Archiv für den Monat: Mai 2019

Vom Glück als Paar zu reisen

Nach dem Motto „ Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“ stürzten wir uns in das größte und folgenreichste Experiment unserer Beziehung. Dass Liebe Arbeit ist, wird auch auf Reisen so sein.

Nach unseren Erfahrungen in den ersten Monaten in Indonesien spüre ich die ersten Veränderungen. Unser Leben ist nun voller Abenteuer, Action und Herausforderungen. Und wir haben Zeit … unendlich viel Zeit. Darauf hatte ich mich auch so sehr gefreut, wo ich doch so oft am Wochenende viel zu viel gearbeitet habe, statt mich zu entspannen oder mit Rolf  Fahrrad zu fahren. Je abenteuerlicher und abgelegener es wird, je mehr spüre ich, wie sehr ich Rolf brauche. Dass uns unsere Beziehung im Verlauf dieser Reise immer wichtiger wird, denn ohne den anderen, würden wir diese schwierigen und auch frustrierenden, überfordernden oder nervigen Situationen schlechter aushalten, wird immer deutlicher. Die Glücksmomente bereiten noch mehr Freude und die Frustmomente sind nur noch halb so schlimm … frei nach “Geteiltes Glück ist doppeltes Glück“.

Indonesien, Kei Islands,Yoga am Strand.

Auch unsere Rollen werden klarer und intensiver. Wir sind Freunde und Reisepartner, aber auch Liebespartner. Dass wir uns auf den anderen verlassen können, wird überlebenswichtig. Ohne Visum am Flughafen zu stehen, würde zur Odyssee, wenn der andere es trotz Absprache nicht organisiert hat. Mit den Rollen klären sich die Aufgaben. Während Rolf der perfekte Finanzmanager ist, bin ich als Reiseleitung unentbehrlich. Wo fahren wir nochmal hin? Wie kommen wir von Hanoi nach Ninh Binh? Ist das Frühstück mit drin? Gibt es auch Wifi? Wie heißt das Hotel? Wie lange bleiben wir dort? Was machen wir eigentlich da? Diese sich wiederholenden Fragen beantworte ich immer wieder geduldig, während er mir unsere Ausgaben akribisch vor Augen führt und die Kontobewegungen im Blick behält. Ohne den anderen geht irgendwie nichts mehr. Natürlich fallen wir auch in Löcher, die unsere Stimmung runterziehen. Wenn der andere uns da wieder rausholen kann, umso besser. Außerdem ergibt es wenig Sinn, hier länger im dunklen Loch zu bleiben. Also, Kopf hoch, Krone richten und weiter geht’s.

Die anfängliche Idee, das zweite Halbjahr alleine zu reisen, da Rolf ursprünglich sich nur ein halbes Jahr beurlauben lassen wollte, haben wir glücklicherweise verworfen. Je länger wir reisen, je absurder erscheint mir diese auch. Die Vorstellung, Rolf zum Flughafen zu bringen und dort zu verabschieden, nachdem wir ein halbes Jahr unentwegt zusammen waren … nein, nein, das geht auf gar keinen Fall! Sturzbäche von Tränen würde ich vergießen … in solchen Momenten spüre ich es wieder … wie wichtig doch die Beziehung auf so einer Reise wird!

Jedes Land, jede neue Kultur stellt uns vor neue Herausforderungen. Jeder Ortswechsel erfordert, dass wir uns neu orientieren. Unsere Anpassungsfähigkeit ist extrem gefragt. Das schweißt auch die Beziehung zusammen, denn diese neuen Erlebnisse, Anforderungen und Entscheidungen, die es in dieser Art in Köln nicht gibt, gemeinsam zu bewältigen, geben uns noch mehr Kraft.

Vietnam, Kochkurs in Hanoi.

Wie wunderbar es ist, alles miteinander teilen zu können, die traumhaften sowie die schrecklichen Momente, das fürchterliche Essen in Manila oder die usselige Unterkunft in Pushkar, die farbenreichen  Sonnenuntergänge auf Kei Island, die Freude der Familie auf Flores, der Kochkurs in Vietnam, Rolfs Verletzung durch Seeigel auf den Philippinen, unsere Yoga-Stunden in Goa, die anstrengende Trekkingtour in Nepal, die kalten Nächte im Annapurna-Gebiet, die nicht funktionierende Klospülung, unsere unzähligen Restaurantbesuche und so vieles mehr. Was gibt es Schöneres, als all dies mit seinem liebsten Partner zu erleben? Diese Erinnerungen sind unsere Goldmine. Wenn wir (noch) älter sind, können wir darin schwelgen und uns vor Lachen kringeln.

Damit sich jeder auf so einer Reise wohlfühlen kann, ist es gut, die Gewohnheiten des anderen zu kennen. Dass Rolf morgens beim Kaffee seine Ruhe braucht, dass ich wegen Hitzewallungen körperlichen Abstand, Fächer und ein Schweißtuch brauche, dass ihn nasse Klodeckel und mich seine schmutzigen Sandfüße nerven … Auf diese Eigenarten ist Verlass!

Philippinen, Kontakt mit einem Diadem-Seeigel, 80 Stiche in einer Hand.
Philippinen, Unterwegs mit TAO-Philippines auf Palawan.

Natürlich streiten wir uns auch, doch das sind keine verletzenden Auseinandersetzungen. Manchmal gehen wir uns dann eine zeitlang aus dem Weg, finden am gleichen Tag auch wieder zusammen.

Selten verbringen wir Zeit getrennt voneinander. In schwierigen Situationen hilft es sehr, wenn einer die Ruhe bewahren kann. Als eingefleischte Optimistin versuche ich das Positive hervorzuheben und sorge für die Erfüllung der wichtigsten Bedürfnisse wie Essen, Bier, Wifi, Bett. Ich muss auch nicht mehr alles verstehen. Schon mal gar nicht in Indien. Das ist eh nicht möglich, ob der mangelnden Verständigungsmittel und kulturellen Unterschiede. Gleichmut …Om Shanti … alles wird gut …!

Danke, Rolf, dass wir dieses Abenteuer gemeinsam erleben durften!
Indonesien: Kei Islands I.
Indonesien: Kei Islands II.
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Marokko – nicht immer ein Traum aus 1001 Nacht

Unsere Vorfreude ist groß, denn hier wollen wir eintauchen in das wahre marokkanische Leben. In unsere Phantasie essen wir köstliche Tajine, schlendern durch das Gassenwirrwarr in der Medina, sehen Handwerkern bei der Arbeit zu, schreiten durch palastähnliche Tore, trinken köstlichen Kaffee und manchmal auch Wein oder Bier. Um so bitterer holt uns die Realität ein. 

In Casablanca landen wir nach zwei langen Flügen. Unser Hotel Central, das ganz nach unterem Geschmack ist, liegt in der Altstadt nah zum Bahnhof. Als unsere Gastgeberin uns am Abend „Rick´s Café“ empfiehlt, ahnen wir noch nicht den Berühmtheitsgrad dieser Location. Ohne Reservierung bietet der Kellner den Billardtisch zum Essen an. Nicht sonderlich gemütlich, da für die Beine kaum Platz ist. Anhand der Bilder und des laufenden Films wird deutlich, dass es sich hier um einen Nachbau der in dem Filmklassiker Casablanca nachgebauten Bar handelt. Entsprechend sind auch die Preise. Nichts wie raus! Auf dem kleinen Platz erzählt uns der Orangensaftverkäufer, dass Ramadan sei. Oh … ah … das haut uns jetzt um! Niemals hätten wir daran gedacht, nachzuschauen, wann Ramadan ist. Na ja, wird doch für uns Nicht-Muslime wohl nicht so schlimm sein, außerdem sind wir nicht zum ersten Mal während des Ramadans unterwegs. Wenn die Muslime tagsüber nichts essen und trinken, heißt das doch bestimmt nicht, dass wir auch fasten müssen.

Frohen Mutes suchen wir eine weitere Empfehlung, eine Tapas Bar auf, die vorzügliche Tapas mit Weißwein serviert. Na also, geht doch! Doch in diesem Moment ahnen wir noch nicht, dass dies eine Ausnahmeerscheinung sein wird.

Die erste Ramadan-Begegnung erfahren wir am nächsten Vormittag im Einkaufszentrum. Bei Decathlon, wo wir noch T-Shirts kaufen möchten, wird erst um 11 Uhr geöffnet – also warten.

Immerhin klappt die anschließende einstündige Zugfahrt nach Rabat wie am Schnürchen. 

Rabat – die erste Königsstadt

Die Verhandlungen mit den Taxifahrern, die jedes Mal aufs Neue einen überhöhten Preis verlangen, beginnen uns zu nerven – Reisemüdigkeit stellt sich langsam ein. Da das Riad Marlinea Hotel in der Medina von Salé schwierig zu finden ist, bringt der Taxifahrer uns durch die schmalen Gassen und ich versuche mir den Weg zu merken. Der wunderschön in warmen Farben behaltende Innenhof mit Tischen und Sofas mit dunkelrotem Samtstoff und bunten Glasfenstern überrascht uns, denn von außen ist nichts davon zu sehen. Schön kühl ist es drinnen, während draußen die Hitze mit 30 Grad knallt. Unser Zimmer auf der dritten Etage mit Terrasse ist ist heller als die anderen Zimmer. 

Abends in der Medina

Wir haben Hunger und ahnen, dass es schwierig wird, etwas zu finden. So laufen wir los und werden schon bald das erste Mal Opfer eines falschen Guides, der uns erst in die Moschee und dann zu einem Fischrestaurant bringen will. Zuerst laufen wir noch naiv hinterher. Er labert uns geschickt zu, führt uns aus der Medina hinaus, über ein Feld Richtung Meer. Im Grunde wollen wir auf die andere Seite des Flusses zur Altstadt. Mit Rolf spricht er etwas auf französisch, ich verstehe nichts. Ich möchte umkehren. Ohne Schatten auch viel zu heiß hier. Dieser Typ gefällt uns nicht. Endlich stoppt Rolf ihn. Der selbsternannte Guide wird regelrecht motzig, als wir nicht in sein Restaurant wollen. Uns reicht es, wir verabschieden uns, er wird noch frecher und will 10 Euro für seine Führung haben! Mit 5 Euro gibt er sich nicht zufrieden – muss er aber. Entsetzt laufen wir zur Marina, können es nicht fassen, dass wir so schnell auf diesen Typ reingefallen sind – wo wir doch erfahren sind ;-). Nun beginnt die Odyssee nach einem geöffneten Restaurant. Mit knurrendem Magen zu suchen, verdirbt bekanntlich die Stimmung. Das von mir ausgesuchte Restaurant hat geschlossen, die nächsten Zwei auch. In dem Dritten bekommen wir zwar langweilige Pasta, werden aber satt. Alleine in einem Restaurant zu sein, gefällt uns gar nicht. Auch die hungrigen, herumstehenden und gelangweilt wirkenden Kellner tragen nicht zur Aufhellung bei. Ob das nun so weiter geht? Immerhin geht Ramadan noch bis zum 04. Juni, das wären noch drei Wochen. Puh, das kann hart werden. Ein Plan muss her, wie wir tagsüber an Essbares kommen. Im BIM-Supermarkt decken wir uns mit Dosenfisch, Frischkäse, Wasser und Bananen ein. Ab jetzt belege ich nach jedem Frühstück das restliche Brot mit Käse, damit wir tagsüber durchhalten. 

