Die Schmalspurbahn von Mettupalayam nach Ooty, die auf der UNESCO-Weltkulturerbeliste steht, hat spezielle Kammräder an der Lokomotive, die in eine dritte verzahnte Schiene auf dem Boden greifen, um die unglaublichen steilen Steigungen zu bewältigen. Jeden Morgen um 7:10 Uhr verlässt sie Mettupalayam in Richtung Ooty (2. Klasse 30 IR, 5 Std.). Da man laut Lonlely Planet die Fahrt unbedingt einige Wochen vorher buchen sollte, haben wir bereits in Kollam eine Reservierung besorgt, wobei uns Francis wieder geholfen hat.
Um 6:30 fahren wir mit dem Tuk-Tuk zum Bahnhof und schon beginnt das übliche Spiel. Nachdem das reservierte Ticket geprüft ist, bittet mich ein Mann draußen vor der Tür, der für uns wie ein Passagier aussieht, ihm das Ticket zu zeigen. Wie so oft, verstehen wir die Situation nicht, schauen ihn fragend an, er wiederholt seine Aufforderung, wir geben ihm das Ticket, er checkt eine App und trägt uns 2 Sitzplätze ein. Indien ist immer für eine Überraschung gut … “incredible situations“ nenne ich diese Situationen, die so unglaublich und so vieldeutig sind, dass wir mit unseren Interpretationen nicht weit kommen. Einfach drauf einlassen, abwarten, was passiert und 1000mal fragen ist die Devise.
Auf dem Gleis angekommen, sagt uns der „Stationmaster“, dass wir auf der Warteliste stehen. Ein weiterer Mitarbeiter der Nilgiri Railway kümmert sich um uns und weist uns einen Sitzplatz in einem 8er Abteil zu, dass aus unserer Sicht eigentlich schon voll ist. Da es keinen Platz für die Rucksäcke gibt, schiebe ich meinen unter die Sitzbank und bringe Bettinas in den Lade-Waggon. Kaffee und Masala Chai kann ich noch besorgen, bevor die Dampfmaschine ihre Arbeit aufnimmt. Sie schiebt die Waggons gemächlich und mit Getöse die Berge hinauf, über uralte Holzbrücken, die über riesige Schluchten führen. Während der Fahrt bieten sich tolle Ausblicke auf Wälder, Bergpanoramen und Teeplantagen.
An den Haltestellen, wenn die Dampflok mit Wasser befüllt wird, vertreten wir uns die Beine vom engen Sitzen, machen Fotos oder genießen den Ausblick auf die Berge. Unser Ziel, Ooty, erreichen wir nach 5 Stunden. Ooty (ca. 2000 m hoch), die „Königin der Hill Stations“ vereint indische Betriebsamkeit und Hindu-Tempel mit Parks und charmanten Bungalows aus der Zeit Britisch-Indiens. Das angenehm trockenere und kühlere Klima, vor allem Nachts, zieht Touristen sowie Einheimische an. Das Highlight von Ooty sind die wunderschönen Nilgiris. Hier kann man durch Stammesdörfer und Teeplantagen und durch artenreiche Waldgebiete wandern … doch nur mit Guide, denn Tiger und Elefanten sind hier zu Hause und haben erst 2014 drei Menschen getötet.
Mit dem Taxi fahren wir die kurvenreiche und steile Strecke hinunter zum „Jungle Hut“ im Mudumaly-Tiger-Reservat, das die höchste Tigerdichte in ganz Indien haben soll. Und den wollen wir schließlich sehen. Die ausgetrocknete Landschaft mit ihren dünnen, blattlosen Bäumen und stacheligem Gestrüpp erinnert mehr an eine afrikanische Steppenlandschaft als an eine Dschungel. Seit ca. 6 Monaten hat es nicht mehr geregnet.
In unserem Resort „Jungle Hut“ verteilen sich die geräumigen Cottages auf einer großen Anlage, auf der bei unserer Ankunft Hirsche und Schafe auf dem vertrockneten Boden „grasen“. Unser Taxifahrer vermittelt uns einen „preiswerteren“ Safaritour-Fahrer, der uns um 16 Uhr abholen soll. Trotz der Höhe ist es nicht sehr heiß, aber dafür trocken. Da man hier nur mit Verpflegung buchen kann, essen wir erst einmal. Wow … was für eine Auswahl es hier gibt. Natürlich werden auch von hier Safari-Touren (ca. 2500IR/ 35€, 2 Std.) von einem professionellen Guide angeboten. Da wir gerne vergleichen wollen, beginnen wir am gleichen Abend mit der 1. Variante (einstündig für 800 IR, ca. 11€). Am verabredeten Treffpunkt am Tempel außerhalb des Resorts, da dies keiner sehen darf, geraten wir wieder in eine dieser „incredible situations“ … ein einziger Jeep steht weit und breit zur vereinbarten Zeit am Tempel. Unsere Idee, das könnte unser Typ sein, entpuppt sich wieder als zweifelhaft. Das für Indien typische Kopfwackeln des Fahrers auf unsere Frage hin hilft uns auch nicht weiter. Also rätseln wir weiter herum und harren der Dinge, die passieren. Und prompt biegt nach 10 min ein zweiter Jeep um die Ecke, der Anzeichen macht, dass wir mit ihm fahren. Nach kurzer Zeit befinden wir uns auf der Hauptstraße durch das Reservat, auf der Einheimische, Busse und andere Fahrzeuge mit Sondergenehmigung fahren dürfen- unserer Ansicht nach zu viele für ein Schutzgebiet. Als unser Guide laut „Peakock“ ruft und dafür anhält, dachte ich „Och nö, nicht schon wieder!“ Auch für ein Huhn stoppt er seinen Jeep. Da auf der rechten Seite der Straße die einzige Wasserstelle (ein gestauter Kanal) liegt, müssen alle Tiere zwangsläufig diese Straße überqueren. Geschickt gemacht, oder …?
