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We can‘t help everyone, but everyone can help someone

Ein Beitrag von Eve und Rolf

Im „Same Same“ in Kuta, das Tür an Tür neben zwei großen Moscheen liegt, erleben wir nachts neben den Beben um vier, mittags um zwölf und abends um 18 Uhr regelmäßig die Gesänge des Muezzins. Ob Mohammed wirklich solche jauligen Stimmen hören wollte? Unterhalten bzw. Schlafen ist kaum mehr möglich. Als eine Gruppe junger Surfer neben unserer Bambushütte den Muezzin mit Eric Clapton, Doors und Talking Heads übertönen, geraten wir ins Schwärmen. Welch wohlige bekannte Klänge für unsere Ohren. Die Surfer freuen sich über unsere Begeisterung, fragen nach dem Secret einer langen Beziehung und saufen sich mit Bintang die Hucke voll. Immer gut drauf die Jungs! Typisch Hang loose … !

Elfie und Bart, unsere Gastgeber und Initiatoren dieser Hilfsaktion.

Mit unseren Gastgebern, Elfi und Bart, die seit 4 Jahren das Guesthouse betreiben, können wir heute in den Norden der Insel fahren, um Hilfsgüter wie Reis, Nudeln, Wasser, Eier, Decken, Bälle, Spielsachen usw. zu bringen. Die Beiden haben zusammen mit anderen Locals und Zugewanderten Geld gesammelt, davon die Hilfsgüter aus Bali per LKW geholt und in ihrem Haus gelagert. Das Depot leert sich langsam und so kommen unsere/eure Gelder gerade richtig. Gemeinsam mit Sam, auch eine Belgierin, können wir zu fünft zwei Autos beladen und uns auf den langen Weg machen. Elfi und Bart nehmen den Toyota Jeep und wir mit Sam, die die Hinfahrt im Linksverkehr mit Bravour meistert, den kleineren Van. Je weiter wir uns dem Norden nähern, je mehr Zelte bzw. blaue Planen säumen die Straßenränder. Die Menschen trauen sich nicht mehr in ihren Häusern zu schlafen, selbst, wenn diese noch stehen. Mitten auf der Straße stehen Kinder mit Pappkartons und sammeln Spenden. Die zerstörten Häuser werden immer offensichtlicher.

Sie trauen sich nicht mehr in ihre Häuser und schlafen draußen.

Nach ca. 3 Stunden erreichen wir das erste Dorf, parken am Straßenrand, gehen erst mal hin, um die Lage zu besprechen. Der Koordinator, der mit Elfi in Kontakt steht, teilt uns mit, dass wir die erste Unterstützung seit dem letzten Erdbeben sind. Er führt uns zum Dorfplatz, hier in Form einer Bambus-Plattform, auf der wir Platz nehmen. Umringt von staunenden Männern, Kindern, Frauen mit Babys auf den Armen, bekommen wir Kopi serviert, die traditionelle Art der Kaffeezubereitung … in Kontakt kommen oder warming-up, nenne ich das. Mit großen Augen verfolgen uns ihre Blicke, als uns die Dorfobersten die zerstörten Häuser zeigen, die hier zum größten Teil im Inneren zusammengebrochen und deshalb gefährlich zu betreten sind. Draußen wird gekocht, gespielt, geschlafen usw. Ob sie noch eine Toilette oder Waschmöglichkeiten haben, frage ich mich. Das Eis bricht, als wir beginnen, Luftballons zu verteilen.

Luftballons lassen uns näher kommen …

Nun gibt es kein Halten mehr. Immer mehr kleine und große Kinder und Mütter kommen uns ganz nah, halten ihre Hände auf und rufen „Balloons!“. Da wir mit dem Aufpusten nicht mehr nachkommen, verteilen wir nur noch bis ich keine mehr habe. Die Blicke der Frauen kleben förmlich an mir, manche streicheln meine Arme und viele möchten Selfies (Groß und blond ist hier selten, zumal es hier keine Touristen gibt). Den Wunsch erfülle ich Ihnen doch gerne. Beim Ausladen helfen die Männer mit, so dass wir schon bald Abschiedsfotos machen können. So dankbare Menschen habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Mit etwas feuchten Augen fahren wir weiter.

In den nächsten zwei Dörfern ist die Zerstörung so offensichtlich, da kaum ein Haus noch vollständig steht. Eingestürzte Dächer, überall Schutt, umgefallene Mauern, zerstörte Wege usw. Das Ausmaß des letzten Bebens von Sonntag (6.9) ist hier enorm.

Die Anzahl der Beben in den letzten Wochen – die Dutzenden von Nachbeben sind nicht dargestellt. Das schwere Erdbeben, das zu den Zerstörungen im Nordosten geführt hat, ist eingekreist. Der blaue Punkt ist unser Standort.

Dass es hier keine weiteren Tote gegeben hat, ist der Tatsache geschuldet, das Alle nach den früheren Erdbeben sich nicht mehr in ihre Häuser trauen und draußen schlafen. Bei uns im Süden war es Im Verhältnis dazu wenig intensiv. Wir werden wieder durch das Dorf geführt, schauen in staunende Augen und laden mit den Männern aus. Wie die Menschen dieses wohl Schicksal aushalten, frage ich mich. Wir freuen uns mindestens genauso wie die Kinder, als sie Stifte und Malhefte geschenkt bekommen, denn hier die Menschen sinnvoll unterstützen zu können, macht glücklich. Dass wir mittlerweile in dieser kurzen Zeit dank der liebevollen Freunde, unserer Familie und unserem Verzicht auf das eine oder andere Bintang ca. 700 Euro Spenden sammeln konnten – dank Facebook – erfüllt uns zusätzlich mit Glückshormonen. Ihr seid großartig!

