Venetien mit Start und Ziel in Bassano del Grappa.

720 km │ 4300 hm │ Bassano – Gardasee – Venedig -Bassano

Ja, Italien ist immer wieder mein Sehnsuchtsort. Ein Land, das meinen Lebensweg so intensiv wie kein anderes begleitet. Ob zum Windsurfen, zum Arbeiten (der Link führt zu meiner alten HTML-Seite), zum Radreisen zu Gravel-Events wie den Toskana Trail oder wie in diesem Fall den Veneto Gravel … 

So wie im letzten Jahr (hat etwas gedauert, bis ich mich hier ans Schreiben gesetzt habe) beim Veneto Gravel. Da aber noch mit dem Bulli. Mit einem – wie ich finde – perfekten Verlauf. Einige Tage vor dem Start zur Gewöhnung ans „dolce vita“ schon hinfahren, dann die Herausforderung des „unsupported bike adventure“ (nur Ankommen zählt)  meistern, um anschließend das Ganze beim Abgewöhnen des „dolce vita“ ausklingen zu lassen – perfekter Plan, oder??

So werde ich es auch in diesem Jahr wieder machen. Im April beim Vento Gravel und im Mai beim CarsoTrail. einem Gravel-Event an der italienisch-slowenischen Grenze. 

Jetzt aber zum Event im letzten Jahr, dem Veneto Gravel. Ein Abenteuer, das mich an meine Grenzen gebracht hat, aber auch umso glücklicher, als ich es dann geschafft habe.

Die Eingewöhnung …

Ist schon Luxus, wenn man das ganze Equipment, das einem zur Verfügung steht, einfach in den Bulli packt und dann vor Ort erst die endgültige Auswahl trifft. Der Campingplatz Santa Felicita in der Nähe von Bassano, klein und wunderschön gelegen, gibt mir die Möglichkeit den Bulli auch während des Events dort stehen zu lassen, um mich anschließend noch „abzugewöhnen“!

Ich genieße das dolce vita, die Sonne, die Köstlichkeiten, lerne nette Leute kennen (vorwiegend Paraglider), teste das Equipment und entschließe mich dazu, nur ein kleines Tarp zum Übernachten auf Tour mitzunehmen.

Das Event …

Freitag ist Anmeldetag. Ich radele schon früh hin, hat aber nichts geholfen – es ist voll … Über 1200 Teilnehmer sollten es letztendlich werden. Da aber sowohl Freitag, als auch Samstag gestartet werden konnte, verteilt sich das Ganze schon früh nach dem Start, wie es sich später herausstellt. Ich bekomme mein Starterpaket und radele wieder zurück, mache mein Bombtrack einsatzbereit und gehe früh ins Bett.

Am frühen Morgen noch einen letzten Caffè mit Frieda, bevor ich die zehn Kilometer zum Start radele, mich in die Startliste eintrage, in dem Tohawabohu ohne Erfolg nach bekannten Gesichtern schaue und ziemlich aufgeregt auf die Strecke gehe.

Es dauert nicht lange und ich treffe nur hin und wieder eine*n Mitfahrer*in, der oder die sich aber nicht lange in meinem Sichtfeld aufhalten, da ich immer ein eher langsameres Tempo einschlage und versuche, mein Tempo zu finden – langsam in den Flow komme und zufrieden mit meinem Alleinsein bin – so mag ich es. Von den drei möglichen Strecken habe ich mir die Lago-Variante ausgesucht, die über Verona zum Gardasee und dann im Bogen über Padua wieder nach Bassano führt. Die ursprünglich geplante Route, die zusätzlich noch über Venedig führt (730 km) habe ich mir nicht so richtig zugetraut. Es ist das Besondere an diesen Veranstaltungen. Du bekommst die Strecke als GPX-Datei, es gibt kein Zeitlimit, du organisierst deine Übernachtung und die Verpflegung unterwegs selber und willst nur irgendwann diese Herausforderung gemeistert haben und am Ziel ankommen – that’s it!

Auf dem Weg dahin wird’s anstrengend …

Ein Grund, warum ich so gerne in Italien unterwegs bin, ist die Möglichkeit schon am frühen Morgen mit dem Notwendigsten versorgt zu werden – einem Caffè. Und auch im Laufe des Tages bereitet es keinerlei Probleme, von der „cucina italiana“ bestens versorgt zu werden.

Mit einem Panino mit Porchetta z.B. …

110 km habe ich mittlerweile in den Beinen und keine große Lust mehr, den perfekten Schlafplatz zu suchen. Etwas versteckt finde ich in einem Weinberg ein Plätzchen für Isomatte und Schlafsack. Das Tarp spare ich mir – dachte ich – ein Fehler. Ich werde am nächsten Morgen wach und alles ist patschnass – also so richtig „patsch“! Der Schlafsack (Daune!!), die Matte, die Klamotten … Alles! Im April sollte man die Feuchtigkeit in der Nacht nicht unterschätzen.

