Nach dem Motto „ Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“ stürzten wir uns in das größte und folgenreichste Experiment unserer Beziehung. Dass Liebe Arbeit ist, wird auch auf Reisen so sein.
Nach unseren Erfahrungen in den ersten Monaten in Indonesien spüre ich die ersten Veränderungen. Unser Leben ist nun voller Abenteuer, Action und Herausforderungen. Und wir haben Zeit … unendlich viel Zeit. Darauf hatte ich mich auch so sehr gefreut, wo ich doch so oft am Wochenende viel zu viel gearbeitet habe, statt mich zu entspannen oder mit Rolf Fahrrad zu fahren. Je abenteuerlicher und abgelegener es wird, je mehr spüre ich, wie sehr ich Rolf brauche. Dass uns unsere Beziehung im Verlauf dieser Reise immer wichtiger wird, denn ohne den anderen, würden wir diese schwierigen und auch frustrierenden, überfordernden oder nervigen Situationen schlechter aushalten, wird immer deutlicher. Die Glücksmomente bereiten noch mehr Freude und die Frustmomente sind nur noch halb so schlimm … frei nach “Geteiltes Glück ist doppeltes Glück“.
Auch unsere Rollen werden klarer und intensiver. Wir sind Freunde und Reisepartner, aber auch Liebespartner. Dass wir uns auf den anderen verlassen können, wird überlebenswichtig. Ohne Visum am Flughafen zu stehen, würde zur Odyssee, wenn der andere es trotz Absprache nicht organisiert hat. Mit den Rollen klären sich die Aufgaben. Während Rolf der perfekte Finanzmanager ist, bin ich als Reiseleitung unentbehrlich. Wo fahren wir nochmal hin? Wie kommen wir von Hanoi nach Ninh Binh? Ist das Frühstück mit drin? Gibt es auch Wifi? Wie heißt das Hotel? Wie lange bleiben wir dort? Was machen wir eigentlich da? Diese sich wiederholenden Fragen beantworte ich immer wieder geduldig, während er mir unsere Ausgaben akribisch vor Augen führt und die Kontobewegungen im Blick behält. Ohne den anderen geht irgendwie nichts mehr. Natürlich fallen wir auch in Löcher, die unsere Stimmung runterziehen. Wenn der andere uns da wieder rausholen kann, umso besser. Außerdem ergibt es wenig Sinn, hier länger im dunklen Loch zu bleiben. Also, Kopf hoch, Krone richten und weiter geht’s.
Die anfängliche Idee, das zweite Halbjahr alleine zu reisen, da Rolf ursprünglich sich nur ein halbes Jahr beurlauben lassen wollte, haben wir glücklicherweise verworfen. Je länger wir reisen, je absurder erscheint mir diese auch. Die Vorstellung, Rolf zum Flughafen zu bringen und dort zu verabschieden, nachdem wir ein halbes Jahr unentwegt zusammen waren … nein, nein, das geht auf gar keinen Fall! Sturzbäche von Tränen würde ich vergießen … in solchen Momenten spüre ich es wieder … wie wichtig doch die Beziehung auf so einer Reise wird!
Jedes Land, jede neue Kultur stellt uns vor neue Herausforderungen. Jeder Ortswechsel erfordert, dass wir uns neu orientieren. Unsere Anpassungsfähigkeit ist extrem gefragt. Das schweißt auch die Beziehung zusammen, denn diese neuen Erlebnisse, Anforderungen und Entscheidungen, die es in dieser Art in Köln nicht gibt, gemeinsam zu bewältigen, geben uns noch mehr Kraft.
Wie wunderbar es ist, alles miteinander teilen zu können, die traumhaften sowie die schrecklichen Momente, das fürchterliche Essen in Manila oder die usselige Unterkunft in Pushkar, die farbenreichen Sonnenuntergänge auf Kei Island, die Freude der Familie auf Flores, der Kochkurs in Vietnam, Rolfs Verletzung durch Seeigel auf den Philippinen, unsere Yoga-Stunden in Goa, die anstrengende Trekkingtour in Nepal, die kalten Nächte im Annapurna-Gebiet, die nicht funktionierende Klospülung, unsere unzähligen Restaurantbesuche und so vieles mehr. Was gibt es Schöneres, als all dies mit seinem liebsten Partner zu erleben? Diese Erinnerungen sind unsere Goldmine. Wenn wir (noch) älter sind, können wir darin schwelgen und uns vor Lachen kringeln.
Damit sich jeder auf so einer Reise wohlfühlen kann, ist es gut, die Gewohnheiten des anderen zu kennen. Dass Rolf morgens beim Kaffee seine Ruhe braucht, dass ich wegen Hitzewallungen körperlichen Abstand, Fächer und ein Schweißtuch brauche, dass ihn nasse Klodeckel und mich seine schmutzigen Sandfüße nerven … Auf diese Eigenarten ist Verlass!
Natürlich streiten wir uns auch, doch das sind keine verletzenden Auseinandersetzungen. Manchmal gehen wir uns dann eine zeitlang aus dem Weg, finden am gleichen Tag auch wieder zusammen.
Selten verbringen wir Zeit getrennt voneinander. In schwierigen Situationen hilft es sehr, wenn einer die Ruhe bewahren kann. Als eingefleischte Optimistin versuche ich das Positive hervorzuheben und sorge für die Erfüllung der wichtigsten Bedürfnisse wie Essen, Bier, Wifi, Bett. Ich muss auch nicht mehr alles verstehen. Schon mal gar nicht in Indien. Das ist eh nicht möglich, ob der mangelnden Verständigungsmittel und kulturellen Unterschiede. Gleichmut …Om Shanti … alles wird gut …!
Danke, Rolf, dass wir dieses Abenteuer gemeinsam erleben durften!