Laut Wettervorhersage werden die nächsten Tage bis Donnerstag sehr heiß, d.h. bis 39 Grad in Meknes. 

Um in die blaue Medina von Rabat zu kommen, laufen wir zu der Anlegestelle in Salé und setzen für 1€ mit dem Bötchen auf die andere Seite, laufen den Berg hoch zur Kasbah des Oudayas, ein abgetrenntes Areal nordöstlich der Medina. Ohne Schweißtuch und Dächer geht heute nichts. 

Die blaue Medina

An dem berühmten Stadttor Bab al Kebir laufen wir erst vorbei. Dieses blaue Viertel hier auf der Anhöhe ist mit seinen blau-weiß getünchten Häusern und kleinen Gassen sehr malerisch. Wir fotografieren enge weiße Gassen, die unterschiedlichen Blautöne an den Häuserwänden, die Türen mit ihrer blauen Patina und gelangen schließlich auf eine großen Platz mit einem herrlichen Ausblick auf den Atlantik, das gegenüberliegenden Salé, den Friedhof, den Strand und den Fluss. Der Wind pfeift hier ordentlich frisch, so dass wir bald weiterziehen.

In der eigentlichen Medina von Rabat laufen wir anfangs durch eher leblose Gassen, die insgesamt sauberer wirken als drüben in Salé. Rolf fragt mich schon etwas ungeduldig: „Kommt da noch was?“ Ja und tatsächlich kommen wir zu der Markt- und Ladenstraße, die voller Menschen ist. Obst und Gemüse, Minze und Petersilie werden gestapelt dargeboten. Immer wieder Orangen und Orangensaft.  Männer mit großen Karren quetschen sich durch die wuselige Menschenmenge. Auch Fisch und Teigfladen werden verkauft. Doch niemand isst es etwas. Wir wuseln uns durch die Menge bis zum südlichen Tor, wo wir mittlerweile sehr hungrig tatsächlich ein geöffnetes Restaurant finden. Unsere erste Tajine „Hühnchen in Zitrone“ für nur 55 MAD/5,50€ schmeckt prima. Unsere müden Füße können sich hier etwas erholen. Außer uns, ist noch ein Europäer hier. Diese ausgestorbenen Restaurants sind ein Trauerspiel. 

Als wir auf dem Rückweg in Salé ein Eis essen, hört Rolf ein paar junge Frauen entsetzt „Ramadan“, an uns gerichtet, rufen. Das sollten wir uns also auch besser verkneifen, schließen wir daraus. Doch warum müssen Nicht-Muslime auch fasten? Es wird immer schwieriger. Am Abend auf der Dachterrasse kommt ein Spanier mit einer Bierdose. Er scheint Rolfs Mimik richtig zu interpretieren, denn kurz darauf holt er eine eiskaltes Bier für ihn. Wow, was für eine Überraschung! Er habe sein Bier aus Spanien mitgebracht hat. Klar, woher auch sonst!

 Da die Außentemperatur mittlerweile ein unerträgliches Maß erreicht hat, flüchten wir uns am nächsten Nachmittag bei 37 Grad in das Museum für moderne Kunst. In gekühlten Räumen sind Werke von sehr berühmten Impressionisten wie Monet, Sisley usw. ausgestellt. Die marokkanische Kunst im ersten Stockwerk kommt mir etwas zu kurz. Als wir Hunger verspüren, hoffe ich sehr, dass das Café „7 Art“, das ich wohlweislich vorher ausgesucht habe, geöffnet hat. Die Straßen sind menschenleer, Geschäfte und Cafes geschlossen. Vor dem Café sitzen Einheimische an den leeren Tischen und vertreiben sich die Zeit bis zum Sonnenuntergang um 19:30 Uhr. Überall Menschen vor leeren Tischen. Wir sind mittlerweile vom Ramadan sehr genervt. Vor 20 Uhr tut sich hier nichts.

Im Loose wird dieses Café als eins der schönsten in Rabat beschrieben. Doch Rolfs Enttäuschung macht sich mit einem „Das ist doch wohl der letzte Scheiß hier“ Luft. Die Pizza, die wir beide nicht aufessen, verdient ihren Namen nicht. Doch darum geht’s hier auch nicht mehr! Auch ein Vater mit einem Jungen von ca. 5-6 Jahren setzt sich an einen freien Tisch, ohne etwas zu bestellen. Der Junge schaut sich zwar die Speisekarte intensiv an, bekommt jedoch nichts. Während wir den Orangensaft trinken, schaut er mich sehnsüchtig an. Darf das Kind nun auch nichts trinken? Und das bei dieser Hitze? Ich kann es kaum mitansehen. Wir trinken Orangensaft, das Kind nichts, der Vater nichts, das Pärchen am Nebentisch auch nichts. Sie spielen Karten, die anderen mit ihrem Handy. Von Lebensfreude und Genuss ist das hier weit entfernt. Irgendwie überträgt sich diese Stimmung langsam auch auf uns. Auch wir haben keine Freude mehr daran und müssen sehr achtsam sein, dass wir uns nicht auch noch anblöken, denn wir werden immer gereizter. 

Meknès – die zweite und kleinste Königsstadt

Am Bahnhof von Meknes trifft uns bei der Ankunft der Hitzschlag … pure 39 Grad im Schatten … die Schweißdrüsen arbeiten auf Hochtouren. Das übliche Procedere: mit dem Taxifahrer verhandeln, unsere Unterkunft, das Riad Fellloussia in der Medina suchen und finden. Leider riecht es muffig und dunkel. Dafür ist es angenehm kühl. Unsere Brotration rettet uns über den Tag. Obwohl es unerträglich heiß ist, wage ich mich raus in die verwinkelten der Medina bis zu dem großen Platz, der heiß wie eine Bratpfanne danieder liegt. In den etwas verwahrlosten Restaurants seitlich des Platzes kämpfen die Kellner um jeden Gast. Jeder hält mir die Speisekarte unter die Nase. Doch ich möchte nur trinken … und zwar ein eiskaltes Bier … hier und jetzt. Okay, verspricht einer der Kellern und lockt mich unter den Sonnenschirm, wo kein Windchen mehr geht. Während mein Po auf dem wackeligen Stuhl  festzukleben scheint, bringt er mir ein „Casablanca Bier“. Ist das jetzt wahr oder nur ein Scherz? Aha, noch nie gehört. Die Farbe sieht schon mal nach Bier aus! Während ich Rolf schon per WhatsApp über meinen freudigen Fund informiere, merke ich beim ersten Schluck, dass es wie sprudelnder Apfelsaft schmeckt. Hätte ich mir doch denken können! 

Der Innenhof eines Riad

Gemeinsam schlendern wir durch den schattigen und kühleren Souk (Bezeichnung für ein Geschäftsviertel in einer arabischen Stadt) und beobachten die betriebsame Szenerie. Obst- und Gemüseverkäufer bieten in den engen Gassen ihre Waren an. Wurstringe und Fleischstücke hängen an Stäben, ein lebendig aussehender Kamelkopf gleich daneben, Pansen, Milz, Herz und weitere Innereien liegen ausgebreitet auf den Thekenbrettern und werden von Fliegen besiedelt. Der Metzger zerlegt mit der Axt weitere Knochen und ich wechsele die Seite. Auch Fisch in allen Größen wird bei diesen Temperaturen – oft ist das Eis schon geschmolzen – dargeboten. Bei einem Antiquitätenhändler kehren wir ein und halten ein kleines Schwätzchen, denn er spricht deutsch. Taschen, Jacken und Babuschkas aus Kamelleder sind die Top-Souvenirs aus Marokko. Teppiche selbstverständlich auch. Zu dieser Zeit sind weniger Touristenströme in den Gassen. Wie mag das hier wohl in der Hochsaison sein? In Mini-Werkstätten arbeiten Schreiner und Schneider. Immer wieder Schneider. In jedem Verschlag steht eine Nähmaschine, Stoffe und Nähgarn überall verteilt. 

Auf dem Weg in unser Riad kaufen wir leckere Mandeln, die ich vor lauter Hunger esse, denn wir müssen ja noch mindestens bis 19:30 ausharren. Dann machen wir uns auf in ein Restaurant, das laut Google sogar Bier haben soll. Rolf hat es herausgefunden. Doch es sieht verwahrlost und geschlossen aus. Hungrig und genervt suchen wir weiter. Dann bleibt wohl nur der Hähnchengrill an der Kreuzung. Vor dem großen Grill, der auf dem Bürgersteig steht,  setzen wir uns hin. Folglich schwitze ich noch mehr. Himmel, wo bin ich hier? Ich fühle mich wie in einer Sauna, nur dass ich auf der Straße sitze.  Zum Glück hat der Kellner meine Bestellung falsch verstanden, denn statt zwei Teller bringt er nur einen. Und der sieht so wenig appetitlich aus, dass wir uns das trockene Hühnchen mit den schlechten Fritten teilen. Mich kotzt das ehrlich gesagt an. Nach so vielen Stunden des Wartens, dann noch so ein Driss-Essen! Für mich als Kind aus der Frittenbude eine wahre Zumutung. Ich möchte endlich wieder essen, wann und was ich, vor allem genussvoller und nahrhafter. 

Unsere Stimmung sinkt wieder in den Keller. Was kann uns noch aufheitern? Was könnte eine Alternative sein? Spanien kommt aufs Tableau. Spanien lockt uns sehr, statt Ramadan Tapas an jeder Ecke und zu jeder Uhrzeit, Wein und Bier, milderes Klima mit Sonne und Meer. Und zudem könnten wir in Torre del Mar in die Wohnung meiner Mutter wohnen. 

Auf der Suche nach Bier wird’s abenteuerlich und teuer. Mit einem Taxi landen wir im Hotel IBiS, der Fahrer will einen Aufschlag für die 100 Meter mehr gefahrene Strecke haben – Rolf ignoriert sein Gezeter. Aber hier gibts Bier, 5€ die Flasche – egal, wir trinken jeder Zwei. Zu Fuß gehen wir zurück und wünschen uns zunehmend, Marokko zu verlassen. 

Auch am nächsten Tag wird es nicht viel besser. Bei 37 Grad bleiben wir tagsüber in unserem Riad. Auf der Suche nach Lebensmitteln mache ich mich am Nachmittag auf den Weg in den ein Kilometer entfernten Supermarkt. Den Schatten suchend wechsele ich beständig die Straßenseite. Erschöpft und nass komme ich nach zwei Stunden mit etwas Käse und Brot wieder im Riad an. Wieder warten wir bis zum Abend, wieder brechen wir erst gegen 19:30 Uhr zur allabendlichen Restaurantsuche auf, wieder stehen wir vor verschlossenen Türen. Da nützt weder Google noch TripAdvisor irgendetwas. Frustriert und hungrig irren wir weiter, bis wir auf der Dachterrasse am Platz Menschen sehen. Rolfs Zweifel halten mich nicht davon ab, den etwas versteckten Eingang zu suchen. Tatsächlich geöffnet, drei Etagen gehen wir hoch und sitzen wie in der Bratpfanne, denn der Beton hat sich tagsüber bei 37 Graf ja prima aufheizen können. OMG … akzeptieren und entspannen. Wie üblich gibt es Tajine mit Hühnchen oder Hackbällchen. Unsere Stimmung? Könnt ihr euch denken, oder? 