Meine Laune dementsprechend …

Egal … weiter geht’s. ich packe die nassen Klamotten zusammen in der Hoffnung, sie im Laufe des Tages in der Sonne trocknen zu können. Aber erstmal ’nen Caffè mit ’nem Brioche. Dafür muss man in den hiesigen Gefilden nicht lange radeln – selbst um 6 Uhr nicht. Es entwickelt sich schnell ein nettes Gespräch mit den lokalen Barbesuchern, spätestens nachdem ich das zweite Gedeck bestellt habe. Und auch meine morgendliche Sprachhemmung, gepaart mit mieser Laune, entwickelt sich dabei zum Besseren. Endgültig beim Euphorischen angelangt bin ich, als die Sonne über die Landschaft blickt und mir die Möglichkeit gibt, die Klamotten zum Trocknen aufzuhängen …

Nächstes Ziel ist Verona. Über 10 Jahre ist es her, dass Eve und ich bei unserer ersten Alpenüberquerung auf der Via Claudia hier Station gemacht haben. Die Organisatoren haben die Route durch alle touristischen Highlights geführt. Ich bin froh, als ich da wieder raus bin und den Gardasee als nächstes Ziel vor Augen habe. Es geht entlang des Sees bis zur Südspitze nach Peschiera del Garda, wo es den nächsten Checkpoint geben soll, den ich aber nicht finde (es ging nicht nur mir so). Egal … ist mir wurscht, ich radele weiter, will auch nur weg vom Trubel.

Es geht entlang des Flusses Mincio an der Grenze zur Lombardei. Die e-Bike-Dichte hier in der Nähe zum Gardasee ist enorm, aber je mehr ich von ihm entferne, desto weniger wird es und vor allem einsamer – wie schön.

Ich mache mir Gedanken zum Nachtquartier. Nach der Erfahrung der letzten Nacht entschließe ich mich, einen Campingplatz anzusteuern. Ich finde den Agricampeggio a Borghetto sul Mincio und da die Wettervorhersage für die Nacht eher mies ist, nutze ich einen Unterstand für die Nacht. Es stellt sich als genau die richtige Entscheidung heraus – es schüttet die ganze Nacht.

Mein Quartier für die zweite Nacht

Am nächsten Morgen scheint doch glatt die Sonne. Ich bin irritiert – die nächste Bar hat noch nicht geöffnet, der existenzielle Cappuccino mit Brioche am Morgen rückt in weite Ferne … also weiterrradeln, das wird schon. Aber ich bin in einer verschlafenen Gegend unterwegs und es dauert etwas bis zum so gewünschten Lebenselixier.

Der erste Cappuccino lässt meine Lebensgeister erwachen und ich komme wieder in meinen Flow, hin und wieder einen Fotostop. Von den über 1200 TeilnehmerInnen gibt es doch tatsächlich hin und wieder Eine(n), der/die mich überholt. Bin ich doch davon ausgegangen, dass da hinter mir nicht mehr viel kommen kann. So bin ich jedenfalls sicher, auf der richtigen Route zu sein.

Plötzlich wird mir bewusst, dass ich hier schonmal mit dem Rad unterwegs war – gemeinsam mit Eve auf unserer Dolomiten-Tour 2014, die uns bis nach Umbrien zum Lago di Trasimeno geführt hat. Und ein Campingplatz, auf dem wir unser Zelt aufgeschlagen haben, war auch nur noch 20 km entfernt – also warum nicht die Erinnerung auffrischen. Zumal am Horizont ausgesprochen dunkle Wolken aufziehen. Die Wetter-App sagt Starkregen voraus und ich trete in die Pedale, um es rechtzeitig dahin zu schaffen – vergeblich.

Es erwischt mich voll. Innerhalb kürzester Zeit sind die Schlaglöcher und die Schotterpiste ein einzige Wasserfläche, ich erkenne nichts mehr und versuche irgendwie, nicht in der Horizontalen zu landen. Völlig durchnässt finde ich den Agriturismo Alba (was schwierig genug war) und da klar ist, dass im Freien übernachten keine Option sein wird, frage ich ein Zimmer an – aber alles ausgebucht. Der mich etwas mitleidig anschauende Besitzer hilft mir bei der Suche nach einer Unterkunft in Este, dem nächstgelegenen Ort – und wird fündig … das Hotel Beatrice. Super – da komme ich gerade her, und es schüttet weiterhin. Nützt ja nichts – da muss ich durch – 5 Kilometer patsch-patsch.

Triefend vor Nässe schiebe ich mein total verdrecktes Rad durch die Empfangshalle, treffe an der Rezeption auf einen sehr emphatischen Empfangschef, der mich freundlich empfängt, meinem Rad ein trockenes Plätzchen im Hinterzimmer gibt und mir ein komfortables Einzelzimmer – ich bin begeistert. Das Zimmer inklusive Bad wird als Trockenkammer umfunktioniert, bis kein freies Plätzchen mehr übrig ist.

Eine ruhige Nacht, ein gigantisches Frühstücksbuffet erzeugen ein zufriedenes Grinsen – bis ich nach draußen schaue – es schüttet weiterhin. Ich will aber am Abend wieder am Ziel in Bassano ankommen. Es hilft nix – ich muss raus.

80 Kilometer liegen vor mir – es zieht sich. Mein Po macht sich auch bemerkbar. Ich bin nicht so ganz zufrieden mit mein Vaude-Bip, da muss ’ne Neue her. Aber die Laune wird besser, der Regen lässt nach und sogar der eine oder andere blaue Himmelsabschnitt lugt hervor. Das Ziel vor Augen komme ich wieder in meinen Flow, so sehr, dass ich vergesse, Fotos zu machen. Ich will irgendwie einfach nur ankommen – es gelingt mir. Automatisch steuere ich den Startpunkt an und bin irritiert. Da ist niemand. Ein Blick auf den Streckenplan zeigt mir: Du bist an der falschen Stelle. Es fängt wieder an zu regnen, aber die letzen Kilometer zum richtigen Ziel schaffe ich noch einigermaßen im Trockenen.

