ein Beitrag von Eve und Rolf
Freitag, 13.01.2017
Bis zur Handgepäckkontrolle war alles gut. Doch dann ging’s auch schon los: Als erstes musste ich einen halben Liter Wasser aus meiner neuen faltbaren Flasche so schnell es ging austrinken. Dabei hatte ich sie am Morgen doch extra noch gefüllt, damit ich am Flughafen meine neue Flasche ausprobieren kann. Rolf schaute mich genervt an. Doch dann entdeckte der Scanner auch noch mein Taschenmesser. Oh Schreck … war es doch in meiner Tasche? Ich wusste es nicht … ich fand es auch erst nicht und dann gab es nur zwei Möglichkeiten: wegwerfen oder ins Fundbüro bringen. Rolfs Blick war eindeutig, zumal er mich kurz vorher noch daran erinnert hatte, kein Taschenmesser im Handgepäck mitzunehmen. Ich entschied mich für Letzteres und lief zurück, drei Etagen nach unten ans andere Ende. Zum Glück kann ich die 5€ auch noch beim Abholen bezahlen!
Nach den paar Aufregungen am Flughafen in Köln kamen wir bei strahlend blauem Himmel in Lissabon an. Wie warm es hier ist! Unglaublich – hatten wir doch Köln bei Minusgraden und Schnee verlassen.
Unsere AirBnB-Unterkunft Cosy Penthouse, zentral im Stadtteil Lapa gelegen, ausgestattet mit einer Dachterrasse mit einem Rundumblick auf Lissabon, insgesamt 4 WG-Zimmern, d.h. gemeinsame Toilette, Dusche, Küche, Balkon. Auch unser Zimmerchen ist winzig – nur ein Bett und ein schmaler Gang – kein Haken, kein Regal o.Ä., nix … Dafür haben wir einen Blick von unseren hoch gebautem Bett auf Lissabon mit einem Balkönchen.
Unsere erste Entdeckungstour beginnt mit einer Schwarzfahrt (nix für Rolf) in der berühmten E28 Richtung Baixo Alto. Das „E“ bei der 28E steht für Eléctrico. Sie ist ca. 100 Jahre alt und rumpelt hier die Berge rauf und runter, durch sehr enge Gassen und vermittelt einem wieder das Gefühl, in einer anderen Zeit zu sein. Rolf kann sie ganz und gar nicht genießen und erkundigt sich bei seiner Sitznachbarin nach den Möglichkeiten einen Fahrschein zu kaufen. Nun wissen wir fast Bescheid – nur in den Metrostationen kann man die Karte aufladen.
Von der Metrostation Baixa-Chiado geht’s weiter durch den Stadtteil Bairro Alto und entdecken die Aussichtsplattform vom Lift Elevador de Santa Justa. Von hier oben haben wir einen besonders guten Blick auf den Rossio Platz. Dieser freistehende Lift aus Gusseisen verbindet die Unterstadt Baixa mit der Oberstadt Chiado und dem Bairro Alto. In der Kabine wird man in eine andere Zeit versetzt. In der Hauptsaison muss die Warteschlange zigmal länger sein. Oben angekommen hat man einen wunderbaren Rundumblick auf Lissabon.
Abendesssen im Ausgehviertel Bairro Alto steht an … Es gibt in diesem Viertel eine Unmenge von Restaurants und Bars. Einfach vom Largo de Camoes die Rua do Norte hochgehen und schon wird man fündig. Im Vorfeld hatten wir auf den einschlägigen Reiseblogs nach möglichen Restaurants für unsere drei Abende hier gesucht, die unseren Vorstellungen entsprechen – angelehnt an die Slowfood-Bewegung. Wie sich herausstellen sollte, hatten wir eine gute Wahl getroffen. Ziel unseres ersten Abends war das Restaurante Cantinho do Bem Estar, das wir ohne Google-Maps (unser ständiger Begleiter) nie gefunden hätten. So unscheinbar und von außen kaum zu erkennen ist es, winzig klein und die Tür muss offen bleiben, da ansonsten der Küchenqualm uns ersticken würde – aber es gab köstlichen Fisch, der dazu noch in reichlich Vinho Verde schwamm.
Samstag, 14.01.2017
Heute steht eine Free Walking Tour an. Doch vorher frühstücken wir direkt am Treffpunkt Largo de Camoes in einer Pasteleria. Diese ca. 2,5 Stunden dauernde Tour bezahlt man je nach Gusto. Sie vermittelt einen guten historischen Überblick und viele Eindrücke von der Stadt. Unser Guide ist sehr engagiert, spricht zwar sehr schnell, dennoch können wir Einiges verstehen.