Dann sehen wir immer wieder Hirsche und auch Bisons, die nah der Straße weiden. Der Bisonbüffel sieht beeindruckend groß und mächtig aus. Ich frage den Guide, wann er denn das letze Mal hier einen Tiger gesehen hätte … “vor drei Monaten“, … aha, denken wir, da stehen unsere Chancen ja eher schlecht. Sein Englisch ist eh so rudimentär, dass wir das Fragen besser einstellen. Am Ende des Kanals, als wieder Kühe die Straße blockieren, legen wir eine Pause ein, bewundern die Bäume mit den schönen roten Blüten und machen Jeep-Fotos.
Die Einheimischen versuchen so gut es geht ihre Häuser gegen Elefanten zu schützen, indem sie Mauern oder Zäune um ihre Häuser, Gärten und Äcker bauen. Auf dem Rückweg, als es bereits dunkel wird, sehen wir noch ein paar Wildschweine und sogar einen recht großen Elefanten, der leider etwas weiter an einem Baum steht. Kurz vor der Abbiegung zu unserem Resort turnen ein paar Langure auf einer Mauer herum.
Unsere Resort liegt wunderbar ruhig umrahmt von den Nilgiri-Bergen und wird gut überwacht – Videokameras und Wachpersonal – wer abends vom Restaurant zum Cottage geht, wird vom Wachpersonal begleitet. Vor einigen Monaten war noch ein Elefant auf dem Gelände und hat am Tamarindenbaum geknabbert. Abends sehen wir erschrocken ein riesiges Feuer auf dem Bergkamm, dass sich immer weiter ausbreitet. Auf unsere Frage hin, ob dies nicht gelöscht würde, antwortet uns die Chefin, dass es hier keine Hubschrauber dafür gäbe und dass das Feuer von alleine wieder ausginge. Wir beobachten hier, einige wohlhabende indische Familien, die ihre Kinder wie Babies betüddeln und europäische „Birdwatcher“, die hier auf die Pirsch gehen. Die umweltfreundliche Philosophie – es gibt gefiltertes Wasser – die „Jenseits von Afrika-Steppenlandschaft“ um uns herum, das wohl beste Essen in Bokkapuram, das eiskalte Bier und die chillige Pool-Area bieten so viel, dass wir noch gerne einen Tag länger bleiben möchten.
Bei der Night-Safari mit unserem Guide schätzen wir, dass er uns mehr zu den Tieren erzählen kann und mit seinem Co-Guide ein guter Beobachter ist. Selbstverständlich verschweigen wir, dass wir gestern Abend schon mal hier waren. An einer Stelle hören wir ein Rascheln im Busch und als wir gebannt warten, was da wohl aus dem Gebüsch kommt, vermutet unser Guide einen Bären … doch dann war es „nur“ eine Wildschwein-Herde. Kurz darauf läuft eine große Bisonherde auf die andere Seite. Als es dunkel wird, entdeckt unser Guide auch wieder einen Elefanten, der etwas weiter zur Wasserstelle hin steht. Doch dann, als wir noch mal anhalten und auf ein Gebüsch starren und leuchten, da sehen wir ihn … den indischen Lippenbär … den hält unsere Guide für sehr gefährlich … er überquert noch die Straße und verschwindet im Dickicht … das ist doch ein Highlight … doch ein Zweites folgt, als kurz vor unserem Resort eine Elefantenkuh mit ihrem neugeborenen Baby direkt neben der Straße auftaucht. Unfassbar schön, wie sie da so steht und das Kleine beschützt. Als unser Guide in ein Off-Road-Gelände abbiegt, sehen wir schlafende Hirsche und Bisons. Etwas lustig kündigt er an, dass nur aussteigen darf, wer schnell laufen könne. In dem Moment, als er gerade mit der Taschenlampe aussteigt, ruft er „Oh, the elephant is coming“ und springt wieder in den Jeep, startet ihn und leuchtet den Elefanten an. Dass er den überhaupt so schnell gesehen hat, hat uns so verwundert. Spannend und lustig war’s allemal.
Das Elefantencamp hinter Masinagudi, das wir am letzten Tag besuchen, ist zwar kein echtes Highlight, hat uns dennoch viel Spaß bereitet, denn nach der Fütterung der Elefanten kommen die Languren, um die Reste des Elefantenfutters zu klauen und abzuhauen … eine schöne Belustigung für die Kinder.
Der Affe, der die Kokosnuss klaut, setzt sich auf eine Zaunpfahl und futtert sie. Wir machen Fotos und Filme für die Enkelkinder. So ganz nah traue ich mich doch nicht an sie ran. Ihre spitzen, kleinenZähne schrecken mich doch etwas ab. Das Elefantenfutter besteht aus großen braunen und weißen Brocken, die von den Mahouts durchgeknetet und dann in die Mäuler gestopft werden. Dazu gibt es noch Zuckerrohr und Kokosnüsse.
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