Es empfängt mich ausgelassener Trubel, der Eintrag in die Ankunftsliste, ein kostenloses Abendessen und natürlich das obligatorische Zielfoto – ich bin glücklich!!!

Die Entspannung …

Ich radele die zehn Kilometer zurück zu Frieda, werde freudig von den Nachbarn begrüßt, gratuliert, richte mich wieder ein und genieße ein Moretti.

Nicht nur das genieße ich, auch die folgenden entspannten Tage hier bei dolce vita, der cucina italiana, den Besuch auf dem Mercato mit dem obligatorischen Einkauf praktischen Küchenzubehörs, einem köstlichen pollo arrosto, überhaupt bella Italia.

Diese Kombination mit der frühzeitigen Anreise, der Teilnahme an dem Event und den anschließenden entspannten Tagen in Kombination mit dem Camper wird keine einmalige Geschichte bleiben … demnächst mehr in diesem Theater.

Noch einige Impressionen dieser Tage …

… Und ewig ruft die Insel!

Eigentlich brauche ich keinen Anstoß, um der Insel Elba einen Besuch abzustatten. Aber Eve und ich haben den August in Skandinavien verbracht. Kaum zurück, ging es mit Freunden eine Woche in den Vorarlberg zum Radeln und kaum zuhause sollte ich mich wieder auf den Weg machen?

Aber Christian war hartnäckig. Wir kennen uns seit meiner Zeit als Reiseleiter auf Elba Ende der 80er, Anfang der 90er, in denen er jedes Jahr (auch mehrfach) als Gast meines damaligen Arbeitgebers, dem Reiseveranstalter „S&L Aktiv-Reisen“ zugegen war.

Wir hatten uns danach zwar aus den Augen verloren, aber Dank der sozialen Medien und auch meiner Artikel auf der mittlerweile doch sehr veralteten Webseite (Ich hatte mir um die Jahrtausendwende die Domain bungarten.de gesichert, ohne zu wissen, was ich damit anfangen sollte. Also habe ich angefangen, über meine Zeit auf Elba zu schreiben. Und das Ganze noch im guten alten HTML. Es gibt diese Seite im alten Design immer noch. Nachzulesen hier …

immer wieder reist er nach Elba und die Frage taucht auf: „Sollen wir uns nicht mal wieder auf Elba treffen?“

Das ist der Auslöser …

Von Eve bekomme ich grünes Licht, mich wieder auf Tour zu begeben, „Frieda“, unser Bulli scheint auch keine Einwände zu haben, das Wetter in unseren Breitengraden ist sowieso „usselisch“, zwei Wochen ohne Termine stehen zur Verfügung. Also los …

Auf die Fähre von Piombino nach Portoferraio

Spätestens am Fährhafen in Piombino mit dem Blick auf die Insel bekomme ich leichtes Herzklabastern und wenn ich dann in Portoferraio von der Fähre fahre und an der nächste Ecke einen kurzen Stop bei der Familie Segnini (in meiner Zeit auf Elba ein verlässlicher Partner bei dir Ausleihe von Fahrzeugen) mit herzlicher Umarmung und kleinem Palaver, einlege, hat mich die Insel wieder in ihren Bann gezogen.

Es sind nur noch zehn Kilometer bis zum Campingplatz Rosselba le Palme. Auf dem Weg dahin reiht sich eine Erinnerung an die andere. Es hat sich doch einiges geändert in all den Jahren, aber die Struktur ist die gleiche geblieben, vieles ist mir immer noch vertraut, manches ist neu entstanden. Ich habe immer noch das Gefühl, die kurvige Straße nach Rosselba im gleichen Rhythmus zu nehmen, wie schon hunderte Male zuvor.

Ich biege in die Einfahrt zum Platz und fühle mich sofort wieder zuhause. Das Personal ist zwar neu, die Atmosphäre aber die gleiche und die Wiedersehensfreude mit Christian groß. Erstmal Bulli abstellen, Bierchen rausholen, seine Frau Dagmar und ihren Hund kennenlernen, und viel erzählen …

Vieles ist neu auf der Anlage. Die Plätze, auf denen ich mit Bulli oder Wohnwagen gestanden habe, gibt es nicht mehr. Apartments, Hütten und Safarizelte – Glamping also – prägen jetzt das Bild. Mir gefällt’s nicht, aber das ist ein anderes Thema. Vertraut ist es mir hier trotzdem – ich fühle mich sauwohl.

Alles eingerichtet!

Mein Rädchen ist natürlich mit auf Tour. So schmeiße ich Komoot an und plane eine kleine Tour hier im Osten der Insel. Klein, weil es ein bergiges Eiland ist. Da mein Gravelbike am Start ist, baue ich ein paar Trails ein, was ich besser nicht gemacht hätte (wie sich später herausstellt) – das Rädchen wollte getragen werden. Auch da wurden Erinnerungen wach, da Eve und ich die Strecke in Teilen schon 2008, als wir mit den Rädern und Zelt hier unterwegs waren, in Angriff genommen hatten. Damals ging’s irgendwie leichter …

Um nochmal auf die Überschrift dieser Zeilen zu kommen. Ich erlebe hier Flashbacks am laufenden Band und genieße die Zeit hier, die Wiedersehen mit alten Freunden und auch die Rückkehr – dieses Mal mit Eve – ist fest eingeplant.

