Archiv für den Monat: Juni 2021

Zelt, Tarp, Helinox, AeroPress oder auch Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küche, Terrasse genannt

Ein Beitrag von Eve

Zelten bedeutet, den Naturgewalten ausgesetzt zu sein. Schon häufiger haben Unwetter unsere Pläne durchkreuzt. Doch das sind nur Ausnahmen, Nebenwirkungen oder einfach nur Pech, denn wir tun es immer wieder. Außerdem haben wir unseren Komfort durch das Tarp um eine überdachte Terrasse erweitert.

Das Leben draußen, den Blick frei in die Ferne Richtung Himmel oder Wald, das Kochen auf dem Einflammen-Gaskocher mitsamt dem Gekrümel im Gras, der Wind in den Haaren und das Quaken der heran watschelnden Enten ergeben einzigartige Erlebnisse, die es nur beim Zelten gibt. Aber auch nächtliche Ohrenkneifer, Ameisen, Mücken, lauter Vogelgesang oder Kirchenglocken am frühen Morgen, schnarchende Nachbarn gehören genauso dazu wie Vogelkacke auf dem Zelt.

Wohn- und Schlafzimmer, überdachte Terrasse und Outdoor-Küche … alles vorhanden!

Wenn Rolf morgens den ersten Caffè vorm Zelt zelebriert und wir im Theater der „Camping-Bühne“ beobachten, wie die verschlafenen Nachbarn beim Zähneputzen und Anziehen, beim Kochen und Streiten, beim Spiel mit ihren Kindern ihre Rollen spielen, als wären sie alleine. Man grüßt sich, wenn man sich über den Weg läuft, hält einen kleinen Plausch und manchmal tauscht man sogar noch Kurzgeschichten aus oder gewährt uns einen Blick in den Camper. So geht Camping – im Hotel unvorstellbar! In meinem Familien-/Bekanntenkreis gibt es nur wenige begeisterte Camper, ausgenommen meine Schwester und mein ältester Sohn und neuerdings auch meine Enkelkinder. Frühe Prägung durch Oma, oder?

Auch wir haben früher auf ISO-Matten genächtigt und auf dem Boden sitzend Ravioli gekocht. Doch das muss heute nicht mehr sein, denn das Equipment ist so leicht und komfortabel geworden, dass wir mit leichtem Gepäck reisen, ohne Rückenschmerzen schlafen und köstlich kochen können – obwohl man bei einer Zuladung von ca. 30 KG zum Rad- und Körpergewicht nicht unbedingt von „leicht“ sprechen kann.

Am Lago di Piano bekommt das Zelten noch mal einen besonderen Touch. Trinken wir den ersten Caffè vorm Zelt oder am See? Mit anderen Worten: „Wen beobachten wir zuerst? Menschen oder Tiere?“ Die Möglichkeiten unseren Tag zu gestalten sind vielfältig. Tagestour durch die Berge oder Schwimmen mit Lesen, Hören oder Dösen. Wir wechseln wohldosiert, so dass Regenerationsphasen inklusive sind. Glücklicherweise wärmt die Sonne das kalte Wasser im Pool auf, so dass auch ich mit Hilfe systematischer Desensibilisierung in den Pool gleite. Rolf lacht sich bei diesem Bild kringelig.  Das Schwimmen tut meinem geplagten Homeoffice-Rücken so gut.

Der ums Eck gelegene Alimentari bietet uns mit seinen Marzano-Tomaten, den köstlichen Zwiebeln und dem alles andere als gummiartigen Mozzarella unser Mittags-Leibgericht, abends kreiert Rolf Cucina Italiana – Pasta in unterschiedlichen Variationen, Fleischspieße vom Grill oder Quinoa mit Gemüse.

Olivenöl und Parmigiano Reggiano – ganz wichtig!

Die auf Komoot geplanten Radtouren führen uns in die Bergwelt in dieser Seenlandschaft der Lombardei. Im kleinsten Gang kurbeln wir uns schweißtreibend nach San Bartolomeo hoch, den Comer See und den Lago di Piano weit unter uns, immer wieder den intensiven Duft der weißblühenden Jasminhecken in der Nase überblicken wir die Bergkämme. Mit Spaghetti Carbonara (ohne die vermaledeite deutsche Sahnepampe) füllen wir in Cusino unsere Kohlenhydratspeicher auf und freuen uns auf den rollenden Rückweg.

