Teil 1 von 2
Text Eve, Layout und ein bißchen Text Rolf
Glücklicherweise hat Rolf noch Datenvolumen, d.h. die Navigation funktioniert auch nach der Grenze noch. Der Ksamil Caravan Camping ist easy zu finden. Eine kleine Einfahrt hoch und schon begrüßt uns Alexander herzlich und weist uns einen Platz vor einer Mauer quer gestellt. Alle stehen eng beieinander, was uns nicht sonderlich stört. Unsere Stühle reichen uns hier aus. Auch seine Frau, Linda, strahlt uns an und serviert ihren göttlichen Eiskaffee. Rolf sähe aus wie Einstein und ich sei „so beautiful“. Je zwei Toiletten und Duschen gibt es für 25 Euro/Nacht. Diese sind außergewöhnlich sauber und befinden sich direkt hinter uns. An einem langen Tisch können alle Gäste gemeinsam essen, kochen, den Kühlschrank benutzen usw. Sehr familiär geht es hier zu.
Zum Abendessen gehen wir mittlerweile ganz schön hungrig in Richtung Beach, um als erstes eine SIM-Karte für unseren Router zu kaufen – er soll die digitale Schnittstelle für alle unsere Online-Geräte einschl. Carplay sein (letzteres bereitet noch Probleme). Denn sonst können wir in Albanien weder navigieren noch ins Internet. Im Vergleich zu unseren Preisen sind 29 Euro für 100 GB günstig.
Gelesen habe ich, dass der Beach von Ksamil tatsächlich zum schönsten Strand Albaniens erklärt wird (Das versehen wir mit einem Fragezeichen). Umringt von Beachbars und Restaurants, aus denen meist laute Musik dröhnt, vollgestellt mit Liegen und Sonnenschirmen, tummeln sich hier meist albanische Touristen. Frauen mit Botox-Lippen, String-Tangas und Silikonbrüsten sind nun doch kein schöner Anblick. Das „Restaurant Rilinda“ hat ein hübsches Ambiente, mit Blick auf den Strand und sehr freundliche Kellner. Meine Ravioli mit Spinat und Ricotta sowie Rolfs Lieblingsgericht „Spaghetti Vongole“, dazu ein kühles Korça-Bier sind ein Genuss.
Länger als eine Nacht bleiben wir nicht hier.
Gjirokaster – Stadt der Steine
Die Temperaturen steigen über 33 Grad, so dass wir die Fenster möglichst geschlossen halten. Nach nur 64 km erreichen wir Gjirokaster, eigentlich ein Höhepunkt jeder Albanienreise. Sie ist kulturell bedeutsam, eine der ältesten Städte Albaniens und seit 2005 Welterbe der UNESCO, immerhin auch Geburtsstadt von Albaniens ehemaligen Diktator Enver Hoxha.
Der kleine Camping Late besteht eigentlich nur aus einer Einfahrt in einen privaten Garten. Ich rufe am Hauseingang „Hallo“ und eine ältere Frau fragt mich nach der Höhe unseres Campers, da ein grün-beranktes Dach diese begrenzt. Sie versteht mich nicht. So „schreibe“ ich mit dem Finger auf den Tisch. Okay, 2,70 m gehen wohl so gerade noch. Für 15 Euro passt es für uns hier prima in diesem schattigen Garten.
Bei gefühlten 36 Grad machen wir uns auf den Weg in Richtung Altstadt, ohne zu wissen, dass diese oben auf dem Berg liegt. Steile, kopfsteinpflasterne Wege schlängeln sich steil nach oben. „Warum ist es denn hier bloß so heiß?“, frage ich mich. Die engen Gassen, die aus dunkelgrauen Kopfsteinpflaster bestehen, verleihen dieser Stadt eine geheimnisvollen Ausstrahlung, heizen sie aber auch enorm auf. Die Dächer sind mit Steinplatten bedeckt, die die Innenräume im Sommer schön kühlen. Rund um den Bazar tummeln sich den Touristen vor den Souvenir-Shops.
Mein Fächer mitsamt Schwitztuch ist voll im Einsatz. In der nächsten Bar frage ich nach Wasser und Eiswürfel. Selbst auf die mystisch wirkende Burg bekommt uns heute niemand mehr. Letztlich haben wir unter diesen Bedingungen keine Lust mehr auf kulturelle Sehenswürdigkeiten. Schweißnass kommen wir an unserem Stellplatz an. Ein VW-Bus aus der Schweiz steht hinter uns. Die Beiden gehen klugerweise erst spät am Nachmittag in die Altstadt. Den Abend verbringen wir mit den Beiden, die schon mehrfach in Albanien waren.
Wie sieht wohl ein klassisches albanisches Frühstück aus? Wir lassen uns mal von unserem Gastgeber überraschen. Er serviert uns neben Würstchen, Eiern, Tomaten, Gurke und Schafskäse, Brot und Honigmelone auch den türkischen Kaffee.
Vjosa – letzter wilder Strom Europas
Die beiden Schweizer haben uns so begeistert vom Vjosa-Tal berichtet, so dass wir gar nicht anders können, als hin zu fahren.
Über die SH4 fahren wir nach Tepelena. Hier fließt die Vjosa in den Drino, der hier durch das Tal von Gjirokaster herabfliesst. Die Strasse folgt weiter dem Vjosa Tal durchs Hügelland, wo er die tiefe Këlcyra-Schlucht passiert. Von der Straße aus sehe ich zahlreiche schöne Badestellen. Weil eine Muräne in den Fluss gerutscht ist, schimmert er zur Zeit nicht blau, sondern eher grau-braun. Unterwegs in Permet versuchen wir an albanische LEK zu kommen, doch die Gebühren zwischen 7 und 8 Euro halten uns davon ab. Wie biegen ab in Richtung Benje, an der Lengarica, ein Zufluss der Vjosa, entlang bis es rechts hinunter geht – natürlich schottrig und steil.
