Archiv für den Monat: November 2018

The Ha Giang Loop im Norden Vietnams – eine Moped-Tour

Es muss irgendwo in Indonesien gewesen sein, als wir nach dem Durchstöbern mehrerer Reiseblogs auf den Ha Giang Loop gestoßen sind. Einen Rundkurs im äußersten Norden Vietnams unmittelbar an der Grenze zu China durch das Karststeingebirge. Die Bilder davon zogen uns derartig in ihren Bann, dass uns sofort klar war: Da müssen wir hin.

Es gibt verschiedene Routen, auf denen man unterwegs sein kann. Auch die Arten, wie man dort unterwegs ist, sind unterschiedlich: Mit dem Auto, mit dem Moped, als Selbstfahrer oder als Sozius, mit Guide oder ohne, in der Gruppe oder alleine … wir entscheiden uns fürs Moped und wollen es auf eigene Faust probieren.


Wir planen für den Loop 4-5 Tage ein, buchen in Hanoi die Busfahrt nach Ha Giang, Start und Ziel der Tour und nutzen die Zeit bis dahin für unsere Bootstour in der Halong Bucht – doch dann kommt alles etwas anders …

Auf der Busfahrt zurück von der Bootstour nach Hanoi klagt Eve plötzlich über Kopf- und Gliederschmerzen, Unwohlsein und erhöhte Temperatur – also auch Anzeichen für Malaria, zumal das zeitlich mit unserem Aufenthalt in Papua passen könnte. Die Alarmglocken läuten … am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg ins französische Hospital in Hanoi, Eve muss einige Untersuchungen über sich ergehen lassen, die Blutwerte sind nicht Ordnung. Aber es gibt Entwarnung. Es handelt sich zwar um eine Entzündung, aber nichts spricht für Malaria oder Dengue Fieber. Zur Sicherheit sollen wir aber noch einige Tage in Hanoi bleiben und in einigen Tagen zur Kontrolle nochmal vorbeischauen. Wir verschieben unseren Abfahrtstermin um einige Tage.

Der Kontrolltermin ergibt keine neuen Informationen und obwohl Eve nicht bei 100% ist, entscheiden wir uns dazu, die Mopedtour in den Bergen doch in Angriff zu nehmen. Meine Bedenken sind groß, da diese Tour nicht ohne ist, in der Vorwoche hat es Todesopfer gegeben. Zwei Touristen sind von der Straße abgekommen und abgestürzt. Die Straßenverhältnisse sind alles andere als optimal, schlechte Sicht mit Regen kann dazu kommen, oft sind Touristen ohne Mopederfahrung unterwegs und Verkehrsordnung ist hier eher untergeordnet.

Egal – wir wollen es unbedingt!

Nach 6 Stunden Fahrt in einem äußerst komfortablen Kleinbus kommen wir in Ha Giang an. Das Hotel ist für unsere Ansprüche geradezu luxuriös und wir machen uns direkt auf dem Weg zum Verleih. Mir kommen nochmal große Bedenken, da ich merke, dass Eve alles andere als fit ist. Ich bin drauf und dran das Ganze abzusagen und gerate in Streit mit ihr. Schließlich entscheiden wir uns, es erst mal zu versuchen.

Der Verleih wirkt sehr professionell, die Mopeds gut gewartet und die Infos zur Tour sind sehr umfangreich. Gottseidank haben wir beide den internationalen Führerschein dabei, ansonsten hätten wir nix bekommen, da die Regierung durch die schweren Unfälle erst Ende Oktober dies zur Pflicht gemacht hat und so die Risiken etwas eindämmen will. Eve verguckt sich aufgrund ihrer Moto-Guzzi-Vergangenheit sofort in ein 125er Suzuki, während ich mit einer 110er halbautomatischen Honda, die mich an eine alte Kreidler erinnert, mehr als zufrieden bin, da ich über keinerlei Motorrad-Erfahrung verfüge und daher sowieso schon ziemlich aufgeregt bin.