Noch ein paar Impressionen …

Und nicht zu vergessen …

Campeggio Ranocchio – ein Schmuckstück am Lago di Piano

Ein Beitrag von Rolf

Der Tag beginnt mit unserem morgendlichen Ritual: Das tägliche Kirchengeläute – pünktlich um 7 !! Uhr – hilft enorm beim Wachwerden. Wasser aufsetzen, alle notwendigen Utensilien um mich herum gruppieren, die „Aeropress“ (mein absoluter Favorit für guten Caffè beim Camping) mit frischem Caffè bestücken, kurz ziehen lassen und dann heisst es „pressen“!

Alles für den Caffè am Morgen

Der sich verbreitende Duft scheint auch immer die Lebensgeister meiner Gattin zu wecken – denn der Zeltreißverschluss wird aktiv … Ein kurzer Stop in die Beautyabteilung und die Voraussetzungen für den morgendlichen Caffè sind geschaffen …

Dieses Jahr ist irgendwie anders. Wir reisen einfach nicht ab. Heute nicht, morgen nicht und auch übermorgen wohl nicht. Keine Routenplanung, keine neuen Zeltplätze. „Bleiben, um zu genießen“ ist die Devise. Ob das an Corona liegt? Oder am Campeggio Ranocchio, am Lago di Piano, an den grüßenden Enten und Blesshühnern, dem nächtlichen Froschgesang? Auch die schattenspendenden Ahornbäume und Eschen, der Pool, das kalte Bier, der unverstellte Blick auf den See mit seinen riesigen Seerosenfeldern und dem satten Grün der Berge verzaubern uns von Tag zu Tag immer aufs Neue.

Da sind wir wohl gerade von einer längeren Tour zurückgekommen

Dazu gesellen sich dann noch Pluspunkte, wie ein Alimentari, dem ich jeden Morgen einen Besuch abstatte und jedes Mal begeistert bin, wenn die Signora den Riesenlaib Mortadella in die Aufschnittmaschine wuchtet, hauchdünne Scheiben abschneidet, liebevoll einpackt und mir ein freundliches „di più“ entgegenbringt – ich liebe das so sehr!

Damit nicht genug … Gastgeber, die sich auf freundlichste Art um unser Wohlergehen kümmern und sich einen Ast freuen, wenn ich mit Ihnen eine kleine Unterhaltung in ihrer Landessprache starte. Die wenigen Gäste, das gute Internet und nicht zu vergessen … DAS Argument: die EM auf Großbildschirm mit wenigen Zuschauern und gekühltem Nastro Azzurro – dat isset!

Und da sollen wir jetzt weg?!

Immerhin unternehmen wir die bereits erwähnten Tagestouren, ein Radweg (ehemalige Bahntrasse) führt unmittelbar am Platz vorbei, der uns direkt zum Comer oder Luganer See bringt. Ansonsten überwiegen hier die steilen Rampen, nicht selten in unwegsamen Gelände, weshalb auch 90 % !! der Radler mit Mountainbikes und davon nochmals 90 % als eBike unterwegs sind. Da kommen wir mit unseren Trekkern schon an Grenzen. Eine längere Tour hat uns bereits an die Nordspitze des Comer Sees gebracht, auch um die dort möglichen Unterkünfte zu sondieren. Mit dem Resultat „Wir bleiben wo wir sind!“

Eine ehemalige Bahntrasse verbindet den Comer mit dem Luganer See

Aber wir haben ja noch fast drei Wochen, in der wir „Radreisen“ können – aber – eilig haben wir es nicht!

So … mir wird warm – ich muss in den Pool …

Poon Hill Trek – gezögert, gelitten, gelacht und geweint …

Trekking in Nepal ist ein Muss für Naturliebhaber und Bergfreunde. „Du glaubst doch nicht, dass ich 8 Tage in Pokhara verbringe ohne eine Trekkingtour ins Annapurna Massiv gemacht zu haben“, so Eves Ansage.  Sie hat ja so recht, doch überkommen mich Zweifel. Und je mehr ich darüber nachdenke, je mehr fallen mir ein. Darin bin gut, keine Frage. Angefangen von meinen Knieproblemen, meinem Alter bis hin zu meinem vermeintlich schlechten Fitnesszustand.

Aber es kommt ganz anders! Der Trek wird ein weiteres Highlight unserer Reise. Ich werde unendliche viele und steile Treppen steigen, froh über die Trekkingstöcke und die Eiskrampen sein, in aller Früh und Kälte den Sonnenaufgang über dem Fishtail bestaunen, unseren Salik und Ramesh ins Herz schließen, das gesamte Annapurna-  und Dhaulagiri-Massiv bei traumhafter Aussicht erleben, Eve unterstützen und anfeuern, nachts wärmen und ein Riesenschreck wird mir durch die Glieder fahren …

Doch nun von vorne …

Mr. Happy von Happy Trek rät uns, den Trek gegen den Uhrzeigersinn in 5 Tagen zu gehen. Die 3500 Treppen von Ullerie könnten wir uns ersparen, denn ein Jeep könne uns in Banthanti abholen. Die Nacht vorher sind wir etwas aufgeregt und schlafen entsprechend unruhig. 

