Wie schön das ist, wenn morgens nicht die Regentropfen auf das Zelt prasseln, sondern die Sonne uns aus dem Zelt treibt, wenn auch ungewollt, da wir in unserem Eifer gestern Abend das Zelt zwar mit Blick auf den See dafür ohne Schatten aufgebaut hatten. So groß ist unsere Sehnsucht nach Wärme und Sonne … auch wenn sie uns etwas länger hätte schlafen lassen können. So ziehen wir kurzerhand um und richten uns im Schatten mit allem Pipapo ein. Für diesen Platz am See haben wir den Umweg von 20 km gerne in Kauf genommen, denn der türkisfarbene See umgeben vom Grün der Berge ist schon Entspannung pur und wir nutzen die nächsten Tage zur Regeneration diverser geschundener Körperteile. Das liebenswerte Dorf Alesso mit seinen Bars und dem morgendlichen Palaver, dem köstlichen Cappuccino und dem Alimentari bietet zudem alles, was das Herz begehrt, so dass wir hier die nächsten drei Tage das Campingleben endlich so richtig genießen können. Schnell wird Rolf’s Hängematte am See zum Lieblingsplätzchen. Wir hören Hörbücher rauf und runter, kühlen nur die Beine im 16 Grad (! Rolf taucht natürlich auch da ein) kalten Wasser und sonnen uns. Aber dann wird es auch wieder Zeit für ein Tourchen, wenn auch nur ein Kleines … Wir umrunden auf einer Tagestour den See inklusive einiger Anstiege … genießen unser Lieblings-Elektrolyt-Getränk in Italien – nein, es ist kein Bierchen – Lemon Soda und das obligatorische Panini.
Den Abschluss bildet dann – wie fast täglich – eine Portion Pasta mit einem Insalata Mista als Antipasto, dazu eine Flasche Wein und einem Absacker in der Bar – Bella Vita …Unsere nächste Etappe führt uns raus aus den Bergen, rein in die Ebene über Udine Richtung Grado. Aus den anvisierten 80 km werden dann doch wieder 90 km, da ich ich den ausgeschilderten Alpe-Adria-Radweg folgen möchte und nicht Rolf’s Tourenvorschlag (selbst schuld). Wie dämlich von mir, denn auf den letzten 20 km brennt der Po. Außerdem waren die ersten 30 km für mich extrem anstrengend. Es fing zwar harmlos flach an, doch dann tat sich eine Steigung nach der anderen auf und ich kurbelte mich in praller Sonne und im kleinsten Gang hoch … mein Pulsschlag weit oben, mein Kopf heiß und rot … so erreichte ich die Anhöhe … manchmal ging es ein kleines Stück zum Verschnaufen bergab, doch dann begann das gleiche Spiel von vorne. Je mehr Anstiege ich schaffte, je weniger Energie hatte ich zur Verfügung. So langsam zweifelte ich daran, unsere Etappenziel noch erreichen zu können. Denn wie sollte ich noch weitere 50 km fahren können, wenn ich jetzt schon nach 30 km völlig am Ende war, was Rolf mir auch zu verstehen gibt. Und mit „völlig am Ende“ meine ich auch völlig am Ende. Meine Wahrnehmung lässt dann nach, ich sehe und höre nur noch sehr eingeschränkt, ich keuche, ich schwitze, ich wische mir den Schweiß aus den Augen, da ich sonst nichts mehr sehen kann, ich schiebe, wenn mich die Kraft in den Beinen verlässt, das Rad den Berg hoch zu fahren, ich versuche durchzuhalten, zu kämpfen und sage mir immer wieder „Gleich ist es geschafft. Gleich muss es vorbei sein.“ Rolf spendiert mir sein Wasser, schüttet es in mein Käppi, damit es mich etwas kühlen kann, denn mein roter Kopf sieht bedenklich aus. Nach dem gefühlten fünften Anstieg bitte ich um eine Pause, setze mich hechelnd auf die Bordsteinkante, fühle mich hundeelend, kann nicht mehr, mir ist schlecht. Ich atme und atme, warte, dass der Puls sich beruhigt. Rolf wartet, bleibt auf Distanz. Wahrscheinlich wirke ich genervt. Ich versuche die Signale meines Körpers, die mir anzeigen „Es geht wieder“ wahr zu nehmen. Im nächsten Ort legen wir die ersehnte Pause ein. Ich setze mich vor die Bank der geschlossenen Bar und Rolf läuft los, um Lemon Soda und Wasser zu besorgen. Ich esse die Pasta von gestern und spüre, wie die Energie langsam wieder zurückkehrt, zweifle aber noch immer an mir, ob ich überhaupt für solche Radreisen geeignet bin.