Planänderung in Fes 

Dass in Fes die Entscheidung fällt, die Reise durch Marokko abzubrechen, verwundert jetzt wohl keinen mehr. Unvorstellbar, hier noch weitere (wie geplant) 6 Wochen zu reisen. 

Da sich der Tagesablauf wiederholt, fasse ich die drei Tage zusammen. Bei entsetzlicher Hitze verbringen wir die Tage im Riad, organisieren irgendwie etwas Essbares wie Brot mit Käse und versuchen die Zeit bis zum Abend totzuschlagen. Bei schlechter Laune macht nichts wirklich Spaß. Abends laufen wir uns die Füße bei der Suche nach einem Restaurant platt, sind frustriert und genervt. Wenn wir Glück haben, bekommen wir gegen 21 Uhr irgendetwas zu Essen, denn die Angestellten müssen schließlich zuerst essen, bevor sie arbeiten. Demzufolge sitzen die Touristen hungrig vor leeren Tischen und trinken ihr mitgebrachtes Wasser. Doch schlimmer geht bekanntlich immer. Mit Bauchkrämpfen quäle ich mich auf der Suche nach einer Toilette durch die Gassen. Doch erfolglos, ohne Café keine Chance. Als meine Not immer größer wird, frage ich bei den Gerbereien im Ledergeschäft. Erlösung! Ich kann und will nicht mehr. Was ein Stress nur für eine Toilette! 

Die Färbereien von Fes

Uns reicht es nun völlig. In den ganzen zehn Monaten habe ich mich noch nicht so unwohl gefühlt wie hier. Ich spreche aus, was ich denke: „Ich möchte nicht mehr in Marokko sein. Ich möchte auch nicht mehr zurück nach Marokko! Ich möchte nach Spanien und dann nach Hause!“ Jetzt ist es raus! Rolf starrt mich an und nickt erleichtert. „Ja, ich auch.“ Wir stornieren die ausstehenden Buchungen in Chefchauen und Marrakesch, kaufen das Zugticket nach Tanger und freuen uns auf bessere Zeiten. Ich bin gerührt und froh über die Übernachtungsangebote meiner Familie und Freundinnen in und um Köln. Wir kommen schon unter. Unsere Familien zu unterstützen erscheint uns tausendmal sinnvoller, als hier in Marokko den Tag rumzukriegen. 

Die Tatsache, dass wir reisemüde sind, ist nach den vergangenen zehn Monaten nun auch nicht verwunderlich. Unzählige Eindrücke und Erlebnisse haben uns viel Freude bereitet. Doch jetzt sind wir satt. Das spüren wir vor allem daran, dass wir uns weder noch mehr Altstädte, Festungen, historische Bauten und Tore, Aussichtspunkte, noch Wasserfälle und Strände usw. anschauen wollen. Wir haben genug gesehen und erlebt. Auch mit Ramadan können wir nicht mehr mit Leichtigkeit umgehen. Reisen ist auch deswegen so anstrengend, weil man ständig weiterzieht und sich neu orientieren muss. Wo ist die Toilette? Ist die Dusche warm? Wo kann ich Geld bekommen? Welche Währung und wie sie umrechnen? Welche Grenzbestimmungen? Welche Sprache? etc … jedes Mal aufs Neue. Das ist originär Teil des Reiseabenteuers und macht auch Spaß. Doch wenn der Zenit überschritten ist, ist es eben auch Zeit zu gehen. 

Mit großer Freude informieren wir unsere Familie und Freunde, buchen den Rückflug, fahren fünf Stunden mit dem Zug nach Tanger, wo wir noch einmal übernachten, bevor es am nächsten Morgen mit der Fähre nach Tarifa geht. 

Von dort geht es weiter nach Torre Del Mar, wo wir die letzten Tage bis zu unserem Rückflug unter der andalusischen Sonne mit Ausflügen auf dem Rad (endlich mal wieder …) ins bergige Hinterland verbringen. Wir genießen das tolle Wetter bei angenehmen Temperaturen, leckerem Essen und kühlem Bier.

Hier geht dann unser Sabbatical zu Ende. Zusammengefasst waren wir 304 Tage unterwegs, haben 81747 Kilometer zurückgelegt, 13 Länder besucht und sind dabei in 189 Orten gewesen … Eine interessante grafische Übersicht darüber findet ihr auf Polarsteps. Es wird noch ein abschließender Beitrag “Vom Glück als Paar zu reisen” folgen …

Südafrika Teil III: Kapstadt

Kapstadt – kein Ort der Guten Hoffnung

Von Franschhoek kommend, erblicken wir die Skyline von Kapstadt mit Blick auf den Tafelberg. Etwas aufgeregt sind wir schon. Alex hat ein wunderschönes kapmalaiisches Haus in Bo-Kaap über Airbnb gefunden. Unser „Purple House“ in der Waterkant Street im schwedischen Ethno-Style verfügt auf 3 Etagen über drei Schlafzimmer mit Bad, Küche, Wohnzimmer und einer großen Dachterrasse mit Blick über die ganze Stadt. In unmittelbarer Nähe gibt es herrliche Cafes und Restaurants mit Tischen draußen unter den Bäumen. Das Viertel sei sehr sicher, erklärt der Vermieter. Eine Gartentüre, eine große Gittertüre und eine Haustüre plus Alarmanlage schützen auch hier vor ungewolltem Besuch.

An die vielen Schlösser und Schlüssel mögen wir uns nicht gewöhnen und wenn die Alarmanlage nicht unmittelbar nach Betreten der Wohnung deaktiviert wird, steht der Wachdienst vor der Tür (wie wir erleben durften).

Radtour zum Camps Bay

Auch in Kapstadt gibt es Bikesharing. Eine prima Möglichkeit, wenn man nur eine Strecke fahren möchte, denn an den 5 Stationen kann das Rad wieder abgegeben werden.

Biketour durch Kapstadt

Um zum Camps Bay zu kommen, mieten wir uns bei Up Cycles fünf Räder an der Station „V&A Waterfront“. Zwischen Hollandrad und Mountainbike kann man sich eins aussuchen.  Für Noomi gibt es sogar einen Anhänger, da sie noch nicht ganz so fit ist. Anfangs wühlen wir uns durch die Fußgängerzone an der Waterfront bis wir den Radweg am Greenpoint finden. Alex zieht den Anhänger vorneweg, Luan radelt sicher hinterher.

Bei strahlendem Sonnenschein und frischer Brise vom Meer radeln wir die Küste entlang, an Seapoint vorbei an der Westflanke des Tafelbergs, wo die imposanten Steilwände der 12 Apostel erscheinen. Luan zählt auch gleich die Bergkuppen, ob’s wirklich zwölf sind. Mit Blick auf die Bergkette erscheint die türkisfarbene Bucht von Clifton Bay. Einen Berg müssen wir über die Straße fahrend noch überwinden, bis wir Camps Bay erblicken. Das Radverkehrsnetz ist weder beschildert noch stringent auf einem Radweg. Na ja, hier könnte man noch dran arbeiten.

Camps Bay hat eine Beachroad, gesäumt von hippen Restaurants und teuren Hotels. Einem mondänen Kurort gleich flanieren oder fahren hier chic gekleidete Kapstädter und Touristen auf und ab. Unsere Räder geben wir ab und stärken uns erst mal mit leckeren Fritten und Hühnchen, bevor wir an den Strand gehen. Noomi lockt Alex ins Wasser, das so kalt ist, dass ich noch nicht mal darin stehen möchte. Doch Alex springt tatsächlich rein, nur Noomi dann doch nicht. Während Luan Muscheln sammelt, beobachten wir die Kinder am Wasser.

Camps Bay

Mit dem Uber-Taxi fahren wir zum Sonnenuntergang an die Waterfront. Direkt am Meer gelegen bietet, die für uns zu moderne Anlage immer wieder fantastische Ausblicke, ob auf die Boote im Hafen, den Tafelberg im Hintergrund oder auf die alten sanierten Hafenhäuser im victorianischen Stil. In einem der Hafenrestaurants lassen wir den Abend bei allerlei Leckereien ausklingen. 

Mit der Gondel auf den Tafelberg

Zu Kapstadts Wahrzeichen, dem 1086m hohen Tafelberg, bringt uns die sich drehende Gondel in einem rasanten Tempo. In der Nebensaison können wir die Tickets vor Ort kaufen. Ein bisschen Schlange stehen und warten, doch relativ schnell kommen wir in die Gondel. Je nachdem schaut man auf die Steilwand des Tafelbergs oder auf die Bucht von Kapstadt. Bei bestem Wetter haben wir eine weiten Blick auf die Bucht, den Hafen und auf den Lion’s Head. Oben angekommen wandern wir auf dem mehrere Quadratkilometer großes Plateau und sind fasziniert von der Aussicht auf das Stadtzentrum mit Signal Hill, Robben Island, die mondänen Badeorte von Camps Bay und Clifton im Westen. 

Auf dem Tafelberg

Die Wanderwege des 30minütige „Agama Walk“ führen zwischen massiven Felsblöcken mit ausgeprägte Einkerbungen und zahlreiche Fynbos-Pflanzen und ermöglichen eine 360 Grad Aussicht auf Kapstadt. Der kühle Wind lässt erahnen, wie es hier oben zugeht, wenn die berühmte Tischdecke (eine Nebelbank) dem „table cloth“ sich auf das Plateau legt. Ansatzweise bekommen wir diese Wandlung zu spüren, denn uns wird sofort kalt. Der ungemütliche Wind treibt uns dann doch schnell zum Ausgang.

Füße im Sand im Strandbad Grand Afrika

Im Strandrestaurant Grand Afrika verbringen wir einen herrlichen Nachmittag mit Spielen und Schlemmen … eine üppige und delikate Fischplatte mit riesigen Garnelen und kaltem Rosé. Dieses stylische Location liegt malerisch direkt am Atlantik. Ein entspannter Rückzugsort im Herzen der Metropole. Wir genießen den verspielten Luxus, spielen mit den Kindern und genießen den letzen gemeinsamen Tag in Kapstadt.

Im Grand Afrika lassen wir es uns gut gehen

Neighbourgoods Markt in Woodstock

Bevor Alex und Familie heute wieder nach Deutschland fliegen, möchten wir unbedingt noch auf den trendigen Markt in Woodstock. Gleich hinter dem Bahnhof ist die Veränderung im Stadtbild unverkennbar. Mehr Schmutz und Müll, alte Autos und Häuser, einfache Geschäfte und Werkstätten.

In dem ehemaligen Arbeiterviertel Woodstock lassen sich seit geraumer Zeit immer Künstler, Designer und alternative Querdenker nieder. In der restaurierten fotogenen Old Biscuit Mill findet jeden Samstag der trendige Neighbourgoods Market (373 Albert Rd, Woodstock) mit Streetfood-Ständen, afrikanischer Handwerkskunst und Designermode statt. In den alten Fabrikgebäuden schlendern wir durch Cafés, vegetarische Restaurants, Galerien und ausgefallenen Geschäften mit Secondhandkleidung, Upcycling-Möbeln und Antiquitäten.