Tag 1: Pokhara  – Nayapul – Kimche – Ghandruk (1940m)

Mit Daunenjacken, Schlafsäcken (alles von Happy Trek), warmer Unterwäsche und Socken, Mützen und Handschuhen, Stulpen und Schlauchschals starten wir mit dem Jeep die abenteuerlichste Tour, die wir je erlebt haben, Richtung Kimche. Salik, unser Guide und Ramesh, unser Porter organisieren unsere Permits. Hinter Kimsche endlich raus aus der Schaukelkiste und rauf auf die Berge. Immer noch Reisefieber. Zur Einstimmung geht es schon mal auf steilen Treppen bergauf. Wir ahnen ja noch nicht, wieviele Treppen noch kommen werden. 

Ghandruk

Nach einer guten Stunde erreichen wir Ghandruk, das wohl schönste Dorf auf dieser Tour. Mit seinen alten Steinhäusern und dem alltäglichen Dorfleben bekommen wir hier einen Einblick in das Leben in der Bergwelt des Himalayas. Im Simon Guesthouse bekommen wir sogar ein Zimmer mit Dusche, was wir in den nächsten Tagen vermissen werden. Nach jedem Essen bekommen wir von Salik und Ramesh einen großen Obststeller, liebevoll angerichtet. Wir sollen scheinbar gut essen. Das gibt Power für die nächste Etappe. Bei einem Besuch im Dorf und im Gurung-Museum informiert Salik über die Lebensweise der Gurung.

Tag 2: Ghandruk (1940m) – Bhaisikharka – Tadapani (2660m)

Um den Sonnenuntergang über dem Fishtail zu erleben, quäle ich mich aus dem warmen Bett. Ein wahnsinnig schöner Anblick. Während wir unser Powerfrühstück „Porridge“ zu uns nehmen, wärmt die Sonne wunderbar. Mit Blick auf das Dhaulagiri- und Annapurna-Massiv laufen wir heute vorwiegend über steile Treppen nach oben. In Baisikhara machen wir eine längere Pause, trinken Hot Lemon, essen Bananen und Snickers. Mit den beiden Jungs wärmen wir uns immer weiter an. Bald nennen Sie uns nur noch Baa (Papa) und Aama (Mama) – gefällt uns besser als Oma und Opa, wie wir auch schon genannt wurden. Wir sollen sie mit Chora (Sohn) ansprechen, denn wir seien wie eine Familie. 

Morgens früh um 7

Salik zeigt auf den vor uns liegenden Berg auf die Stelle, wo wir ihn überqueren werden. Also weiter nach oben, Treppe für Treppe, Kurve um Kurve. Allmählich  verlassen wir den grünen Dschungel mit den Rhododendron-Bäumen, die leider noch nicht in Blüte stehen, und gelangen in den Schnee. Die Eiskrampen werden unsere besten Freunde, nachdem wir uns daran gewöhnt haben. Die eisigen Stellen hätten wir ohne sie kaum geschafft. Das letzte Stück hat es dann noch mal so richtig in sich. Eve gibt alles, um oben anzukommen. Endlich am Hotel Panorama Point oben nach 5 h angekommen, genießen wir die letzten Sonnenstrahlen. Der Bollerofen im Restaurant ist die Rettung vor dem kalten Wind draußen. Das wird hier eine richtig kalte Nacht, denn draußen ist überall Eis.Hot Lemon wird unser Lieblingsgetränk – Bier ist erstmal außen vor. Das Zimmer ist noch kleiner und spärlicher als das Letzte. Die dünnen Holzwände schützen keineswegs vor der Kälte. Mit zwei dicken Decken auf den Schlafsäcken wärmen wir uns.

Ohne Eiskrampen an den Schuhen läuft hier nix

Tag 3: Tadapani (2660m) – Deurali (3188m)

Wieder klopft es früh an unserer Tür … Salik ruft zum Sonnenaufgang und wieder bin ich fasziniert von dieser Kulisse beim Sonnenaufgang – keine Wolke am Himmel. Gerade bin ich dabei, meinen Kaffee zu genießen, höre ich hinter mir ein Poltern und Eves Schreie. Mir fährt der Schreck und die Panik in die Glieder, als ich sehe, dass Eve auf der vereisten Treppe ausgerutscht und auf den Rücken geknallt ist. Mir gefriert das Blut in den Adern. Vorsichtig helfen wir ihr auf und stellen mehr oder weniger erleichtert fest, dass es wohl “nur” Prellungen sind, die Eve aber auf unserer heutigen Königsetappe heftigst leiden lassen. 

Von Anfang an tragen wir die Eiskrampen, ohne die wir es wohl nur unter größten Anstrengungen geschafft hätten – wenn überhaupt. Ungläubig verfolgen wir die uns entgegenkommenden Chinesen (Ach … die Chinesen wieder !), ohne diese Hilfen, auf dem Hosenboden herunterrutschend, von ihren Guides abgebremst, damit sie nicht im Abgrund verschwinden … 

Immer wieder müssen wir eine Pause machen, da Eve aufgrund der Prellungen Probleme beim Atmen hat. Salik zeigt sich aber immer wieder als umsichtiger Guide, der ihr jederzeit seine Unterstützung gibt. Die Pausen geben uns auch immer wieder Gelegenheit, die immer noch schneebedeckte Landschaft mit zu Eis erstarrten Wasserfällen und die Blicke auf die Giganten zu genießen. Trotzdem freuen wir uns, als das Ziel – Deurali – erreicht ist.