Am nächsten Tag geht’s los. Wir haben nur einen kleinen Rucksack gepackt, den Großen können wir im Hotel lassen, da wir in vier Tagen wieder dort sein werden. Wir sind kaum 10 km unterwegs, taucht schon diese wunderschöne Kulisse mit den spitzen Karststeinbergen auf. Es sieht faszinierend aus mit diesem satten Grün, auch wenn ich mich noch nicht so ganz darauf einlassen kann … ich bin noch zu sehr mit mir, dem Moped, den engen Straßen, den Schlaglöchern, den LKWs, die dich an den Straßenrand ins Schotterbett abdrängen und den links und rechts auftauchenden Mopeds beschäftigt. Außerdem habe ich schon genügend damit zu tun, den Anschluss zu Eve nicht zu verlieren, für die dieses Gefühl, wieder auf einem richtigen Moped zu sitzen, wie eine Therapie wirkt –  sie gesundet von Meter zu Meter …

Gefühlt halten wir alle 100 Meter an, um Fotos zu machen oder einfach die Aussicht zu genießen. Diese Art von Berglandschaft haben wir noch nie gesehen. Da wir hier teilweise im Schritttempo unterwegs sind, insbesondere wenn wir einem qualmenden LKW bergauf folgen, bevor es uns gelingt, ihn zu überholen, erreichen wir nach 100 km unser erstes Etappenziel: Yen Minh. Ein Hotelzimmer ist schnell gefunden, unsere Mopeds sicher im Haus verstaut (das ist hier so üblich, da stehen die Mopeds neben dem Sofa). Ein leckeres Abendessen und ein paar Bierchen beenden diesen mit soviel Eindrücken gespickten Tag.

Der nächste Tag beginnt damit, dass wir unsere geplante Route unbewusst verlassen, dass uns aber nicht weiter stört, da mehrere Routen zu unserem Tagesziel führen. Unterwegs treffen wir auf ein französisches Pärchen, dass wir bereits während der Anreise kennengelernt haben und mit denen wir während des Mittagessens einen regen Austausch haben. Dabei erfahren wir, dass es wohl schwierig sein wird, eine Unterkunft in unserem heutigen Tagesziel, Dong Van, zu finden. Am morgigen Sonntag findet dort ein Markt statt, auf dem selbst die weit entfernt lebenden Hmong, ein dort beheimatetes indigenes Bergvolk, ihre bäuerlichen Produkte verkaufen wollen. Viele Vietnamesen nutzen dies für einen Wochenendausflug, sodass viele Unterkünfte ausgebucht sind. Ein Blick auf Booking.com bestätigt das. Wir sind aber zuversichtlich, vor Ort etwas zu finden – klappte bisher immer.

Auf dem Weg dahin überqueren wir den höchstgelegenen Pass auf unserer Tour, den Ma Pi Leng, und ich kann mich nur wiederholen: die Sicht ist atemberaubend! Mittlerweile kann ich dies auch alles unbeschwert genießen. Ich fühle mich sicher auf dem Moped, freue mich über jede Kurve mit dem nächsten Highlight vor meinen Augen und auch mein Puls erreicht bei den Überholmanövern wieder Normalwerte. Die Abstände zu Eve werden immer kürzer und dauernd höre ich ihre Juchzer, wie sie das Mopedfahren und die Landschaft geniesst. Ich freue mich über ihren immer besser werdenden Gesundheitszustand.

Die Befürchtungen bestätigen sich, unsere ersten Fragen nach einer Unterkunft in Dong Van werden verneint. Schließlich finden wir jemanden, der einen kennt, der weiß, wo noch was frei ist. Wir sind bereit für den Marktbesuch am nächsten Tag. Es wird ein Tag für alle Sinne: die farbenprächtige Kleidung der Hmongs, die aus den entlegensten Bergregionen einen stundenlangen Fußmarsch hinter sich haben, um ihre wenigen selbst produzierten Waren (Gemüse, Kräuter, Gewürze etc) zu verkaufen. Das sind teilweise Dinge, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe, aber probieren tue ich sie trotzdem – nicht alles findet meine Begeisterung, aber es ist ein tolles Erlebnis.