Die Strecke wird glücklicher Weise besser, flacher und geht immer weiter bergab. Heiß bleibt es weiterhin, so dass unsere Lemon Sodas in den wenigen Bars, die es hier gibt, unsere Highlights sind. Als wir dann endlich den Campingplatz in Aquileia erreichen, bauen wir mit letzter Kraft unser Zelt auf, duschen und essen unsere Pasta. An der Bar noch ein Bier und dann schlafen. Als Rolf am nächsten Morgen freudestrahlend mit einer Gaskartusche aus dem Mini-Markt kommt, glauben wir das Problem des zuneige gehenden Brennstoffes sei nun gelöst, doch Pustekuchen. Unser Kocher passt nicht auf den Verschluss, der leider kein Gewinde hat. Sehr verärgert über die vergeudeten 11 Euro versucht Rolf die Kartusche zurück zu geben. Mit Erfolg!Die 20 km nach Grado sind ein Klacks und ein Cappuccino in einer der vielen Bars in der Altstadt passt uns gut. Ich könnte stundenlang in den Bars der italienischen Altstädtchen sitzen und Menschen beobachten. Die Suche nach einer passenden Gaskartusche bleibt weiterhin unser größtes Problem. Meine Idee, auf dem Weg von Grado nach Triest in einem Laden der großen Campingplätze unser Glück zu versuchen, setzen wir in die Tat um und entdecken megagroße Campinganlagen mit Malle-Charakter und entsprechendem Publikum. Rolf entdeckt tatsächlich die besagte Kartusche – aber aus seiner anfänglichen Euphorie folgt an der Kasse die Ernüchterung, denn hier läuft’s wie im Club Med. Ohne Armbändchen mit Chip läuft hier garnichts und die bekommst du nur als angemeldeter Campinggast. Zu unserem Erstaunen gibt es hier wohl doch hilfsbereite Menschen, denn gleich 2 Frauen bieten ihre Hilfe mit besagtem Chip an. Gesagt … getan … und die Kartusche passt! Unserem geliebten Caffè am Morgen und der abendlichen Pastaorgie steht nichts mehr im Wege.
Natürlich geht es zum Schluss der Route noch mal schön den Berg hinauf … lange, nicht zu steil, so dass ich in Rolfs Windschatten gut hochkomme. Jeder Schattenfleck wird von mir schon lange vorher mit Vorfreude anvisiert. So erreichen wir am frühen Nachmittag Camping „Albatross“, zwar auch mega groß mit mega Pool- und Sportanlagen, dennoch okay. Wie schön es ist, mal mehr Zeit und Energie zu haben, für Duschen, Kochen und Bierchen trinken und nicht wie an unseren 90 km am Tag müde und abgekämpft am Abend erst anzukommen . Unsere Dortmunder Nachbarn sind aufgeschlossen und interessiert. Sie bewundern unsere Art zu Reisen, unsere Sportlichkeit und Anstrengungsbereitschaft, was mir runterläuft wie Öl! Rolf kocht Pasta – was sonst? Wir lachen uns schlapp, als wir einem Italiener beim Zeltaufbau zugucken. Wir müssen uns richtig anstrengen, nicht ständig dorthin zu glotzen … das hat beim Camping einen großer Unterhaltungswert!
Mit Weißwein von der Bar versuchen wir unsere weitere Tour zu planen, doch das W-Lan hier hält nicht, was es verspricht. Dass Animation hier ein großes Ding ist, wissen wir ja, dass sie aber bis weiter über Mitternacht damit den ganzen Platz unterhalten, dagegen nicht. Es war unsäglich laut, so dass meine Ohrenstöpsel quasi den Geist aufgeben. „Wie können Menschen hier Urlaub machen?“ frage ich mich mal wieder.