Archiv der Kategorie: Radreise Dolomiten – Umbrien

Wo ist unser Zelt?

Wie kann man nur ein Zelt verlieren? Es ist eigentlich nicht zu übersehen, es sei denn, es wurde geklaut. Wir wissen es noch nicht genau, nur eins wissen wir: Es ist weg! Unser heiß geliebtes Eureka-Zelt, das im Nu auf-und abzubauen ist … leicht und großräumig … wie konnte das passieren? …

Also gestern nahmen wir den Zug von Florenz zum Lago di Trasimeno, genauer nach Castiglione del Lago, weil es erstens regnete und weil wir zweitens auf gar keinen Fall wieder die Berge mit über 10 % Steigung hoch schieben wollten. Hinzu kommt dieser Party-Campingplatz “ Michelangelo“, hoch über Florenz, zwar mit schöner Aussicht, aber direkt neben einem Club mit mega lauter Musik, saufenden jungen Leuten drumherum, Müll und Chaos … also zum Entspannen weniger geeignet.

Es regnete wie aus Eimern als wir zum Bahnhof fuhren, volle, enge und laute Straßen und wir mit unseren voll gepackten Rädern mittendrin … Horror…mich stresst das, wenn Busse und LKW’s ganz eng an uns vorbei rasen, uns vollspritzen … jedenfalls nix für schwache Nerven …

Am Bahnhof sperrte ich mich erst einmal gleich selbst in den Aufzug ein, da ich ohne Italienischkenntnisse die Anleitung nicht verstand. Mein Rad stand vor dem Aufzug, ich mit Gepäck dadrin und Rolf war dabei sein Rad samt Gepäck auf das andere Gleis zu bringen … so bekam er meine Not nicht mit … Ich klopfte wie wild an die Scheibe, denn es wurde eng, der Zug sollte bald kommen … letztlich befreiten mich 2 Italiener … Als der Zug einfuhr, sah ich Rolf nur noch nach vorne fahren, die Gepäckrolle, lag noch auf seinem Rad … als ich eintraf, beeilte ich mich mit dem Einladen der Packtaschen, denn die italienischen Züge warten nicht lange…1,2,3,4 Packtaschen rein, dann beide Räder, Türe zu und los geht’s.

Die Taschen noch neben die Räder gestellt, einen Platz eingenommen und gut ist … wir freuten uns, hier drinnen im Trocknen zu sitzen, während der Regen an die Scheiben prasselte … mit unserer Entscheidung waren wir mehr als zufrieden … Vorfreude auf den Lago machte sich breit, Campingplätze rausgesucht usw. … der Schaffner bestätigte dann auch noch, dass wir die nächste Station nach Arezzo aussteigen müssten … dann gegen 14 Uhr machten wir uns bereit für den Ausstieg … Packtaschen vorne an die Tür gelegt, Rolf stand bei den Rädern, Türe ging auf, es regnete wie Sau und wir luden alles zackig aus, alles ging so schnell, Taschen wieder an die Räder, wir wurden patschnass, dann Rolf’s Aufschrei: „Neeeiiin, die Rolle, wo ist das Zelt … das Zelt ist nicht da!“ … Ich schaute zu Rolf, auf sein Rad, sah die leere Stelle auf dem Gepäckträger, dann dem Zug hinterher… der war nun weg … Wo ist denn unser Zelt? Im Zug hatte ich es ja nicht gesehen!

Rolf war so verzweifelt, dass er laut schrie und wegrannte … 2 Männer von der Bahn kamen rübergelaufen, wollten helfen, riefen in dem besagten Zug an, doch der Schaffner fand nichts … weg … einfach weg … es regnete weiter … grau und verhangen war der Himmel und unsere Stimmung. Wir waren so unendlich traurig … Wo sollten wir schlafen? War unsere Reise nun hier und heute zu Ende? 1000 Fragen gingen uns durch den Kopf? Wo konnte die Gepäckrolle bloß sein? 2 Thermarest-Matten und ein Zelt … eigentlich nicht zu übersehen … Die Männer riefen in Florenz an … die Rolle wurde nicht gesehen …