Wir erholen uns bei den letzten Sonnenstrahlen des Tages, bevor wir uns in den Aufenthaltsraum verziehen, wo der Bollerofen wieder eine wohlige Wärme verbreitet. Eve verbringt den Abend, im Schlafsack eingelullt, am Ofen und wir hoffen, dass Ibuprofen und Salbe zu ihrer Besserung beitragen. Irgendwann raffen wir uns auf, verlassen die wohlige Wärme und verziehen uns in unsere Schlafgemächer. In Thermowäsche, Schlafsack und zwei Bettdecken gehüllt, hoffen wir, in der Nacht nicht raus zu müssen, denn überall lauern wieder die Eisplatten.

Tag 4: Deurali (3188m) – über Happy Hill (3250) nach Ghorepani (2870m)

Heute erwartet uns der Deaurali Pass, der höchste Punkt unserer Tour (3308m), mit dem anschließenden Namensgeber des Treks, dem Poon Hill. Nachdem wir den Pass hinter uns gebracht haben, geht es nur noch bergab zum ersten Höhepunkt, dem Happy Hill, von dem wir eine phantastische Sicht auf das Annapurna und Dhaulagiri Massiv mit solch klangvollen Namen wie Himchuli, Nilgiri, Fishtail, Gangapurna, Tukuchepeak und Barahasikha haben – wir können uns nicht satt sehen. So sehen es aber auch viele andere Trekker, die sich um diesen Ausgangspunkt scharen (vor allem wieder … richtig! Chinesen!!). Glücklicherweise war es der einzige Punkt wo es sich so geballt hat – ich möchte nicht in der Hauptsaison hier sein.

Die Blick von Happy Hill …

Die tolle Sicht vom Happy Hill und die Tatsache, dass man am Poon Hill das Ganze nicht toppen kann, überzeugen uns, sich die letzten Höhenmeter dorthin zu sparen und den Abstieg nach Ghorepani in Angriff zu nehmen. Noch ein paar lustige nepalesische Rodelpartien auf Plastiksäcken und wir ziehen los … In Ghorepani erwartet uns eine komfortable Unterkunft mit heißer Dusche, die bei mir aber jäh mit eingeseiften Haaren endet und mit eiskaltem Wasser seinen Abschluss findet – das habe ich nicht verdient! Umso mehr freut sich Eve, die jetzt in Genuss einer neuen Gasflasche mit anschließender heißer Dusche kommt – was tut man nicht alles für seine Liebste 😉 

Den Abend verbringen wir – richtig – am Bollerofen im “Wohnzimmer”, erledigen unsere Socialmedia-Aktivitäten, plaudern mit unseren Chōrāharū, Salik und Samesh, bevor wir uns unter unseren (diesmal ohne Schlafsäcke) Plumeaus verkriechen. 

Tag 5: Ghorepani (2870m) – Banthanti (1210m)

Heute ist Abstieg angesagt, 600 Meter nur bergab, die Eisplatten werden weniger und die Wolken mehr. Nach fünf traumhaften Sonnentagen zieht sich die Wolkendecke langsam zu. Wir schauen nach oben und sehen einen wolkenverhangenen Himmel. Happy Hill ist komplett in den Wolken verschwunden und damit auch die traumhafte Sicht auf die Giganten. Was haben wir für ein Glück mit unserem täglichen Sonnenschein und der klaren Sicht gehabt.

Salik, unser Guide, immer für ein Spässchen zu haben

Die dichten Wälder haben uns wieder eingehüllt. Es geht vorbei an Flussläufen, über Brücken und steile Stufen – meine Knie mucken nicht auf. Noch einmal begegnen wir Trägern, die, nur mit Turnschuhen an den Füßen, 40 Kilogramm und mehr hoch schleppen – unglaublich! Die einzige Alternative, alles Notwendige zum Leben auf die Berge zu transportieren, sind Mulis, ebenfalls schwer bepackt.

Die einzigen Möglichkeiten, Material und Dinge des täglichen Lebens zu transportieren

 Schließlich erreichen wir Banthanti und fallen uns alle überglücklich in die Arme, dass wir dieses Abenteuer mit so tollen Menschen erleben durften und wie belohnen wir uns? Mit dem ersten Bier seit unserem Aufbruch … köstlich! Zum letzten Mal genießen wir ein Abendessen, die liebevoll hergerichtete Obstplatte von Salik und Ramesh und die Nacht in einem Teahouse.

Tag 6: Rückkehr nach Pokhera

Am nächsten Tag steht nur noch die Rückfahrt mit dem Jeep nach Pokhara an, wo wir uns mit Tränen in den Augen von Salik und Ramesh verabschieden, die uns doch sehr ans Herz gewachsen sind und uns ein Erlebnis der besonderen Art, ein unvergessliches Abenteuer beschert haben – dafür sind wir euch unendlich dankbar. Auch für die perfekte Organisation von Happy Trek, die es uns an nichts hat fehlen lassen – DANKE!

Wir waren ein tolles Team

Wir verbringen noch eine letzte Nacht in Pokhara, genießen den Luxus im Hotel, den perfekten Cappuccino, bevor wir am nächsten Tag mit dem Bus zurück nach Kathmandu fahren. Wir treffen uns noch einmal mit Rolf Schmelzer, mit dem wir einige wunderschöne Tage in Kathmandu und Chitwan erleben durften, und verbringen zusammen noch einen kurzweiligen Abend – Danke Rolf, für diese gemeinsame Zeit, es war mir eine große Freude (unser gemeinsame Art von Humor hat dazu beigetragen)!