Kapstadts Feinschmeckermarkt bietet bei Live Musik handgemachtes Brot, frisch gepresste Säfte oder den besten Kaffee der Stadt. Neben dem hippen Jungvolk Kapstadts klönen auch Jung und Alt auf dem Boden oder auf Bänken sitzend bei einem Glas Wein und Köstlichkeiten aus aller Welt.

Voller Eindrücke fahren wir zurück zu unserem Haus. Der Abschied steht bevor und meine Tränen kann ich kaum noch zurückhalten. Eine wunderbare gemeinsame Zeit liegt hinter uns. Kapstadt hat uns reichlich mit Sonne und Erlebnissen beschenkt und vieles wieder ausgeglichen, was auf der Garden-Route quer war. 

Brillenpinguine am Boulders Beach 

Nachdem wir einige Tage die Weinroute im Hinterland von Kapstadt erkundet haben (Beitrag folgt noch), wollen wir noch einige Tage in Kapstadt verbringen, bevor wir Südafrika den Rücken kehren.

Brillenpinguine am Boulders Beach

Bevor es wieder nach Kapstadt geht, fahren wir nach Simon’s Town auf der Kaphalbinsel, um die Brillenpinguine am Boulders Beach zu sehen. Auf dem Weg dorthin fahren wir an riesigen Seen, wie dem Theewatersklofdamm, den Bergketten von Hottentots Holland Nature Reserve vorbei, bis wir in der Provinz Western Cape wieder zum Meer gelangen. Links die Dünen und rechts kleine Blechhütten windschief auf dem Dünensand. Diese Blechhüten dehnen sich weiter aus, kilometerlang, über die Hügel und wieder hinunter. Immer mehr kommen zum Vorschein. Die Menschen leben hier in sehr armen Verhältnissen. Wie können sie hier nur leben? Was machen sie bei Regen? Das Wasser läuft doch in die Hütten hinein?Entsetzt über diese riesige Township lesen wir, dass Khayelitsha eines der größten Townships in Südafrika mit über 400.000 Bewohnern ist. Einen lesenswerten Artikel über das Leben und die unerfüllten Hoffnungen dort könnt ihr hier nachlesen.

Unter der Apartheid-Regierung in den 1950er Jahren entstanden, wurde die schwarze Bevölkerung hier her umgesiedelt. Dass Khayelitsha auf isiXhosa „Neue Heimat“ heißt, ist so absurd. Obwohl die Regierung versucht, allen Bewohnern freies Wasser und Elektrizität zu gewähren, ist dies doch kein guter Ort zum Leben. Die Wartelisten für die zu wenigen neuerrichteten Häuser aus Stein sind lang, die Arbeitslosenquote und die Kriminalitätsrate hoch.

Irritiert fahren wir weiter an der Küste entlang, die mit großen Villen an den Hängen den krassen Gegensatz nur verstärkt. Haben wir nicht vor ein paar Minuten sehr arme Wohnverhältnisse gesehen? 

Wie können die Weißen hier ohne Gewissensbisse ihr Leben genießen?

Die kleinen Küstenorte wie Kalk Bay und Simon’s Town wirken wie Kurorte für gestresste reiche Kapstädter. Simon’s Town, der Ort an der windgeschützten False Bay, ist für seine Kolonie von Brillenpinguinen berühmt. Die hellen, abgerundeten Felsen vor dem türkisfarbenen Wasser erinnern an die Seychellen. Die Häuser im viktorianischen Stil, jeder Menge Vintage- und Second-Hand-Läden auf der Hauptstraße sollen bestimmt zu Bummeln einladen. Tut es uns aber nicht.

Als wir Boulders Beach mal wieder Eintritt (12€ pro Person) für das Betreten eines Holzsteges, der zu der Bucht führt, bezahlen sollen, streiken wir. Jetzt reicht es uns wirklich. Für natürliche Gegebenheiten wie eine Kolonie von Brillenpinguinen am Strand wird hier so viel Geld verlangt. Für maximal eine Stunde würden wir 24€ bezahlen. Das hier ist kein Zoobesuch, wo ich mir den ganzen Tag mit meinen Enkelkindern unzählige Tiere anschauen kann. Nein, nein, das Spiel spielen wir nicht mehr mit! Wir laufen den seitlichen Holzsteg zum anderen Ende der Bucht und können Pinguine mit ihren Jungen in ihren Nestern riechen, hören und beobachten. Ganz umsonst! Von weitem – leider ohne Fernglas – sehen wir, wie sich die Pinguine im Wasser tummeln. Das reicht uns dann nun auch. 

Kap der Guten Hoffnung – ohne uns

Wir fragen uns ob, man es unbedingt gesehen haben muss. Ja … Nein … wägen ab und wollen es schließlich ausprobieren. Wie so oft hier in Südafrika vermuten wir, dass für einen Naturschauplatz oder ein Nationalpark ein hoher Eintritt verlangt wird. Dass der angegebene Preis im Reiseführer nur für Südafrikaner gilt, wissen wir noch nicht.

Auf dem Weg zur Nationalpark-Einfahrt fahren wir die Küstenstraße nach oben bis wir nach ca. 20 min das Tor erreichen. Hier hauen uns dann die Preise mal wieder von Hocker. Mit 18€ pro Person bist du dabei. Doch wofür? Nur um am Ende ein Foto von uns vor dem berühmten Schild „Cape of Good Hope“ mit seinen Koordinaten zu haben, dass 36€ gekostet hat? Da wir keine Wanderung im Nationalpark geplant haben, fällt uns kein weiterer Grund ein, der für den Eintritt sprechen würde. Wir drehen und lassen das Kap Kap sein. 

Kapstadt Teil II

Unsere letzten vier Tage in Südafrika tauchen wir tiefer ein in die Geschichte der Apartheid. In unserem House on the Hilldas nah zur Waterfront liegt, kochen wir in der gut ausgestatteten Küche auch mal Pasta mit den köstlichen Oliven von der Olivenfarm in Robertson. Die Olivenpaste mit Brot ist ein echter Genuss. Die Temperaturen sind mit 20-24 Grad weitaus kühler, besonders abends, wenn der kalte Wind durch Kapstadt fegt.

Buntes Bo-Kaap

Bevor unsere Tour durch Bo-Kaap startet, stolpern wir über den Greenmarket Square, einem der ältesten Märkte Kapstadts mit Kunst und Handwerk, handbemalten Stoffe, Holzschnitzereien, Glaswaren, Kleidung, Kuriositäten und vieles mehr.

Am Treffpunkt für die Freewalking-Tour am Motherland Coffee treffen wir mit ca. zehn weiteren Teilnehmern auf unseren Guide. Die „Apartheid to Freedom-Tour“ erinnert an die Geschichte der Apartheid in Kapstadt, insbesondere an die Apartheidgesetze und deren Konsequenzen. Unser Guide führt uns durch das Viertel “Bo Kaap“, ein Stadtviertel, das berühmt ist für seine kunterbunten Häuschen. Von Zitronengelb über Grasgrün bis zu Babyblau und Lila ist alles dabei. 

Bo Kaap

Es wurde von den Kapmalaien im 18. Jahrhundert zuerst besiedelt, nachdem sie aus der Skaverei entlassen worden waren. Enge, steile Gassen mit Kopfsteinpflaster führen an bunt gestrichenen kleinen Häusern mit kapholländischer Architektur vorbei. Zehn Moscheen gibt es hier. Gerade wird hier ein Film gedreht, was nicht verwundert bei dieser farbenfrohen Kulisse.

Die Islamisierung durch den Imam Tuan Guru und seine im Untergrund gegründete Auwal-Moscheewar ist die erste Moschee in Südafrika. An einer Straßenecke beobachten wir eine Gruppe islamischer Männer, die wild gestikulierend herumschreien. Sie spielen Domino … sonst nichts. Das Viertel Bo-Kaap und insbesondere die bunten Häuser werden mehr und mehr geschützt und dürfen nicht an Investoren verkauft werden. Das ist gut und wichtig! Die Häuser müssen weiterhin als Wohnhäuser genutzt werden. Erfolgreich haben sich die Bewohner gegen den Weiterbau eines 17-stöckigen Hochhauses gewehrt. Die Bauarbeiten liegen seitdem auf Eis.

District Six Museum in der Buitenkant Street Church

Dass sich in einer ehemaligen Kirche ein Museum befindet, ist schon außergewöhnlich. Später erfahren wir auch den Grund dafür. Hier konnten sich sonntags ehemalige Anwohner zur Messe treffen und ihren Widerstand gegen die Apartheidgesetze organisieren.

Ein ehemaliger schwarzer Bewohner dieses Stadtteils, dass ursprünglich von frei gelassenen Sklaven bewohnt war, berichtet in diesem kleinen Museum während der Führung von der brutalen Räumung. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Rassentrennung und der Apartheid Gesetze deklarierte die Regierung 1966 das Gebiet des District Six als ‚White Group Area‘ – also für die weiße Bevölkerung – und ließ es mit Bulldozern platt walzen.

District Six Museum

Für die Bewohner, die grausam ihrer jahrzehntelangen Heimat beraubt wurden, war diese Entwurzelung grausam. Sie mussten in die Cape Flats (Townships) umsiedeln, wobei sie jegliches Recht auf Eigentum und Grundstücke verloren. Nur die Kirchen ließen sie stehen. Unser Guide erzählt uns eine Geschichte von seinem damals 6jährigen Sohn, als er mit ihm unterwegs war und er auf die Toilette musste. Da es nur eine Toilette für Weiße gab und es strikt verboten war (Schild), diese zu benutzen, versuchte er dies seinem Sohn erklären. Der aber zeigte immer wieder auf die Toilette und verstand nicht, warum er sie nicht benutzen konnte.

Seine authentischen Erzählungen gehen uns nahe. Ja, wie soll ein Kind diesen Wahnsinn verstehen? Dass er  sogar den königlichen Familien von Norwegen, Schweden und den Niederlanden und Michele Obama während ihrer kurzen Reise in Südafrika seine Geschichte zeigen konnte, ist schon beeindruckend. 

Dieses Museum ist ein bedeutsamer Ort, ein Ort der Erinnerung an das friedliche Zusammenleben, an das Stadtviertel, an die Vertreibung, an die Entwurzelung der ehemaligen Sklaven. Vielen Dank an alle, die die Erinnerungsstücke fleißig gesammelt und hier in liebevoller und kreativer Art ausgestellt haben.  

Ein Stück Zeitgeschichte hautnah – Robben Island

Ob es sich lohnt, die dreistündige Tour zur Gefängnisinsel zu machen? Wir finden schon, denn zur Geschichte Südafrikas gehört die Geschichte von Robben Island wie das Huhn zum Ei. Um die Menschen, die Politik die Entwicklungen zu verstehen, ist dies unerlässlich. 

Robben Island

Am Nelson Mandela Gateway an der V & A Waterfront kaufen wir die Tickets (360 R/22€) für den nächsten Tag, was jetzt in der Nebensaison auch ausreicht. Über die Homepage ist dies besonders in der Hauptsaison zu empfehlen. 