Es geht auch mit einer einzigen „Herdplatte“!

Doch das schöne Ende, die Belohnung der Anstrengung, endet in Schieben, Schieben, Schieben … die Römer haben hier wohl mit dicken Pflastersteinen ihre Routen durch den Wald gebaut. Unsere Räder springen in diesem steilen Gefälle hin und her, die Hände schmerzen vom Bremsen und ausbalancieren. Der Weg nimmt und nimmt kein Ende.

Die von Komoot vorgeschlagenen weißen Straßen sind wahrlich keine Freude und auch so nicht planbar.  Aber auch diese Tortour hat nach über einer Stunde in Carlazzo ein Ende. Dafür entschädigt nun eine Route mit fantastischem Ausblick über Corrido nach Porlezza inklusive Eis in unserer Lieblings-Gelateria.

Meine Single-Tour zum Aussichtspunkt über den Luganer See birgt einige heftige Steigungen inklusive der Atempausen. Zwischendurch geben die Berge den Blick auf Porlezza im Tal frei. Am Ende empfängt  mich zwar eine öde große Plattform, mit einem verwahrlosten Café samt Bruschetta, die ihren Namen nicht verdient, doch der Ausblick bis nach Lugano ist umwerfend. Das ehemals hübsche Hotel, das wohl keinen Investor mehr gefunden hat, rostet genauso  vor sich hin, wie der Stuhl, auf dem ich Platz nehme.

Der Blick hinunter auf den Luganer See

Als ich auf dem Rückweg rechts auf eine sehr schmale steile Straße abbiege, überkommen mich die ersten Zweifel. Prompt muss ich wieder mein Rad schieben. Über eine Stunde lang steil bergab über Römerweg inklusive Umwege, weil ich mich verfranse.

Wo ist denn bloß Rolf? Ich sollte ihn anrufen, oder? Mist, so allein hier im Nirgendwo, keine Straße in Sicht, es ist heiß, ich habe auch Hunger, geradeaus ist falsch, also wieder zurück. Auch das hier muss ja irgendwann ein Ende haben. Hat es auch … endlich wieder Asphalt unter den Rädern. Rolf schreibt, ich antworte, dass ich gleich komme. Nur noch den Berg runter und die letzten 6 Kilometer auf der Uferstraße. Rolf sitzt schon an der Eisdiele. Große Freude!

Mein Alltag im Homeoffice, Online-Sport, Kontaktbeschränkungen, das Eingesperrtsein … all das ist weit weg. Radfahren und Zelten sind die optimale Kombination, um wieder sich selbst zu spüren: Ob Wind, Hitze oder Regen, ob Anstiege oder Gefälle, ob Schotterwege, Singletrails oder Schnellstraßen, ob Landschaft oder Industriegelände, ob Stadt oder Dorf – auf dem Rad spüre ich so viel wie die ganzen Monate zuvor nicht – „Sensorische Deprivation“ kommt mir in den Sinn – der Entzug von Sinneseindrücken.

Daran mangelt es nun nicht mehr, denn das Zusammensein mit Rolf ist wie eine Gießkanne, die mich täglich düngt mit Ideen, Berührungen und Lebensfreude.

Campeggio Ranocchio – ein Schmuckstück am Lago di Piano

Ein Beitrag von Rolf

Der Tag beginnt mit unserem morgendlichen Ritual: Das tägliche Kirchengeläute – pünktlich um 7 !! Uhr – hilft enorm beim Wachwerden. Wasser aufsetzen, alle notwendigen Utensilien um mich herum gruppieren, die „Aeropress“ (mein absoluter Favorit für guten Caffè beim Camping) mit frischem Caffè bestücken, kurz ziehen lassen und dann heisst es „pressen“!