Am nächsten Tag steht das nächste Abenteuer an: Indien. Für mich eine vollkommen neue Erfahrung und ausgerechnet Varanasi als Start – heftiger geht nicht! Aber es sollte besser laufen, als ich mir das vorgestellt hab – Eve steht schon mit ihrem Blogpost in den Startlöchern … 

The Ha Giang Loop im Norden Vietnams – eine Moped-Tour

Es muss irgendwo in Indonesien gewesen sein, als wir nach dem Durchstöbern mehrerer Reiseblogs auf den Ha Giang Loop gestoßen sind. Einen Rundkurs im äußersten Norden Vietnams unmittelbar an der Grenze zu China durch das Karststeingebirge. Die Bilder davon zogen uns derartig in ihren Bann, dass uns sofort klar war: Da müssen wir hin.

Es gibt verschiedene Routen, auf denen man unterwegs sein kann. Auch die Arten, wie man dort unterwegs ist, sind unterschiedlich: Mit dem Auto, mit dem Moped, als Selbstfahrer oder als Sozius, mit Guide oder ohne, in der Gruppe oder alleine … wir entscheiden uns fürs Moped und wollen es auf eigene Faust probieren.


Wir planen für den Loop 4-5 Tage ein, buchen in Hanoi die Busfahrt nach Ha Giang, Start und Ziel der Tour und nutzen die Zeit bis dahin für unsere Bootstour in der Halong Bucht – doch dann kommt alles etwas anders …

Auf der Busfahrt zurück von der Bootstour nach Hanoi klagt Eve plötzlich über Kopf- und Gliederschmerzen, Unwohlsein und erhöhte Temperatur – also auch Anzeichen für Malaria, zumal das zeitlich mit unserem Aufenthalt in Papua passen könnte. Die Alarmglocken läuten … am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg ins französische Hospital in Hanoi, Eve muss einige Untersuchungen über sich ergehen lassen, die Blutwerte sind nicht Ordnung. Aber es gibt Entwarnung. Es handelt sich zwar um eine Entzündung, aber nichts spricht für Malaria oder Dengue Fieber. Zur Sicherheit sollen wir aber noch einige Tage in Hanoi bleiben und in einigen Tagen zur Kontrolle nochmal vorbeischauen. Wir verschieben unseren Abfahrtstermin um einige Tage.

Der Kontrolltermin ergibt keine neuen Informationen und obwohl Eve nicht bei 100% ist, entscheiden wir uns dazu, die Mopedtour in den Bergen doch in Angriff zu nehmen. Meine Bedenken sind groß, da diese Tour nicht ohne ist, in der Vorwoche hat es Todesopfer gegeben. Zwei Touristen sind von der Straße abgekommen und abgestürzt. Die Straßenverhältnisse sind alles andere als optimal, schlechte Sicht mit Regen kann dazu kommen, oft sind Touristen ohne Mopederfahrung unterwegs und Verkehrsordnung ist hier eher untergeordnet.

Egal – wir wollen es unbedingt!

Nach 6 Stunden Fahrt in einem äußerst komfortablen Kleinbus kommen wir in Ha Giang an. Das Hotel ist für unsere Ansprüche geradezu luxuriös und wir machen uns direkt auf dem Weg zum Verleih. Mir kommen nochmal große Bedenken, da ich merke, dass Eve alles andere als fit ist. Ich bin drauf und dran das Ganze abzusagen und gerate in Streit mit ihr. Schließlich entscheiden wir uns, es erst mal zu versuchen.

Der Verleih wirkt sehr professionell, die Mopeds gut gewartet und die Infos zur Tour sind sehr umfangreich. Gottseidank haben wir beide den internationalen Führerschein dabei, ansonsten hätten wir nix bekommen, da die Regierung durch die schweren Unfälle erst Ende Oktober dies zur Pflicht gemacht hat und so die Risiken etwas eindämmen will. Eve verguckt sich aufgrund ihrer Moto-Guzzi-Vergangenheit sofort in ein 125er Suzuki, während ich mit einer 110er halbautomatischen Honda, die mich an eine alte Kreidler erinnert, mehr als zufrieden bin, da ich über keinerlei Motorrad-Erfahrung verfüge und daher sowieso schon ziemlich aufgeregt bin.

Am nächsten Tag geht’s los. Wir haben nur einen kleinen Rucksack gepackt, den Großen können wir im Hotel lassen, da wir in vier Tagen wieder dort sein werden. Wir sind kaum 10 km unterwegs, taucht schon diese wunderschöne Kulisse mit den spitzen Karststeinbergen auf. Es sieht faszinierend aus mit diesem satten Grün, auch wenn ich mich noch nicht so ganz darauf einlassen kann … ich bin noch zu sehr mit mir, dem Moped, den engen Straßen, den Schlaglöchern, den LKWs, die dich an den Straßenrand ins Schotterbett abdrängen und den links und rechts auftauchenden Mopeds beschäftigt. Außerdem habe ich schon genügend damit zu tun, den Anschluss zu Eve nicht zu verlieren, für die dieses Gefühl, wieder auf einem richtigen Moped zu sitzen, wie eine Therapie wirkt –  sie gesundet von Meter zu Meter …

Gefühlt halten wir alle 100 Meter an, um Fotos zu machen oder einfach die Aussicht zu genießen. Diese Art von Berglandschaft haben wir noch nie gesehen. Da wir hier teilweise im Schritttempo unterwegs sind, insbesondere wenn wir einem qualmenden LKW bergauf folgen, bevor es uns gelingt, ihn zu überholen, erreichen wir nach 100 km unser erstes Etappenziel: Yen Minh. Ein Hotelzimmer ist schnell gefunden, unsere Mopeds sicher im Haus verstaut (das ist hier so üblich, da stehen die Mopeds neben dem Sofa). Ein leckeres Abendessen und ein paar Bierchen beenden diesen mit soviel Eindrücken gespickten Tag.