Die 30minütige Überfahrt offenbart wunderschöne Ausblicke auf den Hafen, die Waterfront und den Tafelberg. Bei der Ankunft geht es mit dem Bus über die Insel. Ein Guide erklärt die historischen Orte bis uns am Gefängnis ein ehemaliger politischer Gefangener, der hier 7 Jahre inhaftiert war, in Empfang nimmt und ins in das erste Gebäude in eine große Zelle führt. Wir nehmen auf den seitlichen Bänken Platz und er berichtet vom Alltag im Gefängnis:

Gefangene mussten im Steinbruch Steine zu Sand klopfen, der für den Bau der weiteren Gefängnisgebäude benötigt wurde. Sie selbst bauten also ihre eigenen Gefängnisse. Die tagtägliche harte Arbeit im Steinbruch, der sich im Sommer extrem aufheizt, führte bei vielen Gefangenen zu Augenschäden, denn Sonnenbrillen waren nicht erlaubt. Eine kleine Höhle diente als Schattenplatz und Toilette. Hier konnten sie mal ungestört miteinander sprechen, da kein Wächter sich hier hinein wagte.

Der Steinbruch auf Robben Island

Einigen Gefangenen ist sogar die Flucht gelungen, entweder versuchten sie die 7 km bis zum Festland bei Bloubergstrand durch den kalten Atlantik zu schwimmen, klauten Boote der Wächter oder bauten sich heimlich selbst Boote, z.B. aus Tierfell. Natürlich ertranken auch Viele, doch ein paar Wagemutige schafften es auch. Haie erledigten ihren Teil. Besonders einer (David) konnte 3x mit einem Boot entkommen, so dass man ihn künftig in Australien einsperrte.

Auf Robben Island wurden nach 1843 vor allem Leprakranke sowie geistig Behinderte gebracht. Nelson Mandela ist wohl der berühmteste Gefangene von Robben Island, wo er 27 Jahre seines Lebens verbrachte. Wir werden durch den Trakt mit den Zellen geführt. Die vierte Zelle rechts ist Mandelas Zelle … rechts eine Matte auf dem Boden, ein Eimer, ein Tischchen, graue Wände.

Sieht alles renoviert und sauber aus, was meiner Ansicht weniger authentisch ist. Die grauen kalten Wände, die Gitter, die engen Zellen und die Höfe mit ihren Mauern lösen ein beklemmendes Gefühl aus. Es muss sehr kalt gewesen sein! Sommers wie Winters wurde die gleiche Kleidung getragen: kurze Hosen und T-Shirts, keine Schuhe. Zweimal in der Woche durften sich die Gefangenen mit kaltem Wasser aus dem Meer duschen bzw. waschen. Erst viel später gab es warmes Wasser. Auch die Unterlagen zum Schlafen haben sich die Gefangenen hart erkämpfen müssen … von der dünnen Strohmatte zur Filzmatte war es ein langer Weg. Die Apartheid schlug auch hier voll zu. Sogar das Essen wurde zwischen Schwarzen, Farbigen und Asiaten unterschiedlich verteilt. Die Schwarzen bekamen von allem am Wenigsten.

Familienmitglieder durften die Gefangenen nur sehr selten besuchen, wobei nur Englisch oder Afrikaans gesprochen werden durfte. Die Wächter, die mit Killerhunden aufpassten, wohnten mit ihren Familien auf der Insel. Die meisten Gefangenen wurden mit dem Erstarken der Anti-Apartheid-Bewegung wegen „Sabotage“ angeklagt. 1971 streikten und protestierten Gefangene für humanere Bedingungen, so dass sie beispielsweise auch in der Haft studieren durften. Nelson Mandela hat diese Proteste maßgeblich vorangetrieben, was dazu führte, dass das Gefängnis auch Mandela University genannt wurde. Mandela selbst hat hier seine Memoiren (Der lange Weg zur Freiheit) geschrieben. 

Kritischer Rückblick auf Südafrika 

Insgesamt haben wir sieben Tage in Kapstadt verbracht, wirklich lang und intensiv. Dennoch empfinden wir nicht den Hype, der um die „Mothercity“ am Kap der Guten Hoffnung gemacht wird. Es liegt auf der Hand, dass die einmalige Lage in der Bucht unterhalb des Tafelbergs sowie die nahen Strände wie Clifton und Camps Bay einmalig schön sind. Für die Skyline mit der plateau-förmigen Oberfläche zusammen mit Signal Hill, Lion’s Head und Devil’s Peak ist Kapstadt weltberühmt. Besonders das kapmalaiische Viertel Bo-Kaap begeistert mit seinen bunten Häusern.

Aber an den Townships vor den Toren der Stadt, insbesondere Langa und Khayelitsha, wird deutlich, wie ausgeprägt die Apartheid heute noch existiert. Armut ist schwarz, Reichtum ist weiß. Die weißen europischstämmigen Südafrikaner haben die Macht, die Villen, die großen Autos, die gut bezahlten Jobs, die gute Ausbildung. Die Schwarzen putzen die Klos, die Wohnungen und die Autos der Weißen. Drecksarbeit eben. Die ummauerten Villen mit ihren Alarmanlagen und Stacheldrahtzäunen halten fremde Blicke und Hände fern. Alles ist mehrfach abgeriegelt. Zwei bis drei Tore und Türen bis zum Eingang. 

Nelson Mandela war aufgrund seiner Aktivitäten gegen die Apartheidpolitik 27 Jahre auf Robben Island inhaftiert. Von seine Zielen für ein gleichheitsorientiertes, demokratisches Staatswesen ist Südafrika heute nach 25 Jahren weiter entfernt als je zuvor. Nach Kapstadt zu reisen und diese gravierende Kluft zu erleben, löst bei uns Beklemmung aus. Ausblenden können und wollen wir diese ungerechte  Verteilung nicht. Wer nur an der Waterfront in Designerläden shoppen gehen und in coolen Beachbars fein essen möchte, muss schon sein Reflexionsvermögen auf Eis legen, um das hier  genießen zu können. Die Schaufenstern prahlen mit unfassbar teuren Schmuck, Kleidern, Taschen, Schuhen und vor allem schnellen Autos al la Lamborghini.

Wohingegen die Schwarzen auf der Straße betteln, in Parkanlagen schlafen oder vor Einbruch der Dunkelheit in übervollen Sammeltaxis in ihr Township fahren. Wenn sie Glück haben, wohnen sie mit der ganzen Familie in einem von der Regierung gebauten kleinen Steinhaus, ansonsten in einer Hütte aus Blech, Karton oder Holzresten am Stadtrand. Ödes Land, Brachland, Geröll oder Sand, Müll und Gestank. Hierher kehren sie jeden Abend zurück. Abends sollte eh jeder besser zu Hause sein, denn die Angst vor Überfällen ist hoch.

Kapstadt wird niemals unsere Lieblingsstadt. Was unzählige Reiseblogger gebetsmühlenartig wiederholen wie „Kapstadt, die schönste der Welt – Kapstadt meine Lieblingsstadt“ und auch nicht davor zurückschrecken, sogar mehrfach nach Kapstadt zu reisen, ohne die problematische Situation der Schwarzafrikaner zu reflektieren, halten wir für extrem eindimensional. 

Diesen Tummelplatz für die Schönen und Reichen verlassen wir gerne. Wir lieben es, frei zu sein, uns auch abends frei zu bewegen, in offene Häuser zu gehen und in Kontakt mit den Menschen zu sein. Dass wir uns hier eingesperrt fühlen, liegt auf der Hand.

Ach ja, und wir haben keine Township-Tour gemacht, da sie uns mit 45€ pro Person zu teuer ist. Denn vom Armutstourismus profitieren nur Einzelne, sie sind kein Mittel zur Armutsreduzierung. Darüberhinaus haben wir in Soweto mit einheimischen Guides einen sehr interessanten Einblick bekommen. Und nein, wir schreiben keine Liebeserklärung an Kapstadt, denn wir haben keine 7 Gründe wieder herzukommen. Das erledigen die Touristen und digitalen Nomaden, die sich hier im übermäßigen Luxus wohlfühlen, wenn nebenan Familien hungern müssen. 

Ein interessanter Artikel zur Entwicklung der Gewalt in Kapstadt bei Spiegel Online.

Abschied von Südafrika …

Südafrika Teil II: Die Garden Route

Von Port Elizabeth nach Tsitsikamma-Village (185km)

Im On Glen Hotel fallen uns als erstes wieder die Mauern, Zäune und Alarmanlagen auf. Autos parken auch hier im Hof. Das ist sie wieder … die Abschirmung und Sicherung vor den Schwarzen! Bei diesem Temperatursturz um mindestens 10 Grad ziehen wir uns mal wieder warm an.

Mit zwei Autos fahren wir am nächsten Morgen im strömenden Regen in den Tsitsikamma-Nationalpark. Von weitem sind die beeindruckenden Bergketten schon bald zu sehen. Die Sonne lässt sich auch wieder blicken, als wir Tsitsikamma-Village erreichen. Ein überschaubares Nest mit einer Handvoll Restaurants. Unser Forest Nest liegt etwas versteckt in einem Wäldchen. Beim Buchen müssen wir uns wohl total verguckt haben, denn Rolf und ich beziehen ein Häuschen mit drei Schlafzimmern, zwei Bädern, einer großen Küche mit Wohnraum und Garten, während Alex mit seiner Frau und den beiden Kinder in einem einzigen Zimmer übernachten.

Die Suspension-Bridge

Alex, Rolf, Luan und ich möchten an diesem sonnigen Nachmittag unbedingt zur Suspension-Bridge im Tsitsikamma-Nationalpark. Doch staunen wir am Gate Bauklötze, als wir pro Erwachsener 235 R/14,50€ und pro Kind 118R/7€ bezahlen sollen. Immerhin sind das 50€ für 2-3 Stunden im Park. Na, das fängt ja gut hier an! Nichtsdestotrotz fahren wir runter zur stürmigen Küste, ziehen schnell die Jacken an und laufen zur Mündung des Storms Rivers. Auf der Suspension Bridge haben wir einen grandiosen Blick in die Schlucht als auch auf den Indischen Ozean. Auf der anderen Seite klettern Luan und Alex auf den zerklüfteten Felsen herum, bis es langsam dunkel wird. 

An Alex Geburtstag wollen wir die 6 km Wasserfall-Tour an der Küste entlang laufen. Da Noomi noch nicht ganz fit ist, sind wir uns noch nicht ganz sicher, ob sie diesen Trail schaffen kann. Rolf bleibt wegen seines Hustens im Bett. Vorsichtshalber ziehe ich mal meine Wanderschuhe an und packe Wasser und Müsliriegel ein. 

Klettertour auf dem Waterfall Trail

Bei strahlenden Sonnenschein geht es die ersten paar hundert Meter durch den Wald und an der wilden Küste entlang. Stürmischer Wind und wuchtige Wellen treiben ihr raues Spiel und sind nicht zu überhören. Die Felsformationen an der Küste sind von den Wellen gezeichnet. Wie längs durchfurchte Gerippe ragen sie aus dem Wasser, spitz und kantig, rot-orange schimmernd gegen das Blau des Ozeans.