Wir sind beeindruckt von ihrer Herzlichkeit, obwohl Sie Alles verloren haben.

Da Sam den Van auf der Hinfahrt gelenkt hat, bin ich – Rolf – für die Rückfahrt zuständig. Dabei komme ich an meine Grenzen … Lenkrad rechts, fahren auf der linken Seite, schmale, mit Schlaglöchern übersäte Straßen, wo kaum zwei Fahrzeuge nebeneinander passen. Als Erstes betätige ich dauernd den Scheibenwischer, obwohl ich eigentlich blinken will und mit links zu schalten, macht es auch nicht einfacher. Und dann die i-Tüpfelchen … Mopeds links, rechts, oben, unten und davon nicht Dutzende, sondern Hunderte – soviel Sinnesorgane kann man gar nicht auf einmal koordinieren. Es dauert eine Zeit bis ich mich daran gewöhnt habe und mich dem Geschehen anpassen kann – StVO gibt’s hier nicht. Dazu kommt noch die Dunkelheit und dementsprechend viele unbeleuchtete Fahrzeuge. Eine stark befahrene Kreuzung wird hier zum Überlebenskampf, aber irgendwie schaffe ich es … Nach drei Stunden kommen wir wieder in Kuta an – ich bin fix und fertig!

Fix und fertig!

 

Earthquake in Indonesien

Ein Beitrag von Eve

Dass wir die Hinweisschilder „Tsunami Evakuierung“, die wir am Nachmittag auf unserem Weg nach Sampanan noch gesehen hatten, tatsächlich mal in Anspruch nehmen würden, hätten wir nicht gedacht – auch wenn man hier auf dem pazifischen Feuerring jederzeit damit rechnen muss.

Am Sonntagabend, 05.08.2018 gegen 19:45 Uhr ist es nun soweit. Zuerst wackelt mein Stuhl im Full-Moon-Restaurant auf Nusa Penida. Noch spielen die drei Jungs ihre Musik. Ich schreibe gerade eine Nachricht und Rolf bearbeitet Fotos. Ich drehe mich um, um zuschauen, ob irgendein Knallfrosch so sehr an meinem Stuhl rüttelt. Doch niemand da. Ein Grollen ist zu hören, ich sehe den Boden wackeln und springe sofort auf, lasse mein Handy liegen und laufe auf die Straße vor dem Restaurant und rufe nach Rolf, der nun auch zu mir kommt. Die Musiker sowie die anderen Gäste laufen nun auch auf die Straße.

Nun stehen alle draußen, auch die Angestellten. Einige Einheimische schwingen sich hektisch auf ihre Scooter, wohl um zu ihren Familien zu fahren. Ich sehe mich um, überall erschreckende Gesichter, hektisches Umherrennen, einer versucht den Verkehr zu regeln, da so viele auf der Straße stehen. Doch wohin stellt man sich am besten, frag ich mich, während ich ein Zittern in den Knien wahrnehme. Rolf nimmt mich in den Arm, wie gut, dass er hier ist, denke ich. Er schiebt mich weg von den Strommasten. Wo ist der sicherste Platz, frage ich mich. Alle suchen auf ihren Handys nach Informationen, befragen Einheimische, die uns versuchen zu beruhigen. Da Nusa Penida sehr geschützt liegt, bestehe keine große Gefahr für einen Tsunami.

Nach einiger Zeit setzen wir uns zwar wieder, doch ein Nachbeben folgt und wieder rennen alle raus. Wir gehen zurück zu unserer Unterkunft. Auffällig viele Menschen stehen laut diskutierend auf der Straße. Die Angestellten fordern uns aufgrund der Tsunami-Warnung auf, mit ihnen auf den Scootern auf einen Berg zu fahren. Sie haben sichtlich Angst. Ich bin verwirrt. Doch alleine hier bleiben, geht nun auch nicht. Nun soll ich hinten auf einen Scooter aufsteigen und irgendwohin auf den Berg mitfahren. Oh man, Panik breitet sich bei mir aus, denn ich will auf keinen Fall im Dunkeln mit irgendwem irgendwohin auf dem Scooter fahren. Rolf ist verzweifelt, fordert mich vehement auf, ich verweigere mich, alle stehen um uns herum, verstehen wahrscheinlich nicht, was hier grade abgeht. Ich will zu Fuß gehen, doch ohne Rolf will ich nicht sein, also willige ich ein und gehe zu unserer liebenswerten Angestellten und los geht`s.

Mit ca. 10 Scootern fahren wir einen steilen Berg hinauf, natürlich endet die Straße in einen Schotterweg voller Löcher. Adrenalin durchströmt meine Zellen, ich zittere und hoffe, Rolf bald zu sehen. Der Weg ist mir zu lang, doch kann ich nichts tun. Endlich erreichen wir einen kleinen Tempel, die Scooter stehen davor, ich sehe Rolf und wir fallen uns in die Arme, Tränen und Erleichterung. Wir werden in die Tempelanlage geführt, sitzen auf Treppen und versuchen uns zu beruhigen, als ein alter hagerer Mann aus dem Haus neben dem Tempel erscheint, sichtlich erstaunt über diese Menschenansammlung – für ihn – mitten in der Nacht.

Als nach ca.1 Stunde die Tsunami-Warnung aufgehoben wird, brechen wir auf. Ich laufe den ersten Teil, bis mich meine Fahrerin aufgabelt. Es geht so steil bergab, dass ich mich hinten am Bügel gut festhalten muss. Ich hoffe nur noch, bald anzukommen. Es beginnt zu regnen, als wir im Mertasari eintreffen.

Total aufgewühlt durchstöbern wir die Nachrichten, während die Erde immer wieder bebt – jetzt brauchen wir erstmal‘n Bier.