Der nächste Tag beginnt damit, dass wir unsere geplante Route unbewusst verlassen, dass uns aber nicht weiter stört, da mehrere Routen zu unserem Tagesziel führen. Unterwegs treffen wir auf ein französisches Pärchen, dass wir bereits während der Anreise kennengelernt haben und mit denen wir während des Mittagessens einen regen Austausch haben. Dabei erfahren wir, dass es wohl schwierig sein wird, eine Unterkunft in unserem heutigen Tagesziel, Dong Van, zu finden. Am morgigen Sonntag findet dort ein Markt statt, auf dem selbst die weit entfernt lebenden Hmong, ein dort beheimatetes indigenes Bergvolk, ihre bäuerlichen Produkte verkaufen wollen. Viele Vietnamesen nutzen dies für einen Wochenendausflug, sodass viele Unterkünfte ausgebucht sind. Ein Blick auf Booking.com bestätigt das. Wir sind aber zuversichtlich, vor Ort etwas zu finden – klappte bisher immer.

Auf dem Weg dahin überqueren wir den höchstgelegenen Pass auf unserer Tour, den Ma Pi Leng, und ich kann mich nur wiederholen: die Sicht ist atemberaubend! Mittlerweile kann ich dies auch alles unbeschwert genießen. Ich fühle mich sicher auf dem Moped, freue mich über jede Kurve mit dem nächsten Highlight vor meinen Augen und auch mein Puls erreicht bei den Überholmanövern wieder Normalwerte. Die Abstände zu Eve werden immer kürzer und dauernd höre ich ihre Juchzer, wie sie das Mopedfahren und die Landschaft geniesst. Ich freue mich über ihren immer besser werdenden Gesundheitszustand.

Die Befürchtungen bestätigen sich, unsere ersten Fragen nach einer Unterkunft in Dong Van werden verneint. Schließlich finden wir jemanden, der einen kennt, der weiß, wo noch was frei ist. Wir sind bereit für den Marktbesuch am nächsten Tag. Es wird ein Tag für alle Sinne: die farbenprächtige Kleidung der Hmongs, die aus den entlegensten Bergregionen einen stundenlangen Fußmarsch hinter sich haben, um ihre wenigen selbst produzierten Waren (Gemüse, Kräuter, Gewürze etc) zu verkaufen. Das sind teilweise Dinge, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe, aber probieren tue ich sie trotzdem – nicht alles findet meine Begeisterung, aber es ist ein tolles Erlebnis.

Pünktlich zu unserer Weiterfahrt beginnt der Regen – es sollte der einzige verregnete Tag auf unserer Moped-Tour sein. Wir nutzen die Einkaufsmöglichkeiten auf dem Markt und kaufen für ein paar Dong Einweg-Plastik-Regenklamotten, um den gröbsten Regen abzuhalten. Damit nicht genug: Eve findet ihren Moped-Schlüssel nicht mehr – er bleibt unauffindbar, egal was wir versuchen. Die Konsequenzen, die uns einfallen, sorgen nicht gerade für eine Stimmungsaufhellung. Doch da naht Hilfe … unser Mopedverleih hat hier eine Filiale und dort kennt wieder einer jemanden, der einen kennt, der eine Lösung parat hat. Der Mitarbeiter packt sich das Moped und ehe wir uns versehen, ist er schiebender Weise damit im Regen verschwunden – wie wir später erfahren, zu seinem Schwiegervater. Eine halbe Stunde später kommt er mit dem Moped und einem neuen Zündschlüssel zurück – toll diese Vietnamesen! Unsere Stimmung steigt schlagartig, trotz des Regens.

Wir machen uns auf den Weg. Unsere neu erworbene Regenbekleidung erweist sich nicht gerade als Volltreffer, da wir uns aber dazu entschließen, die Route etwas abzukürzen und wieder nach Yen Minh zu fahren, wird unsere Leidensfähigkeit nicht zu arg strapaziert, wenn auch der strömende Regen, die dichten Nebelbänke, die überfluteten Schotterstraßen und der LKW-Verkehr uns zu schaffen macht – fotografieren wird heute mal vernachlässigt.

Im Hotel besorgen wir uns erstmal einen Fön und sind die nächsten Stunden damit beschäftigt, unsere Klamotten zu trocknen – Wechselklamotten sind in unserem Rucksack eher unterrepräsentiert.

Am nächsten, dem letzten Tag, steht die 100km Etappe zurück nach Ha Giang an – diesmal wieder bei gutem Wetter. Es wird wieder ein Tag zum Genießen …

Unser neuestes Gimmick: Der Reisetracker von Polarsteps, mit dem ihr unseren aktuellen Standort sehen könnt und mittels Anklicken der Karte ebenfalls unseren gesamten bisherigen Reiseverlauf mitverfolgen könnt …