In bester Laune und frohen Mutes laufen und klettern die Kindern vorneweg, so dass wir Erwachsene Mühe haben, hinterher zu kommen. Eine Mutter mit zwei Jungs überholen uns. Doch dann endet der Weg in einem Meer aus riesigen Felsbrocken, die zur Orientierung mit gelben Pfeilen versehen sind. Klettern ist nicht unbedingt meine Stärke. Doch ich bemühe mich so gut ich kann. Ich balanciere über Felsen und Felsspalten, klettere hinunter und steil hoch. Hab den Eindruck, kaum voran zu kommen.

Wie lange wird das hier noch so gehen? Hören diese Felsbrocken auch noch mal auf? Die Kinder vorne haben sichtlich Spaß. Nach und nach ziehe ich Kleidung aus, denn ich schwitze vor Anstrengung und Angst. Das ist hier keine lustige Wanderung mehr. Wer hier stürzt, der kann einpacken bzw. ins Krankenhaus geflogen werden. Eine Verletzung an den spitzen Felsen scheint zum Greifen nah. Jeder Schritt muss gut gewählt sein. Ich brauche beide Hände zum Festhalten, ziehe mich mit aller Kraft hoch und runter. Der Rucksack wird logischerweise immer schwerer.

Da Alex und Romina mit den Kindern beschäftigt sind, muss ich alleine balancieren, was mir mächtig Angst einjagt. Wie sehr mir Rolfs Hand fehlt! Ich will ja hier nicht die nörgelige Oma abgeben, also beiße ich mich dadurch.Wir müssen das Ganze ja auch noch wieder zurück.

Wie furchtbar! Wie soll ich das hier nur schaffen … bloß nicht hinfallen, dann haben die anderen noch mehr Stress … ich konzentriere mich auf die nächsten Schritte, rutsche zum Teil auf dem Po die Felsen herunter … klettere sehr steil nach oben, balanciere auf wackeligen Steinen. Mein Magen knurrt, meine Kräfte lassen nach.

Erst spät machen wir eine Pause. Bananen und Wasser tun gut. Soll ich abbrechen? So 20 min vor dem Ziel? Hier alleine warten? Doch dann nach der Stärkung möchte ich es doch schaffen und die Pintos nicht alleine gehen lassen. Wie würde ich denn auch als Omi dastehen?  Wanderer, die uns entgegenkommen, fragen wir nach der Beschaffenheit der Strecke. Weitere Felsen? Es soll besser werden, sagen sie. Nach fast 2,5 Stunden erreichen wir tatsächlich den Wasserfall. Glücklich und erschöpft setzen wir uns auf die kantigen Felsen mit Blick auf den Wasserfall und das natürliche Becken zwischen den Felsen.

Luan und Noomi haben diese Klettertour so wunderbar geschafft. Wir hoffen, dass sie den Rückweg genauso gut bewältigen. Doch dann passiert es doch. Wir hören einen Schrei, dann Weinen. Luan ist über einen Stein gestürzt. Zum Glück ist er nicht mit dem Kopf angeschlagen. Es ist ein Schock! Nur eine Schürfwunde am Knie. Wir trösten ihn und bald läuft er schon weiter.

Das große Felsenfeld umgehen wir über eine Höhenweg, müssen diesen aber auch wieder steil bergab an einer Felswand hinunter klettern, indem wir uns an den Wurzeln festhalten und uns gegenseitig stützen. Was für eine Überwindung! Alex trägt Noomi mittlerweile auf den Schultern, denn sie ist nun auch erschöpft. Was für eine Anstrengung für Alex.  Nun wissen wir, dass wir es bald geschafft haben, denn die letzten 30 Minuten bis zum Parkplatz brechen an. Stolz und erschöpft genießen wir den traumhaften Ausblick von der Bank auf diese wilde Küstenlandschaft. 

Geschafft …!

Von Tsitsikamma-Village über Nature’s Valley nach Plettenberg Bay (80km)

Bei strahlendem Sonnenschein durch die Tsitsikamma Berge biegen wir am Nature’s Valley ab. In diesem verschlafenen Örtchen das mehr einem holländischen Stranddorf gleicht, essen wir in dem einzigen Imbiss Sandwich mit Fritten, gehen durch die Dünen an den weiten Strand, der sich lang erstreckt. Einige Angler versuchen ihr Glück im kalten Wasser stehend. Heftiger Wind weht uns durcheinander, während die Wellen mit aller Wucht gegen die Küste donnern. Zurück an der der Lagune, in der es beschaulicher, da windstill zugeht, tummeln sich Familien am feinen Sandstrand. Vier mutige Schwimmer schwimmen sogar im sehr kalten Wasser des Flusses.

Nature’s Valley

Gegen 14 Uhr erreichen wir nach etwas Suchen die schicke Villa in Plettenberg, wo uns die (schwarze) Haushälterin freundlich in Empfang nimmt. Sie erklärt alle Codes, Passwörter und natürlich die Alarmanlage wie für einen Hochsicherheitstrakt. Umgeben von einer Mauer und gekrönt mit einem Elektrozaun, leben die Menschen hier in ihren exklusiven Villen. Niemand sitzt vor dem Haus auf einer Bank, niemand grüßt die Nachbarn, niemand spielt mit Kindern. Die Angst vor schwarzer Kriminalität ist groß. 

Von den sechs Schlafzimmern suchen wir uns eins in der 1. Etage aus. Jedes Zimmer hat ein eigenes großes Bad mit allem Pipapo. Wie eine andere Welt, besonders nach zwei Monaten in Indien … Kulturschock mal andersherum. Alles ist extrem … extrem sauber, extrem groß, extrem luxuriös. In Südafrika gibt es extrem Reiche, die ihren Wohlstand auf Kosten der extrem Armen erreicht haben. Fürchterlich!  Wir mögen uns hier nicht wie die Made im Speck fühlen! Wie konnten nur 5 Millionen Weiße 50 Millionen Schwarze unterdrücken? Das werden wir noch herausfinden! 

Wie erfreuen uns am selber kochen, kaufen ein und grillen. Bei Guacamole und Tzatziki,  Salat und Ofenkartoffeln schmeckt es wie zu Hause. Angesichts des kühlen Regenwetters spielen und lachen wir abends bei Varianten von Stadt, Land, Fluß und Activity. 

Von Plettenberg Bay über Swellendam (303 km) nach Hermanus (145 km) und nach Kapstadt

Die Haushälterin freut sich sichtlich über die Lebensmittel und das Essen, das wir übrig haben. Da mich nun auch der Husten erwischt hat, kann ich über Swellendam nicht viel berichten. Es ist weiterhin kühl und regnerisch. Mit  Schüttelfrost und erhöhter Temperatur auf der Autofahrt möchte ich mich nur noch ins Bett legen.

In Swellendam angekommen ist mein erster Weg auch genau dorthin. Sogar mit Heizdecke! Dort kuriere ich mich bis zum nächsten Morgen aus. Der zuvorkommende Gastgeber bedient die kleinbürgerlichen Gäste in dem gemütlichen Speiseraum hier nach Herzenslust. Gestärkt und gesund fahren wir die Strecke über Stormsvlei nach Hermanus, der beliebte Ort an der Walker Bay, um Wale zu beobachten. Nirgendwo sonst kann man die Wale so nahe an der Küste beobachten.

Im windigen Hermanus beziehen wir ein zweckmäßig und kühl eingerichtetes Apartment mit drei Schlafzimmern. Praktisch, dass es quasi mitten in einem Einkaufszentrum liegt, denn so können wir einkaufen ohne hinaus gehen zu müssen. Während Alex, Romina, Luan und Noomi auf ihrem stürmischen Spaziergang am alten Hafen das Glück haben, Wale zu sehen, bleibt dies uns später verwehrt. Der Wind bläst uns so sehr um die Ohren, dass ich es eh nicht lange aushalte und wir zurückgehen. 

Der strömende Regen am nächsten Morgen taucht die Berge in eine graue Nebelwand. Die Wettervorhersage verspricht bald Besserung. Unvorstellbar! Doch nach zwei Stunden löst sich tatsächlich alles auf, die Sonne setzt sich langsam durch und der Nebel zieht sich gespenstisch von der Küste Richtung Berge zurück. Nun können wir auch noch mal einen Versuch starten.

Am alten Hafen angekommen sehen wir schon die ersten Fontänen der Wale. Unglaublich! Riesige graue Kolosse tauchen mit ihrem Rücken auf. Fasziniert bleiben wir mit den Kindern stehen und schauen diesem Spektakel zu. „Da, da … ist wieder einer“, ertönt es immer wieder. Dazu wirken die abziehenden Wolken vor der Bergkulisse spektakulär. Alex versucht mit der Drohne die Wale „einzufangen“. 

Das Franschhoek-Tal

Bevor wir nach Kapstadt reinfahren, wollen wir einen kleinen Umweg über das Weingut Boschendahl machen, das 1685 als eines der ersten Güter im Franschhoek-Tal gegründet wurde. Das Besondere an diesem Weingut ist die biologische Ausrichtung, denn getreu dem Motto „Gesunder Boden, gesunde Trauben, bester Wein“ werden die Reben, die Fruchtbäume, die Kräuter und Gemüse biologisch behandelt. Alles kommt möglichst frisch auf den Tisch, was wir deutlich schmecken, als wir im Schatten der Bäume Wein und Leckereien probieren. Auch die Anlage mit ihren kapholländischen Herrenhäusern, dem ästhetisch angelegten Garten und die historischen Häuser sind bezaubernd schön. 

Im Hinterland der Garden-Route

Ich frage mich, wem diese unglaublich großen und luxuriösen Weingüter gehören und recherchiere. Ich sehe jede Menge schwarze Mitarbeiter, die die Gäste bedienen, die im Garten und an den Reben hart arbeiten. Doch die Produktion und der Besitz sind zum größten Teil in der Hand der Weißen. Von den ca. 4600 Weinfarmen sind nur etwa 30 im Besitz von schwarzen Farmern. Pioniere, die etwas gewagt haben. Die einfachen Steinhäuser am Rande der Weingüter sind für die Angestellten. 

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisiert die teilweise katastrophalen Bedingungen für die Farmarbeiter, vom Einsatz gesundheitsschädlicher Pestizide, unwürdige Unterkünfte, Hungerlöhne und die Bezahlung eines Teil des Gehalts in Weinrationen – was schon seit Zeiten der Apartheid verboten ist. Mehr dazu auf der Webseite von Human Rights Watch …

Feedback zur Garden-Route

Den außerordentlichen Hype um diese Garden-Route auf unzähligen Reiseblogs und in Reiseführer kann keiner von uns wirklich nachvollziehen. Dass das Wetter zu dieser Zeit etwas grau, nass und regnerisch war, hat sicherlich dazu beigetragen. Darüberhinaus stört es uns massiv, wirklich an jeden Naturreservat einen hohen Eintritt zu bezahlen. Wandern, Kanufahren, Mountainbiken und alle anderen Outdoor-Abenteuer müssen dadurch teuer bezahlt werden – wir sind gerne bereit, einen angemessenen Preis dafür zu zahlen, aber eben angemessen. Die Autobahn auf dieser Strecke ist zwar gut ausgebaut, ist dennoch nicht das, was wir uns von einer traumhaften schönen Route versprechen. Es langweilt auch, ständig geradeaus zu fahren. 