Pünktlich zu unserer Weiterfahrt beginnt der Regen – es sollte der einzige verregnete Tag auf unserer Moped-Tour sein. Wir nutzen die Einkaufsmöglichkeiten auf dem Markt und kaufen für ein paar Dong Einweg-Plastik-Regenklamotten, um den gröbsten Regen abzuhalten. Damit nicht genug: Eve findet ihren Moped-Schlüssel nicht mehr – er bleibt unauffindbar, egal was wir versuchen. Die Konsequenzen, die uns einfallen, sorgen nicht gerade für eine Stimmungsaufhellung. Doch da naht Hilfe … unser Mopedverleih hat hier eine Filiale und dort kennt wieder einer jemanden, der einen kennt, der eine Lösung parat hat. Der Mitarbeiter packt sich das Moped und ehe wir uns versehen, ist er schiebender Weise damit im Regen verschwunden – wie wir später erfahren, zu seinem Schwiegervater. Eine halbe Stunde später kommt er mit dem Moped und einem neuen Zündschlüssel zurück – toll diese Vietnamesen! Unsere Stimmung steigt schlagartig, trotz des Regens.

Wir machen uns auf den Weg. Unsere neu erworbene Regenbekleidung erweist sich nicht gerade als Volltreffer, da wir uns aber dazu entschließen, die Route etwas abzukürzen und wieder nach Yen Minh zu fahren, wird unsere Leidensfähigkeit nicht zu arg strapaziert, wenn auch der strömende Regen, die dichten Nebelbänke, die überfluteten Schotterstraßen und der LKW-Verkehr uns zu schaffen macht – fotografieren wird heute mal vernachlässigt.

Im Hotel besorgen wir uns erstmal einen Fön und sind die nächsten Stunden damit beschäftigt, unsere Klamotten zu trocknen – Wechselklamotten sind in unserem Rucksack eher unterrepräsentiert.

Am nächsten, dem letzten Tag, steht die 100km Etappe zurück nach Ha Giang an – diesmal wieder bei gutem Wetter. Es wird wieder ein Tag zum Genießen …

Unser neuestes Gimmick: Der Reisetracker von Polarsteps, mit dem ihr unseren aktuellen Standort sehen könnt und mittels Anklicken der Karte ebenfalls unseren gesamten bisherigen Reiseverlauf mitverfolgen könnt …  

Bootstour in der Halong Bucht

Hier sollte er nun in Erfüllung gehen: einer meiner größten Reiseträume. Eine Bootstour mit Übernachtung durch die Halong Bucht. Dieses Naturschauspiel von riesigen Kalksteinfelsen im smaragdgrünen Wasser, diese einzigartige Atmosphäre, all das sollten wir mit Cat Ba Ventures erleben.

Von Hanoi geht es um 10 Uhr mit dem Bus auf die Insel Cat Ba, die größte Insel in der Halong Bucht. Nach drei Stunden erreichen wir den Hafen. Eine rostige Fähre bringt den Bus schnell rüber auf die Insel. Nach einer halben Stunde werden wir an unserem Hotel rausgelassen. Das ist hier in Vietnam auch so üblich. Sehr praktisch. Da die Häuser hier schmal und hoch gebaut sind, müssen wir in die 3. Etage laufen. Im Eingangsbereich betreibt unser Besitzer mit seiner Familie einen Beauty- und Spa-Salon, der wenig einladend aussieht und tagsüber von den Mitarbeitern auch eher zum Dösen benutzt wird. Unser Hotel soll uns für jeweils eine Nacht vor und nach der Bootstour reichen. Dass es hier in der Stadt so touristisch zugeht, hätten wir nicht gedacht. Eine mit bunten Lichtern dekorierte Hafenmeile mit schwimmenden Restaurants und jede Menge Touranbietern präsentieren sich. Glücklicherweise habe ich die Tour bereits vorher gebucht, so müssen wir hier nicht Touren und Preise vergleichen.

Unser großes Gepäck lassen wir im Hotel, als wir am nächsten Morgen bei strahlendem Sonnenschein vor dem Büro von Cat Ba Venture mit kleinem Gepäck gespannt auf die Leute warten, die mit uns auf‘s Boot gehen. Außer uns treffen noch ca. 15 weitere Traveller ein. Es ist wieder ein bunte Mischung aus Holländern, Amerikanern, Deutschen, sogar eine Frau aus Sri Lanka ist dabei und natürlich wieder Franzosen, die hier sehr präsent sind. Während eines kurzen Bustransfers zum Hafen erklärt unser Guide, Duck, das Programm und wir besteigen kurz darauf das große Holzboot. Ich kann gerade noch die Kamera zücken, als sich die atemberaubende Kulisse schon vor uns auftut. Schwimmende Dörfer mit Fischzuchtfarmen säumen beide Seiten, vor uns die Kalksteinfelsen im smaragdgrünem Wasser vor blauem Himmel, dazwischen tuckern traditionelle asiatische Fischerboote. Unfassbar schönes Naturwunder – nicht umsonst gehört es zum UNESCO Weltkulturerbe. Das Sonnendeck lädt zum Staunen und Relaxen ein. Auf den Liegen machen wir es uns bequem. Wow, wie das hier aussieht! Ich bekomme eine Gänsehaut, Foto, Foto, woww – happy! Hinter jeder Kurve erscheint ein neues Panorama.

