Archiv für den Monat: April 2018

Recycling in Dharavi

Do., 05.04.2018

Nach einer kühlen Air-Con-Nacht und einem reichhaltigen Frühstück steht unser Guide schon bereit für unsere private Tour Wir steigen zu unserem Fahrer ins Auto und los geht’s. Während der Fahrt erklärt unser Guide uns die Geschichte Mumbais und unsere anstehenden Stationen. Zuerst stoppten wir am Victoria Station, der täglich von über 2,5 Mill. Menschen genutzt wird und architektonisch aussieht wie ein Bahnhof in London. Innen gleicht er einer Kirche. Die Menschenmassen schlängeln sich wie Ameisen dadurch. Nach dem Crawford Markt geht es nach Dhobi Ghat, dem größten Waschsalon der Welt. Hier werden Hemden, Hosen, Handtücher, Bettlaken, Kopfkissen, Unterwäsche, einfach alles mit bloßen Händen gewaschen. Ich beobachte einen Mann, nur in Shorts bekleidet, im taubengrauen Wasser eines zwei mal zwei Meter großen Wasserbeckens aus Beton. Immer wieder schlägt er ein Bettlaken auf den Stein. Die meisten der Wäscher am Dhobi Ghat kommen aus dem nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh. Mehr als 5000 Männer arbeiten an den 826 Becken und reinigen die Wäsche für Hotels, Restaurants, Krankenhäuser und Privathaushalte.

Auf dem Weg zum größten Slum Mumbais klärt unser Guide uns über die Entwicklung der Slums in Mumbai und über die Entstehung von Dharavi auf. Unser Touranbieter „Reality Tours and Travel“ bietet Führungen durch diesen Slum an und finanziert mit 80% des Umsatzes eine Schule in Dharavi. Unser Guide, der selbst aus diesem Viertel stammt, führt uns durch die verwinkelten Gassen des Slums. Er erklärt, dass in Dharavi jährlich rund 700 Millionen Euro mit Handel, Handwerk und Dienstleistungen umgesetzt werden. Wir sind gespannt, verlassen das Auto am Rand des Viertels und tauchen ein in das Gewirr der Gassen, indem wir uns durch einen Spalt zwischen zwei Hütten schieben. Bisher riecht es wie überall in Mumbai, der Megastadt von 20 Millionen Menschen: nach heißer verbrauchter Luft, Urin und Müll. Endlich mal kein Gehupe, etwas mehr Stille. Unter dem schmalen Weg führt eine Abwasserrinne hindurch, ein paar Betonplatten liegen lose darauf. Wir balancieren über die Platten auf den Matschwegen. Zum Glück haben wir unsere Sportschuhe an. Unser Guide führt uns vorbei an Bäckereien, die für ganz Mumbai backen, und Werkstätten, in denen Leder gegerbt und zu Taschen vernäht wird. Überall wird gehämmert, gesägt, geschraubt, gewaschen. Immer wieder sehen wir riesige Mengen Plastikmüll, die gereinigt, geschreddert, auf den Dächern getrocknet und zu Pellets eingeschmolzen werden, häufig unter gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen. Einmal klettern wir auf Stahlleitern nach oben auf ein Dach und haben ein Blick über die Dächer des Slums. In den kleinen Hütten stehen Männer, umnebelt von Staub und Rauch, ihre Oberkörper sind rußig und verschwitzt, um die Leibesmitte tragen sie das traditionelle Hüfttuch, den lunghi. In einem Brennofen schmelzen sie irgendetwas, was recycelt wird. Das sind so unglaubliche Arbeitsbedingungen!