Rolf fuhr zurück nach Florenz, wollte sich selbst überzeugen … 1,5 Std. hin und wieder zurück … es war 14:30 Uhr … d.h.ich musste mind. bis 18 Uhr warten, bis er wieder da war … im Warteraum des Bahnhofs wickelte ich mir ein Handtuch um meine nassen Beine, stellte die Räder rein und wartete auf das Klingelzeichen auf meinem Handy … Gegen 15:50 Uhr musste er ankommen, die Daumen drückend starrte ich auf die Uhr, dann endlich … nichts gefunden … sprachlos … was sollen wir bloß tun? Darüber hinaus stellte ich auch noch fest, dass wir an dem falschen Bahnhof ausgestiegen waren, d.h. wir waren noch gar nicht am Lago di Trasimeno, sondern 30 km davor, denn es gibt 2 Castiglione ( Fiorentina und del Lago) und wir waren im ersten Ort ausgestiegen.

Keine Ahnung, wo unsere Sachen nun waren … Rolf rief ein Agritourismo an, reservierte und los ging’s … noch mal einen ca. 35 km-Sprint, denn es war mittlerweile schon 19 Uhr … 2 Stunden später kamen wir erschöpft und hungrig dort an …

Auf dem Weg in die Toskana

Die Nacht am Lago di Suviana in den Bergen des Apennin auf einem kleinen Campingplatz (mal wieder mit Rudeln von Hunden – man merkt, dass Camping eine der letzten Bastionen von Hundebesitzern ist) war etwas unruhig, da einige Ragazzi den nahegelegenen Grillplatz zu einer nächtlichen Technoparty umfunktionierten.

20140726-100241-36161335.jpg

Der nächste Tag sollte die bisher anstrengendste Etappe unserer bisherigen Tour werden. Wenige Meter hinter dem Platz fing die erste Steigung an und die nächsten 30 km sollte es auch – mit wenigen kurzen Abfahrten – so bleiben. Jetzt kamen wir wirklich an unsere Grenzen – wenn es tatsächlich zu Steigungen von 12% kam und unsere Geschwindigkeit auf unter 6 km/h fiel, ging bei uns radelnder Weise nichts mehr. Für die nächste große Tour wird es definitiv einen Umbau bei meinem Antrieb geben (ich weiß nicht, wieso ich das im Vorfeld nicht bedacht habe – Naivität!). Dann half nur noch absteigen (welch eine Schmach für mich …) und schieben. Dabei ist das kaum weniger anstrengend, aber immerhin schafften wir es so, die schlimmsten Steigungen zu bewältigen.

fix und foxy ... Als auch noch die bisher immer möglichen Zwischenstopps in einer Bar o.ä. nicht auftauchen wollten und unsere Kräfte immer mehr nachließen, tauchte hinter der nächsten Kurve ein winziges Bergdorf auf mit einer noch verträumteren Osteria auf. Auf die Frage der Wirtin »Spaghetti al ragu?« konnten wir nur noch mit einem Kopfnicken antworten. So gestärkt machten wir uns wieder auf den Weg, um auch die letzten Anstiege anzugehen und schließlich völlig fertig (s. Bild) die Passhöhe zu erreichen.

Danach ging es ca. 40 km nur noch – teilweise auch wieder abenteuerlich steil – bergab. Erholung ist das dann auch wieder nicht … Kurz vor unserem Etappenziel Florenz hielt uns dann noch ein Plattfuß auf, der uns nach all dem aber auch nichts mehr anhaben konnte …

20140726-094822-35302094.jpg

Zwei Tage in der Emilia Romagna


Bis Bologna kamen wir zügig voran, vor allem auch wegen der sporttauglichen Temperaturen … angenehme 24 Grad, Wolken … und flach … doch schon im Süden der Stadt erhoben sich die ersten Berge. Von nun an ging es durch unwegsames Gelände immer weiter am Reno entlang … ein schönes Gefühl!

Als sich endlich nach ca. 70 km unser Ziel „Camping Piccolo Paradiso“ ankündigte, freute ich mich schon auf das abendliche Programm, noch ein letzter Anstieg, der es in sich hatte und oben angekommen (schiebend), kam Rolf mir kopfschüttelnd entgegen, denn den Platz gibt es seit 3 Jahren nicht mehr. Okay, wildcampen … das war unsere nächste Idee … also suchten wir ein geeignetes Plätzchen, doch von der Hauptstraße waren kaum Abzweigungen zum Fluß hinunter.