Die luxuriösen und teuren Unterkünfte, das biedere Publikum, teure Restaurants, Villenviertel neben Townships und die Schwarzafrikaner, die trampend an der Autobahn stehen, weil sie keine andere Möglichkeit haben, um von A nach B zu kommen usw. , das alles hinterlässt bei uns einen schalen Beigeschmack. 

Im dritten und letzten Blogbeitrag werden wir uns mit Kapstadt und der Wein-Route beschäftigen …

Südafrika Teil I – ein extremer Kulturschock

Radtour durch Orlando, eine Township von Soweto 

Von Asien nach Afrika! Von Mumbai über Abu Dhabi nach Johannesburg. Zwei lange Flüge. Afrika, ein riesig großer Kontinent. Warum sind denn wohl so viele Plätze noch frei! Keine Touristen auf dem Weg nach Johannesburg? Wow … ich belege mal schnell eine Viererreihe und kann tatsächlich stundenlang mit Rolf im Wechsel liegend Filme schauen und schlafen.

Chico, unser Taxifahrer, bringt uns mit Einbruch der Dunkelheit in unser Guesthouse Lebo‘s Soweto Guesthouse nach Soweto. Ja, richtig gehört … Soweto, Ort der Armut, Ort der Aufstände gegen die Apartheid, Wohnort Nelson Mandelas. 

Unser Guesthouse in Soweto

Das aus rund 30 Townships bestehende Soweto – kurz für South Western Townships – zählt inoffiziell über 3 Millionen Menschen. Seit dem Aufstand von 1976 gilt Soweto als Symbol des Widerstandes in der Apartheidsära. Da wir mehr über diese Ära erfahren möchten, hat Rolf ganz bewusst hier eine Unterkunft gebucht. Empfangen werden wir freundlich und liebevoll, versorgt mit Bier und Essen in einem bunt und kreativ gestalteten Garten, dass es uns die Sprache verschlägt. Am Ende des Tages wärmen wir uns mit Fleecejacken und warmen Decken am Lagerfeuer und kommen direkt in eine angeregte Unterhaltung mit einem der Locals. Was für ein kuscheliges Gefühl! Für morgen buchen wir die zweistündige Radtour durch Orlando: 

„Best way to see Soweto! By using bicycles we easily move between the various neighbourhoods making it easy to experience life and culture and to interact with people and at the same time learning about Soweto’s rich history.“

Homepage Lebo’s Soweto Guesthouse

Die Betreiber dieses außergewöhnlichen Guesthouses, eine Schwedin und ein Südafrikaner aus Soweto, wollen zeigen, wie vielfältig das Leben in der Township ist, dass sie mehr sind als Orte sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheiten.

Beim Frühstück am wärmenden Lagerfeuer fragen wir uns, wer wohl mit dem Wohnmobil hier im Garten steht. Eine Schweizer Familie mit vier Kindern krabbelt nach und nach hervor. Während die Kinder spielen und essen, erklärt uns die Frau, dass sie das  Wohnmobil hier in Südafrika untergebracht haben, so dass sie nun zusammen mit einer Freundin – ebenfalls mit zwei Kindern – zum wiederholten Male Südafrika bereisen. Sie fühlen sich hier schon fast wie zu Hause. Überfälle hätten sie bisher nur in Europa, doch nie in Südafrika erlebt. Wir staunen über ihre Kühnheit, ihren Mumm und ihre Herzhaftigkeit. Dass sie noch fünf weitere erwachsene Kinder zu Hause haben, erfahren wir später am Abend.

Bei einer typisch afrikanischen Begrüßung mit rhythmischem Tanz und Gesang mit allen MitarbeiterInnen des Guesthouses wird so ein wunderbares Gemeinschaftsgefühl vermittelt, wie wir es zuvor noch nicht erlebt haben. Im Kreis singen und tanzen wir zu Trommelrhythmen.

Auf unserer zweistündigen Tour durch Orlando schildert unser Guide die historische Entwicklung, angefangen mit Blechhütten bis zu Steinhäusern mit Strom und Wasser. Orlando wurde 1932 als Siedlung für Schwarze gegründet und ist die älteste Township des 1963 aus mehreren Townshipsiedlungen gebildeten Soweto.

Townships sind Wohnsiedlungen für die schwarze, farbige oder indische Bevölkerung, die während der Hochphase der Rassentrennungspolitik von den 1940er bis zu den 1980er Jahren gebaut wurden. Doch die Townships sind nicht alle gleich. Die Spannbreite reicht von der Wellblechhütte ohne Strom und Wasser zum ein- bis zweistöckigem Steinhaus mit Strom und Toilette. Hier in Orlando sehen wir in erster Linke kleine Steinhäuser, die von Mauern und Zäunen umgeben sind – eine Art Mittelschicht-Township. Die Kriminalitätsrate in den Townships ist extrem hoch. Je ärmer, je stärker. Autos stehen in Garagen, weniger auf der Straße. Dafür gibt’s viel Platz auf den Straßen. Manche Häuser sehen ärmlich aus, manche wohlhabender und größer. Familien aus der Mittelklasse wohnen dicht an dicht mit Familien unterhalb der Armutsgrenze. Die einfachen Hütten aus Wellblech, Holz oder Pappe sind klein und ohne Fenster. Wie bunte Legohäuschen sehen sie von weitem aus. 

Wieviele Menschen wohl darin leben, wenn jede Frau durchschnittlich acht bis neun Kinder bekommt? Bunt gekleidete Frauen tragen ihre Kinder im Tuch auf dem Rücken. Sie grüßen uns freundlich. Die Wohngebiete wirken etwas trostlos. Wir wundern uns über die an einem Zaun einer großen Firma stehenden und auf ihr Handy schauenden Leute. Jeden Tag stehen sie hier, so unser Guide, und nutzen das Wifi der Firma. 

Wir erreichen das Hector-Pieterson-Museum, das sich mit den Geschehnissen rund um den Aufstand in Soweto und mit dem Mord an Pieterson beschäftigt. 1976 haben etwa 15.000 Schüler friedlich gegen die Einführung von Afrikaans als Unterrichtssprache protestiert. Zahlreiche junge Menschen wurden bei dem Schusswechsel der Polizei getötet, unter anderem auch der 12-jährige Hector Pieterson, der zur Symbolfigur wurde. Das Hector Pieterson-Mahnmal trägt folgende Inschrift:

„Honour the youth who gave their lives in the struggle for freedom and democracy. 
In memory of Hector Peterson and all other young heroes and heroines of our struggle who laid down their lives for freedom, peace and democracy.“
// „Zu Ehren der Jugend, die ihr Leben gab im Kampf für Freiheit und Demokratie. 
Zum Andenken an Hector Peterson und allen anderen jungen Helden und Heldinnen unseres Kampfs, die für Freiheit, Frieden und Demokratie ihr Leben ließen.“

In der Vilakazi Street ist das Mandela House, in dem Nelson Mandela zuletzt 1990 lebte. Eine afrikanische Tanzgruppe zeigt ihr Können mitten auf der Kreuzung. Ganz in der Nähe wohnte auch der Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu in der Bacela Street.

Die hohe Arbeitslosenquote ist nicht zu übersehen. Auffallend viele junge Männer stehen in Gruppen zusammen, sitzen vor den Hütten oder auf der Straße. Sie haben keine Perspektive, denn für weiterführende Schulen fehlt das Geld. Am Straßenrand verkaufen sie Obst und Gemüse, um wenigstens etwas Geld zu verdienen. Kinder gibt es reichlich. Müll auch. Uringestank, Scherben und Plastikflaschen.

Bei einem weiteren Stopp vor unbewohnten neu aussehenden Häuserblocks sind wir irritiert. Fünfhundert Wohnungen stehen hier hinter dem Township leer. Keiner will hier wohnen, weil er hier Miete bezahlen müsste und weil er dann nicht mehr zur Gemeinschaft im Township zugehören würde. Die Anzahl der Wohnungen reiche zudem auch nicht für mehrere tausend Township-Bewohner. Wer soll denn bestimmen, wer hier wohnen darf und wer nicht? Das kann doch nur zu weiteren Auseinandersetzungen führen. Folglich bleiben sie weiter leer und verkommen. Was für ein Unsinn!

Als wir wieder im Guesthouse ankommen, setzen wir uns in den Kreis und probieren ein traditionelles südafrikanische Bier, Umqombothi, ein Xhosa Bier, aus Hirse gebraut, das aus einem bauchigen Tongefäß getrunken wird. Selbst Rolf benötigt einige Schlucke, um sich an den Geschmack zu gewöhnen.

Umqombothi – südafrikanisches Hirse-Bier

Unseren ersten Eindruck von Südafrika möchten wir im Apartheids-Museum in Johannesburg vertiefen. Chico fährt uns bei strömenden Regen ins Museum und wartet dort auf uns, damit wir wieder sicher zurückkommen. Für uns sind diese Sicherheitsvorkehrungen ungewohnt und befremdlich. Etwas orientierungslos bewegen wir uns von Wandtafel zu Wandtafel. Die Chronologie erschließt sich uns nicht direkt. Neben Nelson Mandelas Lebensgeschichte werden die Proteste und Kämpfe in der Zeit der Apartheidsbewegung dargestellt. Tief beeindruckt, aber auch etwas überfordert mit der Informationsflut begeben wir uns mit Chico auf den Rückweg nach Soweto. 

Die ersten beiden Tage in Südafrika haben uns gezeigt, dass die Apartheid auch nach einem Vierteljahrhundert noch lange nicht überwunden ist. Südafrika hat bestimmt auch viel unternommen, um das Leben in den Townships menschenwürdiger zu machen. Viele wurden an die Strom- und Wasserversorgung angeschlossen, Schulen und Straßen wurden gebaut. Doch bleiben es Ghettos. Mandelas Vision muss eine andere gewesen sein. 

Dazu fällt uns ein Satz ein, den wir in der SZ gelesen haben:
”Es wäre an der Zeit Südafrika von den Befreiern zu befreien …”
Hier der Link zum Artikel.

Familienreise in den Kruger Nationalpark

Mit Hochspannung fahren wir zum Flughafen, denn heute treffen wir Alex, Romina, Luan und Noomi in Johannesburg. Wir wollen die Osterferien gemeinsam durch Südafrika reisen. Nachdem wir am Flughafen unsere SIM-Karten ausreichend aufgeladen haben, steigt die Anspannung.

Familientreffen in Johannesburg: Alex, Romina mit den Kindern Luan und Noomi

Gleich werden sie durch diese Glastüre kommen. Doch es dauert viel länger, als angenommen. Genau genommen fast eine Stunde länger. Meine Tränen habe ich schon dreimal wieder runtergewürgt, als sie endlich zu sehen sind. Wir freuen uns alle riesig, knuddeln und umarmen uns. So lange haben wir uns nicht gesehen! Noomi weicht kaum nach von meiner Seite. Mit einem kleineren Flugzeug fliegen wir in 40 min in den Krüger Nationalpark und landen auf dem kleinen Flughafen in Skukuza. Im Safari-Stil gestaltet ist dieser kleine Flughafen wirklich eine Augenweide. 