„In Dharavi wohnen rund eine Million Menschen. Hier arbeiten viele Männer aus dem Norden. Sie bleiben ca. 9 Monate hier. Während des Monsuns fahren sie zu ihren Familien“, sagt unser Guide, „weil sie kein Geld für die Miete haben, schlafen sie oft in den Werkstätten.“ Dass wir Mumbais Realität ein so großes Stück näher gekommen sind, spüren wir beide sehr. Wir gehen zu der Schule, sehen die Klassenräume und die Ausstattung mit Computern, die von seinem Arbeitgeber Reality Tours and Travel finanziert worden sind. Zum Schluss in dem Büro, wo wir unseren Schweiß trocknen und Wasser trinken können, hängen die Auszeichnungen für sozial verantwortlichen Tourismus.
Natürlich haben wir vorher überlegt, ob wir so eine Tour überhaupt machen können. Jetzt können wir dies nur bestätigen und sind froh darüber, einen Beitrag dazu geleistet zu haben.
„Insgesamt“, erklärt unser Guide „gibt es Projekte, die Slumhütten abzureißen und (teilweise) durch soziale Wohnungsbauten zu ersetzen. Doch dies ist für die meisten Slumbewohner keine gute Alternative, da ihnen ihre Gemeinschaft in diesen anonymen Hochhäuser abhanden kommt.“

Bicycle Tour durch Mumbai

Fr., 06.04.2018- ein Beitrag von Angela

Nach unseren intensiven und beeindruckenden Erlebnissen klingelt der Wecker sehr früh am nächsten Morgen um 5.20 Uhr. Wir sind zu einer Bicycletour angemeldet durch das erwachende Mumbai, Start 6.15 und wir laufen zum Treffpunkt. Wie viele Menschen in ihrem Stand und gar auf der Straße schlafen. Eine fünfköpfige Familie rührt uns, das Paar liegt beieinander und er hat zärtlich seinen Arm um sie gelegt und das Kleinste liegt frei der Welt anvertraut fast am Rand des Gehwegs auf dem Rücken. Die Räder stehen bereit, für große Menschen wie Eve natürlich eher zu klein, und los geht’s, fahren in der frühen Morgenluft ist ein schönes Erlebnis und in der Gruppe in dem sich langsam ansteigendem Verkehr fühlen wir uns sicher und treten in die Pedalen. Wir fahren aber auch beide täglich zu Hause und sind so in Achtsamkeit und Ausweichen trainiert.

Und ausweichen müssen wir: Ampelfarben scheinen eher Dekoration, Mopeds und Roller passen fast immer überall noch durch, Schulkinder warten in Trauben auf den Bus, heilige Kühe stehen in Seelenruhe am Straßenrand und werden mit gekauftem Gras gefüttert. Obwohl ständig gehupt wird, ist das Fahrverhalten nie aggressiv, alle achten ein bisschen aufeinander und dann passt das schon.
Erste Station ist das Gateway of India, das kennen wir ja schon. Die nächsten beiden Stationen, Victoria Station und Crawford Market, sind uns auch schon bekannt. Allerdings werden wir dieses Mal auch in die Fleischabteilung geführt, für meinen nüchternen Magen um diese frühe Uhrzeit zu viel, ich lasse das einfach aus und warte auf die anderen.

Weiter geht es, auf eine kleinere Straße, auf der schon einige ihre Stände betreiben oder einrichten. Auf der Straße beobachten wir einen Mann, der knieend hingebungsvoll fegt und anschließend den Dreck genau sortiert. Er entfernt zunächst minutiös alle Plastik- und Papierteile und fegt abschließend den verbliebenen Dreck in eine Extratüte.
Wir kommen nun zu einem unserer Highlights, einem Cha-Straßenstand: Ritualisierte Abläufe lassen ein köstliches Getränk entstehen. Zunächst wird kraftvoll Ingwer gestampft, dann auf beeindruckend großer Gasflamme mit Milch, Zucker, schwarzem Tee und Wasser aufgekocht, dabei wird mit der Kelle immer wieder der dunkle Satz vom Rand gelöst, abgeschöpft und durch ein Tuch gewrungen serviert und dann geht es wieder los.