Nach dem ganzen kulturellen und historischen Input fehlt uns der kulinarische Input. Dazu besuchen wir in Hafennähe den Time Out Market, eine Markthalle nicht im klassischen Sinne, sondern eine riesige Halle, an deren Rändern jede Menge Streetfoodstände installiert sind (erinnert mich an die Streetfood-Festivals im „Jack-In-The-Box“ in Köln, wo man sich die Portionen kaufen und an den vielen Tischen und Bänken im Inneren der Halle genießen kann. Trotz der Nebensaison ist die Halle rappelvoll – kein Wunder bei dem Angebot aus allen Bereichen, perfekt kombiniert, eine Art Fusion-Food. Rolfs „Niguiri de sardinha assada com flor de sal“ begeistert nicht nur durch den Namen. Da Abends wieder ein Restaurantbesuch ansteht, bleibt’s bei kleineren Häppchen.
Eves To-Do-Liste (genial organisiert) führt uns zum Castelo de Sao Jorge. Wie viele Wege nutzen wir auch hier wieder die 28E, von der wir nie genug bekommen können.
Die anschließende Zeit nutzen wir zum Relaxen, um den abendlichen Programmpunkt wieder ins Visier zu nehmen: das Abendessen im Restaurante Zapata, auch das hätten wir ohne unsere Vorausplanung nie gefunden. Wieder so einfaches Restaurant, kaum als solches erkennbar, mit einfachster Einrichtung, vielen Einheimischen und köstlichem Local Food – wir sind begeistert.
Sonntag, 15.01.2017
Am Vormittag zieht es uns zur LX Factory, ein in die Jahre gekommener Industriekomplex auf halbem Weg zwischen der Innenstadt und Belém. In den Gebäuden der ehemaligen Textilfabrik haben sich Werbeagenturen, Design- und Fotostudios, Bars, Restaurants und kleine Geschäfte angesiedelt. Eine Insel der Kreativität mit zahlreichen großflächigen Graffitis ist hier entstanden. Der morbide Charme der alten Industriegebäude machen es zu einem angesagten Treffpunkt für Einheimische und Besucher. Wir schlendern über den Flohmarkt, probieren hier und da Käse und andere Köstlichkeiten. Ein Armband mit portugiesischem „Kachelmuster“ hat es uns angetan. Wir kaufen uns beide eins.
Zur Besichtigung des Stadtteils Belem fahren wir mit dem Bus bis zur Haltestelle am Weltkulturerbe Mosteiro dos Jerónimos mit den Grabstätten von Seefahrer Vasco da Gama und Dichter Fernando Pessoa. Berühmt ist Belem aber auch für das Original Pastéis de Belém, ein kleines Cremetörtchen. Doch an der angesagten Confeitaría de Belém, ist uns die Schlange zu lang. Jeden Zweiten sieht man hier mit einer Einkaufstüte der Confeitaría rumlaufen.
Auf dem Weg zum Wehrturm laufen wir bei strahlendem Sonnenschein am Ufer des Tejo entlang. Unsere warmen Pullis haben wir wieder ausgezogen, so warm kann es im Januar sein! Als wir wegen des Hafenbeckens doch nicht bis ganz an den Turm gehen können, beschließen wir umzukehren, um nach Alfama zu gelangen. Da im Zug kein Automat zum Entwerten ist, fahren wir versehentlich wieder ohne gültigen Fahrschein. Rolf (der Antischwarzfahrer) leidet und denkt über alle möglichen Varianten nach, die eintreten könnten. Und tatsächlich … beim Rausgehen kommen wir ohne gültigen Fahrausweis nicht durch die Sperre. Nur durch die Hilfe von Einheimischen, die uns entweder fast Huckepack bzw. auf’n Arm nehmen, gelangen wir raus. Rolfs hat’s die Nerven und mir den Ellbogen malträtiert …
Mit unserer geliebten 28E geht’s weiter. In Alfama ruckelt sie die steilen Berge hinauf und die Gassen werden immer enger, trotzdem kommen uns immer mal wieder Fahrzeuge entgegen, die nun das Problem haben, rückwärts die steile und enge Gasse zu meistern, was für manche Autofahrer doch ein größeres Problem darstellt. Wir kommen zwar nicht schnell vorwärts, werden aber bestens unterhalten. Auf der Suche nach dem Miradouro da Graça verlaufen wir uns, landen an einer Baustelle, an der es nicht weitergeht und uns auch Google Maps nicht mehr hilft und wollen schon aufgeben, aber ich bleibe hartnäckig. Wir werden mit einer wunderbaren Aussicht belohnt und genießen den Sonnenuntergang mit ein paar Cervejas.
Auf dem Rückweg bummeln wir durch Alfama, der Stadtteil, der das Erdbeben 1755 heil überstanden hat. Dadurch hat dieser alte Stadtteil mit seinen verwinkelten Gassen sein ganz eigenes, ursprüngliches Flair erhalten. Dort haben wir uns auch das Restaurant für den letzten Abend ausgesucht, das Santo Antònio de Alfama. Unsere Begeisterung wurde nur durch unser Gefühl, es etwas überteuert hier zu finden, getrübt.
Am nächsten Morgen bleibt uns nur noch ein letztes leckeres Frühstück inkl. den köstlichen Pastéis de Nata, die wir vermissen werden, bevor uns der Flieger ins kalte Köln zurückbringt …