20140725-212240-76960211.jpg

Während ich noch von einem romantischen Lagerfeuer am Fluß träumte, wurde Rolf zunehmend genervter … noch zu nah am Ort fanden wir eh nichts … „Dann fahr‘ du doch vor!“ Hui – ich merkte, es wird langsam Zeit, dass wir was finden.

Unsere Stimmung sank mit dem Verkehrsaufkommen auf dieser ätzenden Straße und das aufziehende Gewitter ließ uns endgültig die Geduld verlieren. Noch einmal links abbiegen, den Berg hoch kurbeln … da musste doch was kommen … aber nein, Fehlanzeige … die Donner verfolgten uns, die ersten Regentropfen, Erschöpfung nach nun mittlerweile 90 km … was tun? … der nächste Ort, das nächste Hotel sollte es sein … so strampelten wir, was das Zeug hielt … dann endlich das einzige Hotel, ein hässliches und teures dazu … Rolf war nur noch genervt …. ich versuchte mich zu sammeln, duschte und aß ein paar Nüsse aus meinem Notvorrat … wie gerne hätten wir in unserem Zelt geschlafen!

Trotz Bett schlief ich schlechter als im Zelt … nix wie weg hier! Der Regen war nun auch vorbei und bei strahlendem Sonnenschein fuhren wir ein Stück zurück auf unsere Route, die dann – siehe da, an einem Haus einfach abging und durch einen wunderschönen, abgelegenen Park führte. Wir guckten uns beide an und konnten es nicht fassen, wie nah doch die Lösung gelegen hat … wir konnten es nur nicht wissen!

20140725-210213-75733311.jpg

Weiter ging’s nun am Reno entlang, durch etwas wildes Gelände, durch Matsch und Co. Auch vermeintlich gesperrte Routen konnten uns nicht abhalten. Manchmal schoben wir die Räder unter einer Schranke hindurch oder quetschten uns zwischen Betonklötzen hindurch – doch dann versperrte uns ein hoher Zaun die Weiterfahrt, rechts und links ein Bach mit zu starker Strömung … also wieder zurück über’s Feld und gut war’s.

Rolfs’ Navigationskompetenzen sind übrigens herausragend – er findet immer eine Lösung! Unser Ziel, den „Lago Suviana“ konnten wir nach nur 40 km aber umso mehr Höhenmetern erreichen. Immer wieder kurbelten wir uns nach oben, was mir mit meinem kleinen Ritzel auch immer besser gelingt. Mir machen diese Berge keine Angst mehr – ein tolles Gefühl!

Nach dem Zeltaufbau spurtete Rolf zum nächsten Alimentari und kam rucki zucki ohne Gepäck den Berg hoch gerast zurück. Unsere obligatorischen Tomatensalat als Antipasti und Pasta als Primi schmecken wie immer vorzüglich. Noch einen Caffè an der Bar, ein Spaziergang zum See und ab ins Zelt – endlich wieder!

Von einem See zum Nächsten …

Die Weltmeisterschaft war abgehakt, unsere Tour durch die Dolomiten noch nicht. Zum zweiten Mal hatte ich eine erfolgreiche Fußball-WM in Italien mitverfolgt. 1990 hatte ich noch auf Elba gearbeitet und den Erfolg gefeiert – ich sollte definitiv alle vier Jahre nach Italien fahren … Wegen des anhaltenden Regens waren wir noch einen Tag länger am Lago di Croce geblieben – jetzt aber sollte es zum nächsten Etappenziel – dem Lago di Corlo – gehen.

20140726-200201-72121948.jpg

Hitze und einige (wenn auch kleine) Anstiege forderten ihren Tribut, sodass wir in Feltre mit dem Gedanken spielten, ein Quartier zu suchen, wir uns aber doch dafür entschieden, die 20 km zum Lago di Corlo in Angriff zu nehmen – es sollte sich lohnen (wie die Bilder zeigen). Ein kleiner Campingplatz, direkt am See gelegen, ließ uns einen weiteren Tag dort verbringen, einen Waschtag einlegen und den 2. Teil unserer Serie „Videos, die keiner braucht …“ „produzieren“.

Cucina campeggio from Rolf Bungarten on Vimeo.

20140726-203705-74225646.jpg