Alles für den Caffè am Morgen

Der sich verbreitende Duft scheint auch immer die Lebensgeister meiner Gattin zu wecken – denn der Zeltreißverschluss wird aktiv … Ein kurzer Stop in die Beautyabteilung und die Voraussetzungen für den morgendlichen Caffè sind geschaffen …

Dieses Jahr ist irgendwie anders. Wir reisen einfach nicht ab. Heute nicht, morgen nicht und auch übermorgen wohl nicht. Keine Routenplanung, keine neuen Zeltplätze. „Bleiben, um zu genießen“ ist die Devise. Ob das an Corona liegt? Oder am Campeggio Ranocchio, am Lago di Piano, an den grüßenden Enten und Blesshühnern, dem nächtlichen Froschgesang? Auch die schattenspendenden Ahornbäume und Eschen, der Pool, das kalte Bier, der unverstellte Blick auf den See mit seinen riesigen Seerosenfeldern und dem satten Grün der Berge verzaubern uns von Tag zu Tag immer aufs Neue.

Da sind wir wohl gerade von einer längeren Tour zurückgekommen

Dazu gesellen sich dann noch Pluspunkte, wie ein Alimentari, dem ich jeden Morgen einen Besuch abstatte und jedes Mal begeistert bin, wenn die Signora den Riesenlaib Mortadella in die Aufschnittmaschine wuchtet, hauchdünne Scheiben abschneidet, liebevoll einpackt und mir ein freundliches „di più“ entgegenbringt – ich liebe das so sehr!

Damit nicht genug … Gastgeber, die sich auf freundlichste Art um unser Wohlergehen kümmern und sich einen Ast freuen, wenn ich mit Ihnen eine kleine Unterhaltung in ihrer Landessprache starte. Die wenigen Gäste, das gute Internet und nicht zu vergessen … DAS Argument: die EM auf Großbildschirm mit wenigen Zuschauern und gekühltem Nastro Azzurro – dat isset!

Und da sollen wir jetzt weg?!

Immerhin unternehmen wir die bereits erwähnten Tagestouren, ein Radweg (ehemalige Bahntrasse) führt unmittelbar am Platz vorbei, der uns direkt zum Comer oder Luganer See bringt. Ansonsten überwiegen hier die steilen Rampen, nicht selten in unwegsamen Gelände, weshalb auch 90 % !! der Radler mit Mountainbikes und davon nochmals 90 % als eBike unterwegs sind. Da kommen wir mit unseren Trekkern schon an Grenzen. Eine längere Tour hat uns bereits an die Nordspitze des Comer Sees gebracht, auch um die dort möglichen Unterkünfte zu sondieren. Mit dem Resultat „Wir bleiben wo wir sind!“

Eine ehemalige Bahntrasse verbindet den Comer mit dem Luganer See

Aber wir haben ja noch fast drei Wochen, in der wir „Radreisen“ können – aber – eilig haben wir es nicht!

So … mir wird warm – ich muss in den Pool …

Von Unwettern vertrieben …

Ein Beitrag von Eve

Mit voll gepackten Rädern in den Zug … immer wieder aufregend. Welcher Wagen,

welcher Platz? Von Köln fährt der IC nach Memmingen. Räder und Taschen sind verstaut. Entspannung macht sich breit, mit Maske werde ich schnell müde. Zwei Umstiege bis Lindau-Insel. Wie so oft kommt es zu einer Verspätung, denn 4 Minuten reichen wahrlich nicht aus. Schließlich muss man mit kaputten Aufzügen, Gleiswechsel etc. rechnen. Doch wie auch immer, der Zug holt die Zeit wieder auf und wir kommen gegen 18:20 Uhr an.

Die restlichen Kilometer bis zum Camping Weiss dienen der Eingewöhnung ans noch ungewohnte Radeln mit Gepäck und Gewicht. Mit Bierchen und herrlichem Lachen werden wir empfangen. Der selbstgemachte Most löscht unseren Durst. Hier tobt das Leben, ob alt, ob jung, egal … jeder feiert was und wie er kann. Musik, lautes Lachen, gute Laune überall … Masken sehe ich keine, Corona scheint weit weg!

Das Einreiseformalitäten haben wir online schon im Zug erledigt. Ansonsten erfüllen wir alle Voraussetzungen: Rolf ist komplett geimpft, ich habe die erste hinter mir – ausreichend für Österreich – es fragt nur keiner danach.