Weiter geht es zu Fuß durch eine enge Blumengasse mit Körben voller duftende Blüten und wunderbar arrangierten Blumenketten zum Tempel. Die Farben-und Duftpracht ist berauschend. Unsere nächste Station ist die Cowshelter. Wir wissen es schon: Kühe zu füttern ist eine gute Tat, wer gibt, dem wird gegeben. Das gilt auch für alle anderen Tiere und Lebewesen, Kühe sind besonders sanft, ruhig und friedlich. Aber auch die Tauben auf dem Gelände haben mehr Futter als sie je picken können, da freuen sich bestimmt auch die Mäuse und in dritter Reihe wohl die Katzen. Nun strampeln wir im anschwellendem Verkehr ein gutes Stück zum Marine Drive, angeblich dem romantischsten Ort Mumbais. Nachts ist die Kulisse sicher schön, sie wird mit einer königlichen Halskette verglichen, wir würden uns etwas mehr Privatsphäre für einen romantischen Ort wünschen, aber wir ticken ja auch anders. Letzte Station ist der Fischmarkt, unglaublich, auch der Geruch und durch was wir da so durchgelaufen sind, unsere Turnschuhe gehören zu Hause in die Waschmaschine. Aber dafür werden die ganzen Shrimps und Prawns auch nicht irgendwohin verklappt, sondern an Ort und Stelle gepult. Ein reichhaltiges veganes Frühstück, Masala Dosa, beendet die lohnenswerte Tour. Ein dünner Crepes aus Linsen- und Reisteig mit einem Klecks Stampfkartoffeln und Kokos-Chutney und Tomatensuppe schmeckt ganz wunderbar und sättigt. Zurück im Hotel erholen wir uns mit duschen und einem kleinen Schläfchen. Nach dem Auschecken genießen wir die kühle, ruhige Hotelhalle und schreiben miteinander diesen ausführlichen Blog. Danach geht es noch einmal ins bunte Treiben und dann nach Hause.

Masala Omelett im Chai-Shop und Markt in Chaudi

Mi., 28.03.-So., 01.04.2018, Patnem Beach

Der Patnem Chai Shop an der Straße nach Chaudi ist so typisch indisch wuselig und bestimmt schon seit 50 Jahren in diesem Hüttchen, lange bevor hier Touristen die Strände erobert haben. Zu bestimmten Zeiten stehen die Locals dort Schlange, um sich mit köstlichen Chai, Masala Omelett, Samosas, Banana-Bread, Bhaji und Keksen zu versorgen. Gabriella trifft wie immer einen Bekannten, diesmal ist es Keith mit seiner Freundin, die gestern erst angereist ist, was man an ihrer rot gefleckten Haut unschwer erkennen kann. Im hinteren Küchenraum finden wir einen Platz auf einer Bank. Während Gabriella als Stammkundin nur noch „The same as every day“ bestellen kann, gehe ich nach vorne zum Bestell-Man, der jede Order in einen Notizblock notiert. Das Masala-Omelett schmeckt mit dem frischen Koriander wirklich vorzüglich. Die Linsensuppe (Bhaji), die in Puppengeschirr auf einem voll geschlabberten Tablett viel zu voll serviert wird und das Banana-Bread sind ebenso köstlich. Dem Kommen und Gehen und dem Besitzer bei der Arbeit zuzuschauen ist ein Augenschmaus sondergleichen. Mit seinem Gips-Arm rührt er die Eier an und serviert als wäre es das Normalste der Welt. Als ich zum Schluss für uns Drei samt Chai keine drei Euro bezahle, kann ich es kaum glauben.

Mit dem Tuktuk düsen wir nach Chaudi zum Markt. Die bunten Farben der Kleider, Gewürze und Früchte ziehen uns magisch an, so dass wir unentwegt Fotos und Filme machen. Zum Glück kann man ja noch nicht den Fischgestank auf Fotos riechen. In der Sonne ist es so heiß, dass ich in den Schatten flüchte, während Gabriella und Angela sich am Kleiderstand austoben. Die überdachten Stände für Obst und Gemüse wirken durch die gelben Planen in einem besonders schönem Licht. Es ist laut und heiß, bunt und schmuddelig…wir staunen und probieren von Früchten, die wir nicht kennen und versuchen uns nicht zu verlieren. An einem ATM nutzen wir die Gunst der Stunde und decken uns mit reichlich Bargeld ein. Beim Überqueren der wuseligen Hauptstraße in Chaudi sind Angela und ich noch nicht so cool und geübt wie Gabriella, so dass wir länger dort am Rand stehen und auf eine passende Lücke warten, während Kühe in dem Straßengewirr mit einer stoischen Ruhe daher trotten. Da Gabriella noch zum Zahnarzt nach Palolem fährt, düsen wir allein mit dem Tuktuk zurück.