Home | Cucina Italiana | Eine Olivenernte in Montemagno

Montemagno ist ein pittoreskes Dorf am Fuße der Pisanischen Berge und liegt eingebettet ins silbrige Grün der Olivenhaine. Es ist Frühjahr - die Zeit des Erwachens des Kuckuck und des Wiedehopf, die ihren Ruf übers Tal erschallen lassen. In den Olivenbergen herrscht emsige Tätigkeit. Die Bauern sind dabei, die Olivenbäume zu beschneiden, solange die Tage noch frisch sind und die Bäume noch nicht treiben. Viele Zweige und Triebe sind seit dem letzten Schnitt herangewachsen, die zuviel Kraft nehmen. Diese Arbeit wird alle zwei Jahre wiederholt.

Die Olivenbäume - es sind in Italos Weinberg die Sorten Razzolo, Morello, Frantoiano und Calamita - werden verhältnismässig niedrig gehalten, sie erleichtern so das Abernten der Früchte im Winter.

Während dieser Zeit steigen weit verbreitet über den Nachharhügeln Rauchsäulen zum Himmel. Die anfallenden Äste und Zweige werden raschmöglichst verbrannt, damit sich nicht der gefürchtete Tarlo entwickeln kann. Der Tarlo ist ein winziger Wurm, der sich im verrottenden Holz verbreitet und an die austreibenden Schößlinge geht. Er kann ganze Olivenhaine schädigen und die Emte gefährden. Der Olivenbauer von Montemagno verzichtet bewußt auf Insektizide, muß aber deshalb das anfallende Geäst rasch verbrennen.

Die Blütezeit der Oliven beginnt im April und Mai. Die Bäume mit ihren weissgelblichen winzigen Blüten, die in Dolden aus den silbriggrünen Blättem heraushängen, verbreiten einen leuchtenden Zauber über die gesamte Hügellandschaft.

Bald nach dem Schneiden der Bäume wird das bereits beachtlich gewachsene Gras gemäht. Unter Umständen kann diese Arbeit zu einem schwierigen Unterfangen werden. Die Wildschweine, die in den Nächten regelmäßig auftauchen, sind nicht untätig gewesen und haben auf der Suche nach bestimmten Pflanzenknollen oder Kleingetier ganze Terrassen umgepflügt oder Mäuerchen eingerissen. So muß der Olivenbauer immer wieder auf neue Überraschungen gefasst sein und Zeitverzögerungen in seinem Arbeitsplan in Kauf nehmen.

Bevor im Frühjahr der letzte Regen fällt, werden die Bäume in Italos Olivenberg organisch gedüngt. Der nun einsetzende Regen trägt diese Nahrung zu den Baumwurzeln. Mit etwas Glück beginnt jetzt für den Olivenbauer eine ruhigere Zeit.

In diesen ruhigen Tagen streift Italo durch seine Plantage. Er kontrolliert mit geübtem Auge die heranwachsenden Oliven und schätzt den ungefähren Ernteertrag ab. Diese Zeit ist geprägt von Hoffen und Bangen um gutes Wetter. Ausgedehnte Regenperioden im Sommer verzögern ein normales Wachstum, und zu lange warme und trockene Perioden lassen die Angst vor der gefürchteten Mosca Olearia aufkommen, einer Mücke, die die Früchte befällt und großen Schaden anrichten kann. Italo hat jetzt Zeit, die Netze auszubessem oder die gitterartigen Filter zu reparieren, die dem Trennen der abgeernteten Oliven vom Kleingeäst dienen.

Erst ab Mitte November herrscht emsiges Treiben in den Olivenhainen. Jetzt legt der Bauer, zusammen mit Verwandten und Bekannten, die Netze unter die Bäume. Diese werden mit Steinen und Stahlhaken am Boden befestigt, damit ein aufkommender Sturm sie nicht wegträgt. Der ganze Olivenberg leuchtet in dieser Zeit bis nach der Ernte im Januar in der orangenen oder gelben Farbe der Netze.

Im Dezember beginnt die strengste Zeit für Italo und seine Helfer. Streng deshalb, weil die Oliven im richtigen Reifestadium rasch gepflückt und zur Mühle gebracht werden müssen. Sie sind jetzt sanft gelb oder blau und haben nun die richtige Reife für eine gute Qualität des Olivenöls. Die Ernte geschieht mit Handkämmen; damit werden die Früchte sorgfältig von den Ästen abgestreift. Mit einem Stab schüttelt man die an den höheren Zweigen wachsenden Oliven herunter. Die auf die Netze gefallenen Oliven werden zusammengetragen und auf einem Gitter von Blättern und Zweigen befreit, anschließend in Kisten gesammelt und etwa drei, vier Tage in einem trockenen Raum gelagert.

Die Mühle in Montemagno ist eine alte Steinmühle. Dort werden die Oliven zuerst mit reinem Wasser gewaschen und anschließend gemahlen, also im Steintrog mit Mühlsteinen zerquetscht. Den daraus entstehenden Brei verteilt man auf runde Matten, die lagenweise auf der Ölpresse aufgeschichtet werden. Jetzt beginnt der eigentliche Pressvorgang: die gefüllten Matten werden mittels einer hydraulischen Vorrichtung von oben nach unten zusammengepreßt. Das herauslaufende Öl-Wassergemisch wird in einer Wanne aufgefangen und durch Röhren in eine Zentrifuge geleitet. Durch die eine Röhre fließt das reine Olivenöl heraus, aus der anderen das Wasser. Das ist die Geburt des echten kaltgepreßten Olivenöls, des olio extra vergine.

Dieses 0el aus erster Presse, ist zunächst noch trüb und leicht grün. Das kommt von den winzigen Partikeln des Fruchtfleisches, die sich aber im Laufe der Wochen am Boden des Gefässes absetzen und das Öl langsam klar und golden werden lassen. Nach drei Monaten kann man ans Dekantieren gehen. Dies geschieht mit einem Filter. Diese Prozedur ist wichtig, weil das zugrundeliegende Fruchtfleisch nach einer gewissen Zeit oxydiert und so das Olivenöl verderben kann. Der Vorgang des Dekantierens wird im Laufe der kommenden Monate einige Male wiederholt.

Das Ölpressen ist ein gesellschaftliches Ereignis. In der Mühle finden sich nicht nur die Olivenbauern selber ein, sondem es kommen auch Leute aus dem Dorf und der näheren Umgebung. Sie kaufen das Öl, sei es für den privaten Gebrauch, fürs eigene Restaurant oder für den eigenen Laden.

Nach der anstrengenden Erntezeit hätte unser Bauer nun eine Ruhepause verdient, aber nun beginnen die Aufräumarbeiten im Olivenberg. Die Netze werden wieder zusammengelegt und an den Bäumen festgebunden, Geräte werden ausgebessert, die Stahlhaken zusammengetragen, Steine zu den Stämmen der Olivenbäume gelegt, alles bereits Vorbereitungsarbeiten für die nächste Ernte.

So beginnt ein neuer Kreislauf, nicht nur in der Natur sondem auch in den Gedanken des Olivenbauers, der sich mit seiner Säge auf den Weg macht, seine Bäume zu beschneiden.

aus: Toscana Ciao, 4/96, Margrit Klaiber Chin, Olio d'oliva

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