Zu Hause hatte ich in einer Dokumentation über die Vjosa erfahren, dass sie als einer der letzten Wildflüsse Europas von der albanischen Regierung seit 2023 nach einem langen Kampf zwischen Naturschützern und Investoren zum Nationalpark erklärt worden ist. Geplant waren über 40 Kraftwerke, um den Energiebedarf insbesondere der Küstenregion zu decken. Doch nun kann sich der Fluss seinen Weg selbst suchen und Tieren und Pflanzen eine intakte Umwelt bieten. Auch die Lengarica-Schlucht mit ihren heißen Quellen ist eine ungewöhnliche und einzigartige Attraktion in Albanien.
Der Camping Rafting Restaurant “Mulliri i Bënjës“ liegt direkt an der Lengarica, ein Zufluss zur Vjosa, und gefällt uns auf Anhieb. So naturbelassen, einfach und kreativ erinnert er mich sehr an die Ardéche in Frankreich. Mir ist es mal wieder bei 36 Grad zu heiß und Rolf lockt mich alsbald in den Fluss. Super Idee, denn meine Lebensgeister werden wieder geweckt und meine Laune auch. Im Fluss sitzend habe ich Spaß.



Einen Griechischen Salat am Nachmittag, kalt duschen und mit den Nachbarn aus Holland und Österreich quatschen. „Darf ich mal in euren Camper schauen?“, fragen unsere Nachbar. Und schon geht es wieder los …
Abends im Restaurant essen wir leckere Fritten, Kaçkavall, gelber gegrillter Käse, trinken Korça-Bier und sind happy hier zu sein.
Rafting-Tour
Gestern hat man uns angesprochen, ob wir keine Lust auf eine Rafting-Tour hätten. Eve ist sofort Feuer und Flamme. Ein gelber, ehemaliger schon in die Jahre gekommener Ford-Transit (lustigerweise weisen die Aufkleber noch auf seine Vergangenheit als Taxi aus Düren hin) steht zum Transport zur Einstiegsstelle bereit. Das Rafting-Boot wird ohne Träger auf‘s Dach geschnallt und schon geht die rappelige Tour los.
Zur Einstiegsstelle am Fluss geht‘s über einen Schotterweg, der eigentlich als Offroad-Piste definiert werden müsste. Nach einer Mini-Einweisung mit den drei Signalen „Forward-Backward-Stopp“ geht‘s auch schon los – ich muss vorne hin, die Wellen freuen sich schon auf mich. Der Vjosa führt nicht so viel Wasser, das bedeutet dann schon ein etwas entspannteres Raften – Eve ist sehr zufrieden. Ich hätte es gerne etwas spektakulärer …
Die Stromschnellen schaukeln uns wie ein Karussell hoch und runter, von rechts nach links, gegen die Felswand und zurück, aber wir haben einen souveränen Guide, der uns geschickt durch die Felsbrocken manövriert. Das Wasser spitzt immer wieder hoch ins Boot. Was für ein Spaß! Und dann noch diese Kulisse von sehr rauhen Gesteinsplatten. Eine Stromschnelle hat es besonders in sich. Wir sollen in die Fußschlaufen und die Kommandos werden lauter. Den einen oder anderen haut‘s vom Sitz, aber wir überleben. Offensichtlich hat sie einen Teilnehmer aus einem vorderen Boot herauskatapultiert. Das verlorene Paddel sammeln wir ein. Zur Belohnung wird von einem Kollegen von einer Brücke ein Tüte mit Eiskrem heruntergelassen, die wir geschickt abreißen – köstlich.Nach zwei Stunden hat diese abenteuerliche Tour ein Ende. Noch ein Gruppenfoto und wir sind super happy und zufrieden.



Canyon-Tour
Der heutige Plan sieht eine kleine Radtour zur Ura e Kadiut Brücke, ein antikes Denkmal aus dem Jahre 1700 mit einer anschließenden Wanderung in den Canyon der Lengarica. Entlang dieses Flusses finden sich zwar einige kleine Thermalbecken, aber heute ist Samstag, Wochenende und die Albaner*innen haben keinen Vertrag damit, sich in solche Becken noch hineinzuquetschen – also nix für uns.
Wir sind zwar früh auf Achse, aber der Andrang an der Brücke und den umliegenden Becken ist groß. Also schnell ein paar Bilder von der Brücke und dann ab in den Canyon.
Doch dann tut sich eine Hürde auf. Der Canyon verlangt immer wieder eine Querung des zwar wasserarmen Flusses, aber es geht dabei immer über wackelige Flusssteine und trübes Wasser mit schlammigen Untergrund, die nicht erkennen lässt, wohin wir treten.
Und das ist für Eve doch eine große Herausforderung (dafür gibt es einige Gründe). Sie hat zwar ihre Wanderstöcke dabei, aber die Anspannung ist groß, bloß keinen Fehltritt zu tätigen. Es geht nur langsam voran. Aber mit meiner Unterstützung bekommen wir es hin.
Die Schlucht wird immer enger, die Aussicht immer spektakulärer – die Herausforderung ebenfalls. Aber sie bekommt es hin – und ist glücklich. Nach einer Stunde beschließen wir trotzdem, wieder den Rückweg anzutreten – die Anspannung lässt etwas nach. Und angekommen an der Brücke, die wir auch noch überqueren (so schmal ohne Geländer und rutschigen antiken Steinen auch nicht ohne) nehmen wir uns glücklich in die Arme.



