Home | Cucina Italiana | CaffèDie grosse Schaumschlägerei


Tipps, um ihn genau so hinzukriegen

Der Einkaufsbummel in der City, der Museumsbesuch, der Spaziergang - alles ist nur halb so schön ohne den Cappuccino zwischendurch. Zeit, der Tasse und dem Inhalt auf den Grund zu gehen.

Der klassische Kaffeetrinker gehört allmählich einer aussterbenden Spezies an. Wer heute zu einem Tässchen Kaffee einlädt, läuft bald Gefahr, belächelt zu werden. Was jahrzehntelang beständig durch den Filter dröppelte, wird zunehmend von Cappuccino verdrängt. Morgens vor der Arbeit, in der Mittagspause, während des Einkaufsbummels, nach dem Museumsbesuch und sogar spät in der Nacht wird nach dem Getränk verlangt, welches einst zu den heißen Exoten zählte. In "der nördlichsten Stadt Italiens", wie man Köln gerne nennt, ist der Pro-Kopf-Verbrauch besonders hoch. Höchste Zeit, hiesigen Milchschaum und das Darunter zu probieren und zu überprüfen, ob der Espresso unter der Haube sich mit seinem italienischen Vorbild messen kann.

Das Ergebnis lautet: Er kann es nicht. Dem wahren Italiener, der Cappuccino ohnehin nur morgens trinkt, stünden die Haare zu Berge angesichts dessen, was hier in manche Tassen tröpfelt. Die strengen Maßstäbe, die im Herkunftsland für jede Tasse gelten, ignorieren hiesige Gastronomen häufig, und die meisten Bar-Betreiber italienischer Herkunft haben mit Blick auf das liberale Köln auch die Maßstäbe für Cappuccino liberalisiert.

"Der Cappuccino ist eine einfache, aber ernsthafte Sache", sagt Antonio Quarta vom italienischen Kulturinstitut. Und sein Tonfall verdeutlicht, dass er bei dieser Sache wenig Spaß versteht. Der kann aber auch vergehen - zum Beispiel wenn man bei Campi am Wallrafplatz Cappuccino bestellt. Dort wurde die respektable Espressomaschine wohl nur zur Dekoration aufgestellt. Das gewünschte Getränk kommt jedenfalls aus einer anderen, nicht ersichtlichen Quelle und ist lieblos, lau und laff. Erst auf Nachfrage macht sich ein Barmann an dem chromblitzenden Gerät zu schaffen und liefert ein wenig besseres Ergebnis ab.

Mehr als ein "mangelhaft" haben auch andere, seit Jahren angesagte Kaffeetempel in der Innenstadt kaum verdient; egal ob sie Spitz, 4 Cani, Moderne Zeiten heißen. In der Regel verbirgt sich unter dünnem, instabilem Milchschaum viel zu viel Flüssigkeit, die der Italiener schlicht "brodo" (Brühe) nennen würde.

Was Pilskenner wissen, müssen Cappuccino-Macher offenbar erst lernen: Auch dieses Getränk verlangt Zeit: für die Basis und für den Schaum. Alles, was im Handumdrehen in die Tasse fließt, kann nicht echter Espresso und somit keine ernstzunehmende Grundlage für einen Cappuccino werden. Jede Tasse, die bereits deutlich mehr als zur Hälfte vollgelaufen ist, hat ihr Ziel verfehlt. Ein Cappuccino "originale" sollte im oberen Drittel der Tasse zudem aus derart kompaktem Milchschaum bestehen, dass jedes Zuckerkorn wie in Zeitlupe zu Boden sinkt.