 Komisches Gefühl so unter vielen Menschen – wie sind es nicht mehr gewohnt. Die Jugend wird bewusst weiter hinten platziert, während in der „Spießergasse“ – die heißt wirklich so – die Gartenzwerge zwischen den Blumen staunen. Tesa, der Esel und zwei Ziegen schauen uns beim Aufbauen zu. Tesa nennt ein luxuriöses Anwesen sein Eigen, einen alten Wohnwagen.

Hier ist wirklich alles dabei … vom Spießer zum Saufgelage, von laut bis leise, von aufgeräumt bis Chaos.

Der Regen klopft in der Nacht so laut an unser Zelt, dass ich wünschte, ich hätte die Ohrenstöpsel schon parat. Gewitter ziehen über die Alpen, die leider mangels Wind feststecken.

Seebühne Bregenz, Kulisse für „Rigoletto“ – beeindruckend!

Unwetterwarnungen, überlaufene Keller in Köln, Gewitter und eine weitere schlechte Prognose lassen uns am nächsten Morgen an der ursprünglichen Planung, Richtung Splügenpass aufzubrechen, zweifeln. Noch ist es trocken und wir schauen uns Bregenz an. Die imposante Seebühne, den Hafen, die Altstadt. Wunderschöne Live-Musik durchzieht die Straße. Die beiden Musiker, eine Frau am Bass, der Mann an der Gitarre, verzaubern mit Musik aller Stilrichtungen – von Marianne Rosenberg über Hildegard Knef bis Iggy Pop. Weinschorle für mich, Wurstplatte für Rolf und und bei„Für dich soll’s rote Rosen regnen“ kann ich nicht mehr, mir kommen vor Freude die Tränen … ja, so lange waren wir eingesperrt, monatelang im Homeoffice, kaum Kontakte zu unseren Liebsten, keine Party, kein Karneval … und jetzt hier… das Gefühl von Glück und Freiheit, mit Rolf hier sein zu können.

Rolfs Idee, mit dem Zug über Zürich nach Lugano nimmt Konturen an. Da scheint tatsächlich die Sonne! An Kochen ist wegen des Regens auch nicht mehr zu denken.

Regen in der Nacht. Alles ist nass und kalt, der Himmel grau, wir packen alles zusammen.

 Von Bregenz nach Zürich, wo wir uns sehr teuren Cappuccino gönnen – Schweiz halt. Versehentlich steigen wir in die 1. Klasse ein, da ein Fahrradschild an der Tür war. Dass wir auf der Treppe sitzen, gefällt der Schaffnerin gar nicht – entspricht wohl nicht der Schweizer Korrektheit. Generös lässt sie uns in der 1. Klasse Platz nehmen!

 Die Schweizer Berge wirken grandios. Nach jedem Tunnel bin ich überwältigt. Im Tessin sehen die Häuser schon italienischer aus. Und die Sonne ist auch zu sehen. In Lugano empfängt uns ein blauer Himmel mit Temperaturen, die uns bald schon ins Schwitzen bringen. Direkt am See kommen wir an … zu schön, um wahr zu sein! Der erste steile  Anstieg in praller Sonne mit vollem Gepäck fordert uns direkt heraus. Dann die Grenze, ein Schild und weiter nichts! Kein Test, kein Formular …

Luganer See – Grenze zwischen Schweiz und Italien

Endlich in Italien! Wie sehr haben wir dich vermisst! Bergab läufts wunderbar am Luganersee See entlang bis nach Porlezza, von dort über die Schnellstraße noch zum Campingplatz Ranocchio am Lago di Piano. Der Name ist Programm. Wie das schon klingt!

Mit meiner ACSI-Karte können wir für 18 Euro/Tag ein Paradies genießen, wie wir es nicht erwartet hätten. Wer hier nicht länger bleibt, ist’s selbst schuld. Der Platz unter Bäumen direkt am See, ist fantastisch. Ein eiskaltes Nastro Azzurro und wir sind happy!

Dolche Vita am Lago di Piano (hier bleiben wir erstmal …)