In der ersten Bucht springen die drei Franzosen direkt vom Deck ins Wasser. Einige andere, wie Rolf, springen hinterher. Die Quallen im Wasser, deren Tentakeln bei Berührung brennen sollen, mag ich gar nicht. Zum Mittagessen zaubert uns der Koch ein köstliches Büfett aus Fisch, Garnelen, Reis, Frühlingsrollen, Wasserspinat und anderen Köstlichkeiten. Frisch gestärkt legen wir an einem schwimmenden Dorf an, ziehen die Badesachen an, steigen in die Zweier-Kajaks und paddeln in die Lagunen und durch Höhlen.

Durch eine Höhle zu paddeln, ist ein irres Erlebnis, besonders wenn am anderen Ende eine Lagune erscheint. Die natürliche Stille, das Plätschern der Wellen, diese gigantischen Felsen um uns herum, sind sehr beeindruckend. Um uns herum riesige Karstberge, grün und felsig schroff. Rolf steuert unser Kajak geschickt durch die Höhlen, während ich vorne kraftvoll und rhythmisch paddele. Mir macht es wieder so richtig Spaß, fühle mich in meinem Element, erinnert es mich doch an unsere Kanutouren in Holland. Rolf ruft mehrfach „Stopp jetzt mal“ oder „mach mal langsamer“. Wir filmen abwechselnd mit der GoPro.

Doch ganz so unberührt ist die Natur auch wieder nicht. Entsetzt betrachten wir den Müll auf dem Wasser! Wo wir doch bewusst die völlig überlaufene Route von Hai Phong aus in die Halong Bucht vermieden haben. Wie mag es dort erst aussehen, wo sich unzählige Boote an den Buchten aneinanderreihen? Wie kann dieses Naturwunder besser geschützt werden?

 

Der Nachmittag neigt sich dem Ende zu, die untergehende Sonne bewirkt ein weiteres Farbspiel zwischen all diesen Felsgiganten. Unser Boot bringt uns zu einem größeren Boot mit Kajüten. Riesige Panoramafenster, französisches Bett, ein großes Bad – Luxus Pur – unglaublich! Während wir unsere wunderschöne Kajüte beziehen, legt sich die Abenddämmerung über diese Steinriesen und hüllt sie in schwarz. Vor unserem Fenster ertönt ein lautes Platschen. Wieder springen die drei Franzosen vom Deck ins Wasser. Wir stehen am Fenster und halten inne in dieser magischen Landschaft aus gigantischen Felsen und Wasser. Aus den Panoramafenstern direkt auf die Kalksteinfelsen und die umliegenden Boote zu schauen ist unvergesslich. Nach einem kurzen geselligen Abend schlafen wir in dieser ruhigen Nacht besonders gut.

Nach dem Frühstück werden wir zur südlichsten Insel der Halong-Bucht gebracht. Und wieder ist der Himmel blau und wir können unser Glück nicht fassen, denn häufig ist hier Regen angesagt. Diesmal fahren wir mit den offenen Zweier-Kajaks, die hinten am Boot hängen, in die Lagune. Es schaukelt doch etwas mehr, doch nach kurzer Zeit haben wir uns eingespielt. Auf dem Rückweg tauschen Rolf und ich unsere Positionen, ich gebe hinten jetzt den Steuermann, während Rolf vorne den Antrieb mimt. An einem Mini-Strand kann man Schwimmen und Schnorcheln gehen, was uns angesichts der Quallen weniger reizvoll erscheint.

So langsam machen wir uns auf den Rückweg, essen noch zu Mittag, genießen die letzten Ausblicke und erreichen am Nachmittag wieder Cat Ba. Was für eine irre Tour!