"Ich freue mich auf den Euro, weil ich meinen Cappuccino in Italien dann mit Geld aus Köln bezahlen kann", hat Kerstin Müller kürzlich im Interview gesagt. Kein Wunder, dass die Fraktionsvorsitzende der Grünen ihr Geld nicht in hiesige Tassenware investiert. Mindestanforderungen an den Schaum werden von der Kölner Cappuccino-Liga selten gestellt. Nur so ist es zu verstehen, dass italienische Wirte als vermeintliche Experten vieles servieren können, was die Bezeichnung nicht verdient. Das Al Cappuccino auf der Breite Straße lässt sich das sogar mit stattlichen 5,50 Mark vergüten. Mit etwas Glück kann man für weniger Geld bei Bepi (Breite Straße) im La Strada am Rudolfplatz ein halbwegs befriedigendes Resultat genießen. In der Espresso Bar Coffee-Lounge (Apostelnstraße) oder im Eiscafé Sagui (Am Hof) war ein solcher Glückstag leider nicht.

Auch in den Konditoreien wird immer mehr Cappuccino gefragt. Nun mag man es als Teilerfolg werten, dass er inzwischen nicht mehr automatisch mit einem Klacks Sahne verbandelt wird. Gleichwohl ist oft ein Automat im Spiel, und der sondert wie bei Printen Schmitz oder im Cafe Fromme eher nur fade Flüssigkeit ab. Und hier wie dort fragt die Bedienung nicht, warum die - pardon - Plörre nahezu unangetastet stehen bleibt.

Ein derartiges Resultat müsste einen Mann in Köln fast depressiv stimmen - Bruno Calzolari. Er lebt seit einem halben Jahrhundert in Köln und versorgt seitdem einen großen Teil der Kölner Gastronomen mit professionellen Espressomaschinen. Außerdem hat er in den letzten Jahren rund 18 000 Privatkunden gewonnen - Menschen, die für ihre persönliche Leidenschaft mitunter 3000 Mark und (wesentlich) mehr flüssig machen.

Woran liegt es, dass der Italien-Fan in Köln manchmal in die Tasse weinen könnte? "Viele Wirte warten jahrelang mit der Wartung und Reinigung ihrer Geräte. Außerdem sparen sie an der Kaffeequalität und am Pulver pro Tasse." Anstelle der wünschenswerten fünf bis sieben Gramm seien es oft nur zwei, schätzt Calzolari. Darüber hinaus verwendeten viele die falsche, nämlich zu fettarme Milch und beherrschen das Aufschäumen nicht. "Hier zählt nicht die Kultur wie bei uns, hier zählt nur das Portemonnaie."

In Italien wird meist fettreichere Milch als bei uns zum Aufschäumen verwendet, was sich in der Konsistenz des Schaums und in seinem Geschmack niederschlägt. Nahezu vergleichbare Ergebnisse sind aber mit hiesiger H-Milch mit mindestens 3,5% Fettgehalt zu erzielen, sofern man darauf achtet, dass man beim Aufschäumen knapp unter dem Siedepunkt bleibt. Wenn die Milch bereits blubbernd große Blasen bildet, ist es (für guten Schaum) zu spät.

Das Ganze sei eine Wissenschaft für sich, sagt der Experte. Durch ein längeres Röstverfahren der Bohnen und durch die spezielle Zubereitung habe der Espresso rund 25 Prozent weniger Säure und rund 15 Prozent weniger Koffein als herkömmlicher Filterkaffee. Aus genau diesen Gründen könnten die Menschen in Italien spät in der Nacht den kleinen Schwarzen genießen, ohne um ihren Schlaf zu fürchten.

In der nördlichsten Stadt Italiens ist echter (Cappuccino)Genuss noch Mangelware. Aber in den WDR-Arkaden leuchtet ein Stern. Dürften wir - so, wie der Michelin - auch nur derer drei verleihen, wir legten bei Alfredo einen vierten Stern drauf für das Design im Milchschaum. Und dann würden wir alle anderen herbeitrommeln und rufen: "Kommet und schauet: Es geht doch!" Nördlich der Alpen habe ich noch nie einen Besseren getrunken.

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