Der Check-In Schalter in. Skukuza

Mit dem Van, den Alex vorher gebucht hat, fahren wir endlich los und passieren das Paul Kruger Gate. Unsere Sabie River Bush Lodge liegt wunderschön am Sabie River, in dem sich gerade drei Nilpferde tummeln. Wir laufen natürlich zur Begrüßung zu den Nilpferden. Während Rolf und ich das Safarizelt beziehen, gehen die Kinder in den Pool. Das Kudu-Steak sowie der Hecht am Abend schmecken köstlich, vor allem mit dem Wein. Mit den Kindern spielen wir noch „Arschloch“ – ein Kartenspiel, das richtig Spaß macht. Da wir uns so viel zu erzählen haben, wird der Abend lang und die Weinflaschen leer. Folglich brummt mir zum Frühstück der Kopf. Wir staunen nicht schlecht, als die Elefanten am Fluss eintreffen. Frühstück mit Elefanten! 

Elefantenbesuch beim Frühstück

Selfdriving Safari im südlichen Krüger Nationalpark

Mittags geht’s dann endlich los. Unsere erste Selbstfahrer Safari. Vom Paul Kruger Gate fahren wir Richtung Lower Sabie. Neugierig suchen wir die Bäume und Büsche ab und siehe da, schon bald begegnen uns Impalas und Elefanten. Ständig stoppen wir, um Fotos zu machen. Wie im Bilderbuch sitzen die Geier auf einem Baum und fressen ihr Aas. Auf dem Boden rupfen sie das Fleisch aus dem toten Impala. Das Spektakel ist faszinierend. 

Zwischen den Hügeln sehen wir immer wieder Impalas, Wildschweine und Affen. In Lower Sabie machen wir eine Mittagspause im Mug &Bean, essen leckeren Salat und Burger mit Blick auf Nilpferde und Büffel im Fluß. Safari ist anstrengend! Ständig Ausschau halten und Tiere suchen … weiter geht’s.

Tatsächlich sichten wir im Abendlicht noch Zebras und Giraffen. Die Giraffe kommt immer näher zur Straße, sie steht ganz nah vor uns, bis sie sich erschrickt und weggeht. Die Sonne taucht die Landschaft in ein überirdisches Licht. Die Zeit drängt, wir müssen zurück zum Gate – bis 18 Uhr muss man den Park verlassen haben. Völlig geflasht von so vielen Tieren auf unserer Selbstfahrer-Safari fahren wir zurück zur Lodge. 

Unglaublich! Was soll denn da noch kommen! Mit dem eigenen Auto zu fahren, ist wirklich klasse, denn wir können anhalten und hinfahren, wo wir möchten. Einziger Nachteil ist, dass man in einem geschlossenen Auto sitzt und weniger als in einem Jeep sehen kann. 

Gegen das Malariarisiko schützen wir uns mit Malarone. Erstaunt sind wir über die wenigen Moskitos. Ob es an der Jahreszeit (April) liegt?  

Private Game Reservat „Honeyguide Lodge“

Bei all den verschiedenen Angeboten haben wir uns im Vorfeld intensiv mit der Frage, ob wir die  Safari selbst organisieren oder in einer der begehrten privaten Safari-Lodges planen sollen.

Keine Reise hat uns so viel Vorbereitungszeit und Recherche gekostet wie diese Reise. Ohne Vorerfahrungen, ohne ein Gefühl für dieses Land ist es ungleich schwieriger als nach Asien zu reisen, zumal Südafrika kein klassisches Backpackerziel ist. Da unsere  Reisekasse begrenzt ist, sind es auch die Möglichkeiten. 

Nach unserer Zeit in Asien hauen uns die Preise hier so ziemlich aus den Socken. Nach oben scheint es keine Grenze zu geben … von 100 Euros an aufwärts bis zu mehreren tausend Euros. Die hochwertigen Lodges bieten Vollverpflegung, verschiedenste Safariaktivitäten – darunter geführte Ausfahrten mit Ranger im offenen Geländewagen in die Wildnis, Buschwanderungen usw. Wir entscheiden uns letztendlich für eine gute Mischung und teilen die vier Tage entsprechend auf. Zwei Nächte im staatlichen Nationalpark mit Selbstfahrersafari und zwei im privaten Reservat.

So steuern wir am 3. Tag die „Honeyguide Lodge“ an. Auf den 80 km dorthin durchqueren wir typisch südafrikanische Siedlungen, in denen nur Schwarzafrikaner wohnen. Die Straßen sind voller tiefer Schlaglöcher. Einfache Steinhäuser und kleine Läden säumen die Straße. Um einen Steckdosenadapter zu kaufen, stoppen wir an einigen kleinen Supermärkten. Während ich mit den Kindern im heißen Auto warte, starren Einheimische ins Auto. Ich fühle mich merklich unwohl allein mit den Kindern. Nach zwei Stunden erreichen wir über eine Schotterpiste die Lodge.

Das Ambiente ist glücklicherweise nicht zu komfortabel. Die Safarizelte, die riesig groß sind mit Terrasse und Bad, liegen eingebettet in die Natur, ohne künstliche Wege und Wiesen. So fühlt man sich eher mitten im Reservat statt davor. Hier im Camp gibt es keine Zäune zum Reservat, so dass wir angehalten werden, abends nur in Begleitung zu unserem Zelt zu gehen. Das Essen im offenen Restaurant ist gut, der Service kinderfreundlich und flott.

Nach dem Briefing und dem Mittagessen freuen wir uns auf die Safari um 15:30 Uhr. Oben im Jeep ist die Sicht schon klasse. Unser Ranger, Dan und sein Ausgucker fragen. „Was wollt ihr sehen.“. Einen Leoparden und Löwen natürlich. Wie gut, dass sich der die Ranger über Funk austauschen, denn schon bald fährt er querfeldein. Ein Leopard ist im hohen Gras zu sehen. Wir wagen kaum zu atmen, halten inne und beobachten, wie er auf den liegenden Baumstamm steigt. Perfekter geht das Fotoshooting wohl nicht. Dort bleibt er auch erst mal stehen. Unsere Kameras klicken und wir sind happy. Wow, das hätten wir nicht gedacht. Unfassbar schöner Anblick, den wir bis zur letzten Minute auskosten.

Auf dem weiteren Weg durchs Reservat bekommen wir jede Menge Gnus und Wasserbüffel, Geier und Zebras zu sehen, die zusammenstehen, ihre Köpfe gegenseitig auf den Rücken legen, Zebras, die eine Hyäne jagen … sehr beeindruckend … auch ein einzelner Elefantenbulle grast vor sich hin.  Als es schon dunkel wird und wir müde werden. biegt unser Ranger zu einer Wasserstelle ab. Wir denken, er dreht hier gleich, doch dann bleibt er stehen und leuchtet mit der großen Lampe auf eine Löwen, der auf dem Boden liegt und sich nicht beirren lässt. Wow, mir bleibt der Mund offen stehen und Rolf versucht, Fotos zu machen. Wir starren auf den Löwen und können es nicht fassen. Wir sind nicht mehr als zwei Meter von ihm entfernt und kein Zaun dazwischen. Ein absolutes Highlight … für heute auf jeden Fall super!

Tatsächlich schaffen wir es am nächsten Tag um 05:30 aufzustehen. Mit der aufgehenden Sonne vor uns ruckeln wir warm eingepackt und etwas müde durch die weitaus trockenere Landschaft als im südlichen Teil des Nationalparks. Natürlich erwarten wir jetzt zahlreiche Sichtungen, da die Stiere morgens aktiver sind als in der heißen Mittagszeit. Doch nichts. Unser Guide erklärt auch nicht, wohin es geht. Unsere Augen ständig auf die Bäume und Büsche berichtet, versuchen wir irgendwo ein Tier zu sichten. Doch nichts.

So nach einer Stunde kippt die Stimmung von neugieriger Spannung bis zu frustrierter Langeweile. Die Kinder machen das einzig Richtige. Sie schlafen wieder ein. Doch dann passiert doch noch was. Ratzfatz sind wir wieder hellwach, als unser Jeep bei einigen Löwinnen stoppt, die gerade ein Gnu zerlegen. Zwei Löwinnen liegen gesättigt im Gras, während die anderen drei das Fleisch von den Knochen reißen.

Wir staunen und fotografieren wie verrückt … was ein Anblick … der Kopf und die Rippen des Gnus sind noch gut zu erkennen … das Röhren der Löwinnen ist beeindruckend laut. Die Kinder schauen genau hin. „Da ist das Auge von dem Gnu“, sagt Luan. Der Anblick ist tatsächlich überwältigend, wenn auch etwas befremdlich, dies alles so hautnah zu erleben – zwei Meter von uns entfernt. Noch nie haben wir so etwas gesehen.

Wir müssen weiter, denn einige Jeeps kommen hinzu und mehr als drei sollten nicht dort stehen. Zufrieden, erschöpft und müde kommen wir in der Lodge an. Da es um 15:30 Uhr noch ein letztes Mal auf Safari geht, brauchen wir eine Pause.

Am Nachmittag haben wir noch mal unfassbares Glück, denn ein Löwenpaar liegt im Gras. Das Männchen versucht sich mit ihr zu paaren, doch sie schüttelt ihn ab. Er legt sich hinter sie und wartet auf seine zweite Chance, sagt Dan. Wir sollen warten. Und tatsächlich … er steht auf und steigt auf die Löwin, das Maul weit aufgerissen … seine Mimik ist beeindruckend aggressiv … dazu noch sein Brüllen. Auch sie reißt ihr Maul auf, so dass alle Zähne sichtbar sind. Lange dauert es nicht. Mit dem Fotografieren müssen wir uns schon beeilen.

Anschließend legen sie sich wieder ins Gras und wirken erschöpft. Wir lösen uns von den Löwen und fahren über eine Stunde ohne Tiere zu sehen. Unser Guide bekommt einen Hinweis auf einen Leoparden. Der Jeep ruckelt über die schnurgerade Piste im kühlen Wind. Wir werden müde so kurz vor Sonnenuntergang und wickeln uns mit Decken zu. Es dauert uns zu lange. Nach einer halben Stunde sehen wir ihn dann doch noch … ein Leopard im Gras, der langsam davonläuft. Gelohnt hat sich der Aufwand nun nicht. Enttäuscht treten wir den langen Rückweg an. Dass wir im Dunkeln noch einen Geparden mit der Lampe entdecken, rettet diese Safari nun auch nicht mehr. 

Resümierend stellen wir fest, dass wir beim Selbstfahren im Süden am Sabie River so viel mehr Tiere gesehen haben, zwar aus dem Auto, doch dafür permanent. Die häufigen Sichtungen, die in der WhatsApp – Gruppe im südlichen Nationalpark gepostet werden, können wir nicht mehr ertragen wie beispielsweise 20 Elefanten kreuzen die Straße, 5 Löwen im Gras, ein Leopard im Baum, 10 Zebras am Sabie River, Hyänen jagen ein Gnu usw. … nicht zum Aushalten. 

Der Aufenthalt im Kruger mit seinen spektakulären Erlebnissen mit dessen Tierwelt hat die Rassenprobleme in Südafrika in den Hintergrund gedrängt und fast vergessen lassen. Das sollte sich aber im weiteren Verlauf unserer Reise durch Südafrika wieder ändern.

Am nächsten Tag geben wir den Van in Nelspruit ab und fliegen nach Port Elizabeth – unser nächstes Ziel ist die Garden Route